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Bengalisches Feuer

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Nicht nur wegen der rotchinesischen Beschuldigung einer „Einmischung in die inneren Angelegenheiten Pakistans“, sondern auch aus Furcht vor dem Ausbrechen anderer Bengalen“ ist die von vielen pakibei der Schaffung eines „Vereinigten Bengalen“, ist die von vielen paki- stanfeindlichen Indem sehnlichst erwartete Anerkennung des Staates „Bangia. Desh“ unterblieben. Dies führte in diesen Tagen zu heftigen Debatten im indischen Parlament, als Angriffe von Abgeordneten auf die indische Regierung wegen der Nichtanerkennung von „Bangia Desh“ zurückgewiesen wurden und viele Parlamentsmitglieder unter heftigen Protesten demonstrativ den Saal verließen.

Asienkenner, die die Vorgänge des öfteren richtig vorausgesagt haben, sind der Ansicht, daß der Bürgerkrieg auf dem indischen Subkontinent schließlich zur Schaffung eines dritten Staates und gewaltigen Umwälzungen führen wird. Trotz der Schwächung seines potentiellen Gegners Pakistan sei auch Indien hart getroffen.

Die Auswirkungen der Kämpfe beeinflussen das Kräftespiel der Weltmächte in Asien. Neben anderen von Gewährsmännern berichteten Interventionen „hinter den Kulissen“ protestierte bekanntlich Präsident Podgorny in einer Botschaft an den pakistanischen Staatspräsidenten Yahya Khan öffentlich gegen den Einsatz pakistanischer Streitkräfte in Ostpakistan, was dieser mit dem Vorwurf der Einmischung in innere Angelegenheiten seines Landes zurückwies.

Es ist bezeichnend, daß die chinesische Presse seine Antwort mit der gegen Indien erhobenen Beschuldigung, daß sechs indische Divisionen mit Artillerie und Fallschirmtruppen entlang der ostpakistanischen Grenze aufmarschiert seien, vollinhaltlich veröffentlichte. Rotchina geht mit seiner Unterstützung Rawalpindis so weit, daß etwa nach dem Beginn des Aufstandes in Ostpakistan, als dort sogar auf Regierungsgebäuden das „Bangia Desh“-Banner aufgezogen wurde, das ratchinesische Generalkonsulat in Dacca demonstrativ die pakistanische Nationalflagge hißte.

Yahya Khan soll durch unter undurchschaubaren Einflüssen stehende „Habichte“ unter seinen maßgeblichen Generälen zum Einsatz der Armee in Ostpakistan angespornt worden sein, und der einflußreichste Politiker Westpakistans, Bhutto, soll sich nach Kräften bemüht haben, alle zu einem friedlichen Ausgleich mit Ostpakistan bereiten westpakistanischen Politiker auszuschalten. Trotz allem aber gilt als tiefste ‘ Ursache des’ Aus- einanderfallens Pakistans der weltweite Säkularisierungsprozeß unserer Tage und der Zerfall der Pakistan zusammenhaltenden islamischen Ideologie. Weitblickende Pakistani haben diese Entwicklung schon vor Jahren vorausgesehen.

So schrieb bald nach der Gründung des Staates Pakistan Choudhury Mohammed Ali, ein späterer Ministerpräsident, in einem geheimen Memorandum, man solle überhaupt kein Kapital für die Entwicklung Qstpakisitans verschwenden, da es sich ja doch früher oder später von Westpakistan lossagen und eigene Wege einschlagen werde.

In Anbetracht des fürchterlichen Blutbades der letzten Monate halten viele Beobachter eine Wiederherstellung der Einheit Pakistans für unwahrscheinlich. Nach den jüngsten Berichten wurden nicht nur von in die Enge getriebenen Einheiten der pakistanischen Armee zahlreiche Personen getötet, sondern auch von ihren Gegnern, den Anhängern der Awami-Liga, zahlreiche Morde verübt. Schon in den ersten Tagen nach dem Einschreiten der Armee sollen die ostpakistanischen Revolutionäre tausende Landsleute abgeschlachtet haben. Was die drei Millionen Flüchtlinge betrifft (Rawalpindi behauptet, diese Zahl sei übertrieben), so kamen sie nach indischen Berichten großteils aus einer achtzig Kilometer breiten Geländezone entlang der ostpakistanischen Grenze. Der Leiter einer in Indien anwesenden Mission der UNO gab ihnen den „ausgezeichneten Rat“, in ihre Heimat zurück- zukehiren, während Neu-Delhi an Pakistan offiziell die „Forderung“ ergehen läßt, Indien für die durch den Flüchtlingsstrom aus Ostpakistan entstehenden Unkosten in vollem Ausmaß zu entschädigen.

Die chaotische Entwicklung im östlichen Teil des indischen Subkontinents begünstigt viele Auflösungserscheinungen und den allmählichen Übergang zu der von Mao Tse-tung gelehrten Guerillatätigkeit, obwohl dabei Rotchina fast nirgends sichtbar in Erscheinung tritt. Vor den Guerillas kam allerdings die Cholera.

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