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Pogrom unter Schwarzen

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Nicht nur in Biafra hatte die Zivilbevölkerung blutige Opfer zu bringen. Nach der Rückeroberung der von Biafra vorübergehend besetzten Mittel-Westregion Nigeriens durch die Bundestruppen, kam es im September und Oktober 1967 auch dort zu pogromartigen Ausschreitungen gegen die der Komplizität mit den Rebellen beschuldigten Ibos, die im Mittelwesten nicht Zuwanderer wie anderswo in Nigerien waren, sondern eine Minderheit der ansässigen Bevölkerung — rund 20 Prozent derselben — bilden. Allein in den großen Städten wie Benin City oder Warri sind diesen Ausschreitungen tausende von Menschen zum Opfer gefallen. Auch nach der Besetzung der Calabar- Provinz, die im Südwesten an Kamerun grenzt und von Nicht-Ibo- Völkerschaften bewohnt wird, soll — im Dezember 1967 — ähnliches geschehen sein. Diese Ereignisse haben die Propaganda der Sezessionisten, die Bundestruppen würden allen Ibos nach dem Leben trachten, in breiten Kreisen glaubhaft gemacht.

Tatsächlich sind auch die Kampfhandlungen selbst sehr unbarmherzig geführt, und auch Gefangene nur selten gemacht worden. Als sich im September 1967 die Biafraner über den Niger ostwärts zurückzogen und Bundestruppen ihnen folgten und einen Brückenkopf zu bilden versuchten, wurden sie durch die Sprengung der Brücke von Onitsha abgeschnitten und dann bis auf den letzten Mann niedergemacht. Immerhin befinden sich heute mehrere hundert Gefangene in den Händen beider Seiten, da der Beauftragte des Roten Kreuzes, George Hoffmann, deren Austausch vorgeschla- genhat.

Die letzte Schreckensmeldung ist nOčh keinen Monat-alt:'Bei der Er“' oberung von Port Harcourt sind etwa vierhundert verwundete biaf- ranische Soldaten, die in zwei Spitälern zurückgeblieben waren, von den eindringenden nigerianischen Truppen getötet worden. Dies geschah Sonntag, den 19. Mai 1968. Obwohl nicht anzunehmen ist, daß das nigerische Oberkommando dieses Massaker befahlen und es sogar eine Untersuchung darüber einleitete, hat es sich doch abermals unfähig erwiesen, solches zu verhindern.

Chinesischer Hintergrund?

Während der kürzlichen, erfolglosen Friedensverhandlungen, die Ende Mai in Kampala in Uganda stattfanden, hat das Internationale Rote Kreuz schließlich, zum viertenmal innerhalb von sechs Wochen, nicht nur die Beobachtung der Genfer Konvention und den Schutz der Zivilbevölkerung, der Gefangenen und Verwundeten gefordert, sondern auch die Aufhebung der Blockade und Ermöglichung einer Hilfsaktion großen Stils für die mit 600.000 bezifferten Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten. Tausende von ihnen, erklärte das IKRK, namentlich Frauen, Kinder und alte Leute, seien vom Erschöpfungs- und Hungertod bedroht und sterben vielfach am Straßenrande hin.

Beides, das Unvermögen der militärischen Führung, Massaker zu verhindern wie das Elend der Flüchtlinge, sollte Grund genug sein, die Operationen zumindest zeitweilig einzustellen.

Bei dieser Flüchtlingsnot handelt es sich keineswegs um jene Menschenmassen, die 1966 aus anderen Teilen Nigeriens nach der Ostregion strömten, sondern hauptsächlich um die Bevölkerung der Städte Onitsha Port Harcourt sowie kleinerer Siedlungen in den Kriegsgebieten, die — wie schon seinerseits Nsukka und Enugu an der Nordgrenze weitgehend menschenleer in die Hände der Bundestruppen fielen. Diese Flüchtlinge hat nackte Angst um ihr Leben aus ihren Heimatorten vertrieben.

Rein militärisch dürfte die Bundesregierung wahrscheinlich in der Lage sein, dank ihrer Überlegenheit allmählich auch die noch in Händen der Biafraner befindlichen größeren Zentren im Herzen des Ibo-Kern- landes wie Aba, Umuahia und Owerri zu erobern. Aber auch die gesamte, gegenwärtig auf 80.000 Mann geschätzte Bundesarmee wird ein Territorium in der halben Größe Österreichs, auf dem nun rund acht Millionen Menschen zusammengedrängt sind, kaum wirksam kontrollieren können. Der Krieg würde dann wohl in ein Guerillakriegsstadium treten, in dem die Besatzungstruppen in eine Vietnamsituation geraten könnten. Die „Untergrundarmee“ würde wohl nicht nur Kollaborateure rasch beseitigen, sondern auch sehr bald zum Werkzeug auswärtiger, revolutionärer Kräfte werden. Die Anerkennung Biafras durch Tanzania und Zambia läßt übrigens denkbar erscheinen, daß China (dem diese beiden Länder verpflichtet sind), der Sowjetunion, die gegenwärtig durch massive Unterstützung der Zentralregierung mit Waffen, Technikern und Krediten einigen Einfluß in Nigerien erlangt hat, diesen in Zukunft noch streitig machen können wird.

Die Aussichten für den weiteren Verlauf des Krieges, der, obzwar er zwischen verschiedenen Völkern stattfindet, als „Bürgerkrieg“ eine „innere Angelegenheit“ Nigeriens bildet, sind also auch weltpolitisch düster.

Der österreichische Staatsrechtler Univ.-Prof. Dr. Felix Ermacora hat die Frage aufgeworfen, ob denn „Österreich als neutraler und blockfreier Staat nicht die Pflicht hatte, wieder einmal zu zeigen, daß seine Neutralität bei der Verletzung von Menschenrechten eine Grenze findet?“. Ermacoras Initiative sollte nicht überhört werden. Nur der Umstand, daß nicht wenige Ibos in anderen afrikanischen Ländern, in Europa und Amerika die Aufmerksamkeit auf das Schicksal ihres Volkes lenken, hat es bisher davon bewahrt, daß sein Leiden etwa in ähnlichem Schweigen versinkt wie das der Südsudanesen. Und noch stehen in Nigerien keine echten Großmachtkonflikte einer friedlichen Lösung im Wege, wie an anderen Brandherden der Welt.

Qui tacet, consentire videtur — wer schweigt, scheint seine Zustimmung zu geben, heißt es. Sind die Menschenrechte für uns wirklich nur ein Fetzen Papier?

Die Aussichten für eine erfolgreiche Intervention in Nigerien sind nadh der Meinung informierter, britischer Afrika-Kenner lallerdings gering. Die Einstellung der Waffenlieferungen durch Großbritannien, die heute mehrfach gefordert wird, würde keinen Einfluß auf das Kriegsgeschehen haben, da Nigerien seine Waffen dann anderswo (etwas teurer) kaufen würde. Die nigerianischen leitenden Militärs seien bei ihren Operationen an der Weltmeinung gänzlich desinteressiert. Die Anerkennung Biafras durch Tansanien, Sambia, Gabun und die Elfenbeinküste sei unverantwortlich gewesen, da sie den Widerstand Biafrais nur sinnlos verlängere. Massiver Druck von Außen könne höchstens zum Sturz der gemäßigten Führer in der gegenwärtigen Militärregierung, wie des General Gowon selbst und Ersetzung durch radikale Elemente führen. Eine Einstellung der Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung sei deshalb vor Ende der Kampfhandlungen nicht zu erwarten, weil in diesem Bürgerkrieg jeder männliche Erwachsene ein potentieller Kombattant wäre…

Werden also die Menschenrechte mehr als ein Fetzen Papier bleiben?

Eine umfassendere Erörterung der rotchinesischen Infiltration im Norden und Nordosten Indiens würde viel Raum erfordern. Um nur einen Fall hervorzuheben, sei nur erwähnt, daß der Auf stand im Nagaland noch immer nicht beigelegt ist. Nach indischen Berichten werden Hunderte einheimischer Aufständischer laufend auf Schleichwegen nach China eingeschleust und nach vollendeter Ausbildung im Guerillakrieg wieder ins Nagaland zurückgebracht. Nach einem im Mai aus Kreisen führender Nagas herausgesickerten Bericht befinden sich derzeit 2000 solcher Nagas in Rotchina. Und soeben erhalten unsere indischen Gewährsmänner die Nachricht, daß in diesen Tagen mit aktiver Unterstützung Pekings eine „Naga-Exil- regierung" außerhalb Indiens gebildet wurde. Diese Entwicklung bereitet Delhi schwere Sorgen. Außerdem erfährt man, daß die Armee der Aufständischen nun immer mehr die Züge rotchinesischer Organisation und rotchinesischer Planungen annehme.

Das über die Entwicklung der Lage in Thailand und in den indischen Grenzprovinzen vorliegende Tatsachenmaterial bestätigt die Ansicht guter Asienkenner, daß sich für den Fall einer Beilegung des Vietnamkrieges die Eröffnung eines oder sogar mehr als eines anderen Kriegsschauplatzes in Asien abzeichnet. Sehr interessant sind auch in diesem Zusammenhang verschiedene Hinweise von Gewährsmännern auf gewisse Befürchtungen Pekinger Kreise, daß sich die Gegner Rotchinas ähnlicher Infiltrationsmetho- den im Norden und Nordwesten des chinesischen Reiches bedienen könnten. Seit einiger Zeit liegen auch mit diesen angeblichen Befürchtungen zusammenhängende Nachrichten vor, daß Rotchina bereits begonnen hat, in einigen seiner entlegenen nördlichen und nordwestlichen Gebiete die gesamte Bevölkerung grenznaher Zonen zu evakuieren und durch als verläßlich angesehene indoktrinierte junge und jüngere Chinesen aus östlichen Gebieten zu ersetzen. Eventuelle Versuche, durch die Entfesselung von Guerillakriegen im Norden und Nordwesten Chinas Peking mit seinen eigenen Wällen zü schlagen, würden nach Ansicht guter Asien-Kenner eine auf verläßlichen Informationen basierende bessere Einflußgewinnung auf religiöse, geistige und pseudo-geistige Strömungen in den Randgebieten des mao- tischen Reiches erfordern.

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