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Die Länder ohne Häfen

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Zagreb laut. So schrieb „Vjeswik“ vom 28. März:

„Wenn wir sie auch unter den gegebenen Bedingungen als gerechtfertigt akzeptieren, bedeutet dieser Beschluß über die Einfrierung der Preise und gewisse andere Maßnahmen objektiv einen Schritt zurück von den proklamierten Prinzipien, die unsere gesellschaftlich-ökonomischen Beziehungen charakterisieren sollen, besonders auf dem Gebiet

der Preise und der Verteilung, wo die Wirkung des Marktes und die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft die objektive Grundlage für die Vertretung des Systems der Selbstverwaltung sein sollen...“

Ein Hauptziel des Beschlusses über die „Einfrierung der Preise“ ist, daß damit auf indirekte Weise die Forderungen der Arbeiter nach höheren Löhnen verhindert werden.

Nicht jedoch alle Bürger Jugosla-

wiens haben Grund, verstimmt über ihre wirtschaftliche Lage zu sein. So zum Beispiel können sich die Offiziere der jugoslawischen Armee wieder einmal die Hände reiben, denn nach neuesten Nachrichten wurde ihr Monatseinkommen um 15 Prozent erhöht. So kreisen Witze darüber, daß sich in Jugoslawien alles „einfrieren“ läßt — außer dem Einkommen der Hüter und Verteidiger des kommunistischen Regimes.

Die UNO ist in ihrer bedeutenden Aufgabe, der Ausbildung völkerrechtlicher Grundsätze zur Förderung des friedlichen Verkehrs zwischen den Staaten, recht säumig. Es wird zwar reichlioh beraten und mit Ausgaben für Untersuchungen nicht gespart, aber bei den divergierenden Interessen der meisten Mitglieder, die nur auf ihren kurzsichtigen Sondervorteil, statt auf das allgemeine Wohl bedacht sind, sind die Beratungen recht langwierig, und von

ihrem Abschluß bis zur Durchführung ist erst noch ein weiter Weg.

Das hat sich kürzlich bei den Beratungen über die Rechte der Binnenländer und die Pflichten der Durchfuhrländer ausgiebig gezeigt. Der geographische Zufall sollte keinen Unterschied ausmachen. Österreich als typisches Binnenland hat an dieser Frage ein starkes Interesse, hat sich auch an den Beratungen rühmlich beteiligt, wird aber weniger durch deren Ergebnis als durch die Bereitwilligkeit seiner Durchfuhrländer gegen eine würgende Absperrung geschützt, weil sie sich eben um den Durchfuhrverkehr mehr bemühen als ihn sperren wollen. Es war nicht immer so, nur können sich nur noch wenige an die Lage gleich nach dem ersten Weltkrieg erinnern.

Wer glaubt, daß der Grundsatz: Schutz gegen direkte oder indirekte (durch finanzielle Belastungen) Ab-. Sperrungen durch Durohfuhrstaaten und das Interesse an ihrer Beseitigung auf der ganzen Erde gleich sei, irrt sich. Europa nimmt da eine Sonderstedkimg ein. Seine Binnen-staatem Österreich, Schweiz, Tschechoslowakei, Ungarn, (Luxemburg, Liechtenstein, Andorra, San Marino kommen durch die wirtschaftliche Verschmelzung mit ihren Nachbarn praktisch nicht in Betracht) können sich nicht beklagen. Ihre Durchfuhrstaaten haben sich nicht gewehrt, die in der folgenden Konvention niedergelegten Bedingungen anzunehmen. Sie wären auch für liberalere zu haben gewesen. Das wurde aber durch die Delegierten Asiens, wo ein offener, und Afrikas, wo ein verheimlichter Gegensatz zwischen Binnen- und Durchfuhrstaaten besteht, verhindert. In Südamerika sind die beiden Binnenstaaten Para-

guay und Bolivien in verschiedener Lage.

In Asien besteht ein latenter Kampf gegen die beiden Binnenstaaten Afghanistan und Nepal mit Sikkim, während der dritte, Laos, durch den permanenten Kriegszustand kein normales Bild darbietet. Es ist nicht zu übersehen, daß Pakistan auch nach der an der Oberfläche gelungenen Friedensaktion des Schah von Persien weiter seine Augen schweifen läßt, und das

gleiohe muß von dem hypokritischen Friedensstaat Indien bezüglich Nepal und Sikkim gesagt werden, die er sich am liebsten wie Haidarabad, Kaschmir, Goa, Pondichery einverleiben möchte. Es sei hier nicht In das dornige Problem Pushtunistans eingegangen, das Pakistan und Afghanistan ebenso entzweit wie einst Elsaß-Lothringen Deutschland und Frankreich und ähnlich wie Kaschmir Pakistan und Indien verfeindet hat.

Pakistan ist in der Kaschmirfrage gegenüber Indien im Recht und gegen Afghanistan im Unrecht. Die UNO ist aber weit entfernt davon, dem Schwächeren gegen den Stärkeren zu helfen. Im Gegenteil setzt sich immer mehr der Grundsatz durch: „Wo es einen Schwächeren gibt, immer auf Seiten des Stärkeren!“ Die kurzsichtige Haltung Pakistans hat Afghanistan in die Arme Sowjetrußlands getrieben, das ihm phantastische Konzessionen für den langen Landtransport macht und dadurch, nicht nur dadurch, einen unvergleichlich größeren Einfluß gewonnen hat als die USA mit ihren größeren und nützlicheren Aufwendungen. Das ist ebenso verhängnisvoll wie die Haltung Indiens in der Kaschmirfrage, durch die es Pakistan an die Seite Rotohinas getrieben hat. Wirtschaftspolitische Kurzsichtigkeit zeugt wie in so vielen anderen Fällen verhängnisvolle weltpolitische Folgen.

Bei den Beratungen, bei denen der ausgezeichnete und angesehene Vertreter Afghanistans eine führende, regelmäßig von den Vertretern Österreichs und der Schweiz unterstützte Rolle spielte, trachteten Indien und Pakistan durch Sonderanträge die Rechte der Binnenländer zu beschneiden.

einen neuen Krieg unerfüllbaren Wünsche unbefriedigt sind.

Die Konvention

Ohne in die oft schwerfällig verklausulierten Einzelheiten einzugehen, seien hier nur die Grundzüge der Konvention ausgeführt. Ein Binnenland hat unbedingtes Recht auf ungehinderte Durchfuhr von Gütern und Begleitpersonen, aber nicht anderen Reisenden (!), durch jedes angrenzende Durchfuhrland,

das selbst in Kriegszeiten nur aufs Notwendigste eingeschränkt werden darf, sowie Anspruch auf Freihafenzonen. Dieses Recht darf durch keine fiskalische oder administrative Maßregeln eingeschränkt oder belastet werden, der Durchfuhrstaat darf nur seine effektiven Kosten veranschlagen, einschließlich der normalen Transport-, Überwachungs- und

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Kontrollkosten, die der Durchfuhrverkehr verursacht. Die Durchfuhr darf nicht verzögert werden. Der Flugverkehr fällt nicht unter die Konvention, wohl aber der Flugtransport von Gütern durch ein Durchfuhrland. Ein Durchfuhrland kann selbst Binnenland sein, muß also nicht ans Meer grenzen, sondern nur auf dem Weg zum Meer liegen. Boykott von Gütern ist den Durchfuhrländern verboten, deren Ursprung darf keinen Unterschied ausmachen. Nur Einschränkungen auf Grund des öffentlichen Wohls oder der Sicherheit — oder was ein Staat darunter verstehen will — sind gestattet.

Trotz der bis ins Detail gehenden Ausarbeitung sind Widersprüche vorhanden. Ein Durchfuhrland, das sich dem der Satzung der UNO widersprechenden arabischen Boykott anschließen würde, dürfte nach Art. 2/1 Waren und nach Art. 2/3 Personen aus Israel die Durchfuhr nicht verweigern, nach Art. 5/1 dürfte es letzteres aber tun.

Kein Schiedsgericht?

Über einzelne Punkte konnte keine Einigung erzielt werden, wie

zum Beispiel über die Zusammensetzung eines Schiedsgerichtes, für die es doch schon wohlerprobte Vorbilder gibt. Diesen folgt der Schweizer Vorschlag, der im Falle der Nichteinigting über den Vorsitzenden dessen Bestellung mit Recht dem Präsidenten des Internationalen Gerichshofes statt dem Generalsekretär der UNO, der doch

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verschiedenen Einflüssen ausgesetzt ist, übertragen will. Sehr nützlich ist der österreichische Zusatz, daß die anerkannten Grundsätze des Völkerrechts zu beobachten sind, um einen Schutz gegen willkürliche Konstruktionen zu bieten, wie sie bei der UNO, wie zum Beispiel im Falle Stanleyville, häufig zu hören sind. Der afro-asiatische Entwurf läuft geradewegs auf eine Sabotierung des Schiedswesens hinaus: jeder Streitteil soll zwei Schiedsrichter bestellen, und ein Schiedespruch soll nur von mindestens drei Stimmen gefällt werden können. Ist das Naivität, Unerfahrenheit oder Absicht?

Das Zustandekommen selbst einer relativ so einfachen Konvention war eine Herkulesarbeit, an der der Schweizer Vorsitzende einen großen Anteil hatte. Jetzt beginnt die Sisyphusarbeit, die einzelnen Staaten, besonders Durchfuhrländer, zum Beitritt zu bewegen. Da wird es so viele Vorbehalte geben, die sich jeder Staat nach dem zurecht-schneidert, was seine jeweilige Regierung für notwendig hält, daß au dem einheitlichen Bild der Konvention ein verwirrendes Kaleidoskop

werden wird. Es wird noch lange dauern, bis alle Binnenländer kraft Rechtens frei atmen können. Sie werden bis dahin auf zweiseitige Verträge mit den Durchfuhrländern angewiesen sein, bei denen die Konvention allerdings als recht gutes Muster dienen kann. Auf diese Funktion als Muster wird ihr Wert für die nächste Zeit beschränkt sein.

Kampf hinter den Kulissen

Afrika hat durch die Zersplitterung seiner Kolonialreiche ohne Sinn für die Lebensfähigkeit der Teile ein volles Dutzend Binnenstaaten (Mali, Obervolta, Niger, Tschad, Zentralafrikanische Republik, Uganda, Burundi, Ruanda, Malawi, Südrhodesien, Zambia, Betschuanaland) und Quasibinnenländer (Länder, die zwar ein Küstenstück haben, dessen Teile aber den Verkehr durch ein Durchfuhrland brauchen), wie den Kongo im südlichen und östlichen Teil oder den Negerteil des Sudans, den der arabische Teil auch in dieser Hinsicht drosselt. Mit der Berufung auf die berühmte afrikanische Solidarität ist das Problem aber nicht zu lösen. Sie wurde zwar in den offenen Sitzungen immer wieder betont,

aber hinter den Kulissen spielte sich ein zäher Kampf zwischen den Durohfuhrländern und den Binnenländern wie zwischen Geber- und Nehmerländern ab.

In Amerika ist Paraguay durch den La Plata, einem internationalen Fluß, dessen Verkehr von den Nachbarländern nicht beeinträchtigt wird, gewissermaßen ein Quasiküstenland. Bolivien aber fühlt sich durch Chile beeinträchtigt, weil dieses seinen Wunsch nach Abtretung eines Küstenstriches nicht erfüllen will, den es vor dem verlorenen Krieg von 1878—1883 besaß. Alle Erleichterungen, die Chile auf der höchsten Verbindungsbahn zwischen zwei Ländern, von Arica nach La Paz, und im Hafen einräumt, genügen ihm nicht, solanige seine ohn

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