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Randbemerkungen zur woche

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DAS URTEIL ¡ST GEFALLT: Freispruch iür Dr. Peter Krauland! Ein Prozeß, der mit allen Anzeichen einer großen Staatsaktion begann und in eine wahre Sisyphusarbeit iür die Berufs- und Laienrichter, weitab von der lärmenden Oeifentlichkeit überging, ist zu Ende. Das Urteil spricht iür sich, es verlangt keinen Kommentar. Wohl aber erscheint es uns angebracht, da die Akten über eine ungewöhnliche Zeit, iür deren Fehler und Schwächen man einen einzelnen verantwortlich machen wollte, geschlossen werden, mit Bedauern zu bemerken, daß aus der Sachlichkeit der Prozeßlührung das Plädoyer des Staatsanwaltes herausfiel. Noch ein anderes Wort: Seitdem die Kontrollen an der Demarkationslinie weg- geiallen sind, gibt es keine bequeme Ausrede iür Zugverspätungen Die sinngemäße Lehre aus dem Krauland-Prozeß: Nach der staatlichen und wirtschaftlichen Konsolidierung darf es künitig keine ähnliche Atmosphäre des Ge- schäftlich-vielleicht-eben-noch-Möglichen, und gleichzeitig dienstlich Anfechtbaren mehr geben.

ZUM DIREKTOR DES BURGTHEATERS wurde der bisherige Oberspielleiter dieses Institutes, Proiessor Dr. Adolf Rott, zu seinem Stellvertreter Proiessor Dr. Friedrich Schrey- vogl ernannt. Verschiedene Gründe haben das Unterrichtsministerium und die Bundestheaterverwaltung veranlaßt, diese Entscheidung itüher zu treffen, als ursprünglich vorgesehen war. Der Kreis der in Betracht kommenden geeigneten Persönlichkeiten war größer als seinerzeit der für den Posten des Operndirektors, die Wahl schwerer. Zu jener eingeheh- den öffentlichen Diskussion, die vor etwa einem halben Jahr der Leiter der Bundestheaterverwaltung angekündigt und befürwortet hatte, ist es nicht gekommen, und der Name des neuernannten Direktors wurde erst vor kurzem in die Debatte geworfen. So haftet dieser Nominierung einerseits ein wenig der Charakter eines Fait accompli, anderseits der eines Provisoriums an, ein Eindruck, der auch durch die gegebene Doppeldirektion verstärkt wird. Aber nicht immer sind die kühnen und radikalen Lösungen die besten. So bleibt uns der Wunsch, daß die getroffene Entscheidung zum Wohle des Burgtheaters sein möge.

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ÜBER DIE FAMILIENFEINDLICHKEIT UNSERER STEUERGESETZGEBUNG ist schon viel gesprochen und geschrieben worden — leider stets vergeblich. Während einflußreichen und wohlorganisierten Berufsständen Begünstigungen und Ermäßigungen gewährt werden, deren triumphierende Aufzählung den Wirtschaftsteil der Tagespresse füllt, liest man niemals davon, daß eine „ Förderung’ der Familienerhalter .endlich“ erfüllt worden wäre. Zuletzt sah man bei der 7erlautbarung des neuen Einkommensteuergesetzes, eine wie geringe Rolle diese Bevölkerungsgruppe fn den. politischen Kombinationen und Wahlkalkulationen spielt. .Das Familienproblem kann nicht allein von der Steuerseite gelöst werden’, hörte man damals. Allein wohl nicht, das ist richtig, aber nicht einmal Ansätze dazu finden sich in Ge- setzestexl und Auslegungsverfügungen. Scheinbar werden mit solchen Fragen „amtficher- seits“ nur Hagestolze befaßt. Als neuestes Beispiel sei der Erfaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 21. April 1954, ZI. 22100—9 54, zitiert. Dort heißt es: „Die Beschallung einer mit Rücksicht auf die Zahl der Kinder notwendigen größeren Wohnung kann nicht gemäß § 33 EStG, (also als „außergewöhnliche Belastung“) berücksichtigt werden, dazu soll vielmehr die Festsetzung der Kinderermäßigung im Steuertarif dienen.“ Der kinderreiche Steuerpflichtige darf sonach die Kosten der Beschaffung einer mit Rücksicht auf seine Kinderzahl notwendigen größeren Wohnung nicht als Einkommensminderung geltend machen. Wie hoch ist nun diese steuerliche Kinderermäßigung, aus der neben allen anderen durch das Vorhandensein von Kindern verursachten Aufwendungen auch die Kosten für eine dadurch notwendige Vergrößerung der Wohnung gedeckt werden sollen? Sie beträgt bei einem Einkommen von 30.000 Schilling pro Kind 740 Schilling jährlich, bei einem Einkommen von 45.000 Schilling pro Kind 940 Schilling jährlich. Man vergleiche damit die massiven Begünstigungen und Ermäßigungen, die unter allen denkbaren Titeln die in Kammern organisierten Beruisgruppen „fordern" und erreichen und erfährt wieder daraus, daß Oesterreich ein Staat der .Kammern’ und der .Bünde’ ist und daß es scheinbar nur einen Weg gibt, den Rechten der Familienerhalter zur Anerkenmng zu verheilen: die Gründung einer .Kammer für Familienerfialter’. Oder sollte die Errichtung eines — nicht proportionalen — Familienministeriums mehr Erfolg versprechen

WAS WIRD ARNOLD TUN? Die Frage nach dem bedeutungsvollen Entschluß, den der Ministerpräsident von Nordrhein-West- faien zu fällen hat, beschäftigt lebhaft die politisch interessierten Kfeise Deutschlands. Ihre Beantwortung verdient aber auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinweg Aufmerksamkeit. Die Situation: Die jüngsten

Landtagswahlen haben zwar die führende Bolle der CDU in diesem größten und politisch vielleicht bedeutendsten Land Westdeutschlands (Ruhrgebiet!) bestätigt; allein die absolute Mehrheit von 109 Sitzen, die mit Hille des allzeit getreuen „Zentrums" gegeben war, ist dahin. Die beiden christlichen Parteien können nicht mehr allein regieren, die Koalition muß erweitert werden. Zwei Möglichkeiten stehen ollen. Die erste: Eine sogenannte „kleine

Koalition" nach Bonner Muster, das heißt, ein Arbeitsübereinkommen zwischen CDU — und Freien Demokraten, die allerdings in Nord- rhein-Westfalen sehr starke Schlagseite nach weit rechts haben und außerdem erbitterte Gegner der von Arnold in der Verfassung seines Landes verankerten Schule der freien Elternwahl sind. Die andere Möglichkeit heißt, ein Gespräch mit den Sozialisten anknüpfen, das zu einer „großen Koalition" lühren kann. Es ist ein oflenes Geheimnis in Deutschland, daß der alte christliche Gewerkschafter Arnold eher dem „linken" Weg zuneigt, während man sich in Bonn iür die andere Alternative ausspricht. Dieser Meinungsunterschied ist nicht neu. Er stand schon an der Wiege der Deutschen Bundesrepublik, als es fraglich war, ob Konrad Adenauer oder Karl Arnold deutscher Kanzler werden sollte. Adenauer kam und mit ihm die „kleine Koalition". Der deutsche Bundeskanzler hat sich in den Jahren seither unbestreitbar als ein Meister der Außenpolitik erwiesen, während die deutsche Innenpolitik — vielleicht zwangsläufig — dabei etwas zu kurz kam. Das hat das westdeutsche Staatsschiff schon manchen Klippen nahegebracht. Arnold aber ging nach Düsseldorf und führte als christlicher Ministerpräsident mit Geschick das Industrieland an der Ruhr und Wupper. Zugleich wurde er die stille Reserve jener Kreise in deutschen Katholizismus, die bei älldr Reverenz vor der Persönlichkeit des Kanzlers die deutsche Politik doch nicht gern auf zwei Augen aufgebaut sehen wollen. Ministerpräsident Arnold erlebt zur Zeit keine angenehmen Stunden. Der Druck aus Bonn wird massiv sein. Gibt er ihm nach, dann verliert er ohne Zweifel sein Gesicht gegenüber jenen Freunden, die seinen Namen nicht ohne Erwartungen nennen. Vielleicht kommen ihm die Nachrichten aus Neapel zu Hilfe, wo der soziale Flügel der Democristiani sich soeben auf dem Parteitag im Theatrn San Carlo in den Vordergrund geschoben hat. • "v:

DIE GROSSE ILLUSION? Churchill hat sich, nach seinen Besprechungen mit Eisenhower, bei diesem seinen wohl letzten Besuch in den USA, der amerikanischen Presse züt Diskussion gestellt. Die hartgesottensten amerikanischen Reporter wurden verblüllt durch die Geschmeidigkeit, mit der der alte Löwe sein Konzept hier, nach allen Seiten hin fechtend, verteidigte. Er glaube lest an eine iriediiche Koexistenz der beiden gegnerischen Hemisphären, sein Fingerspitzengefühl- sage ihm, daß das russische Volk sich nach Frieden und Wohlstand sehne und daß es klug wäre, durch kulturelle und durch Handeiskontakte mit diesem Volk in Fühlung zu bleiben. Aul dies Weise könnte vielleicht ein V iertei jahr Kunde ‘‘ des Friedens gesichert werden, in welcher Zeit sich die Lage wesentlich wandeln könne. - Dann ging Churchill im Blitzbesuch nach Kanada, betonte daselbst die enge Zusammenarbeit im Commonwealth und erklärte: „Dar, Schicksal Asiens wird in Europa entschieden." — Nie zuvor wohl hat Churchill in seiner eigenen Partei so viel Widerspruch gefunden wie in eben diesem Moment. Nicht nur junge Kräfte werfen ihm vor, zugunsten seiner Lieb- fingsholfnung — am Abend seines Lebens noch der große Vermittler, der redliche Makler zwischen Ost und West zu werden — d e Realpolitik und ihre harten Notwendigkeiten zu übersehen. — Allein die Zukunft — die von Churchill selbst so oft berufene Zeit — kann zeigen, oh der greise Staatsmann mit seinem Fingerspitzengefühl recht behält oder nicht. Seine unverdrossen durchgehaltene Position trägt freilich — wie so viele Dinge in der heutigen Welt — ein Janusgesicht. Offensichtlich stützen sich die Rotchinesen und ihre südostasiatischen Satelliten auf Englands entgegenkommende Asienpolitik. Ironisch, wenn man will, bös-offen hat das Tschu En Lai selbst Eden in Genf ins Gesicht gesagt: „Die Engländer werden schon sorgen, daß kein Großkrieg in Asien entsteht " Anderseits dürfte auch der eingefleischteste „Realpolitiker" nicht übersehen: die Schwierigkeiten, die England heute unleugbar den USA in Asien bereitet, können den Vereinigten Staaten und der ganzen freien Welt auch zugute kommen: wenn sie nämlich diese zwingen, ihre oft allzu einseitigen und kurzatmigen Pläne und Parolen immer wieder zu überprüfen und zu revidieren — bis sie wirklich hieb- und stichfest sind und einen Ansatzpunkt ergeben, von dem aus dem weiteren Vordringen des nationalistischen Kommunismus in Asien Einhalt geboten werden kann.

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