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Pakistanischer Schlüssel

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Schon jetzt, bald nach der Gipfelkonferenz von Simla, die von manchen als Auftakt zu wirklicher Versöhnung und Entspannung gefeiert wurde, überhäufen Indien und Pakistan einander mit Vorwürfen. In Simla wurden Selbstverständlichkeiten betont, aber die wichtigen Streitfragen ausgeklammert.

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Schon jetzt, bald nach der Gipfelkonferenz von Simla, die von manchen als Auftakt zu wirklicher Versöhnung und Entspannung gefeiert wurde, überhäufen Indien und Pakistan einander mit Vorwürfen. In Simla wurden Selbstverständlichkeiten betont, aber die wichtigen Streitfragen ausgeklammert.

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In wenig ins Gewicht fallenden Fragen hatte Frau Gandhi — Berichten meist zuverlässiger Gewährsmänner zufolge auf sowjetischen Rat — Entgegenkommen gezeigt, indem sie dem Rückzug der während des jüngsten indisch-pakistanischen Krieges in Kaschmir gebietsweise vorgedrungenen Truppen beider Länder zustimmte, obwohl der Flächenraum der dort von indischen Truppen eroberten Gebiete unvergleichlich größer ist als das Ausmaß der von pakistanischen Truppen eingenommenen. Diese Räumung sollte dreißig Tage nach der Ratifizierung des Abkommens von Simla beginnen. Ihre Durchführung obliegt den Militärbehörden, die sich aber über Einzelfragen nicht einigen können, so daß der effektive Rückzug bis heute nicht bewerkstelligt wurde, wofür sich die beiden Länder gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Auch die Freilassung der in indischen Lagern heute, zehn Monate nach Kriegsende, noch zurückgehaltenen 90.000 pakistanischen Kriegsgefangenen ist noch nicht erfolgt, da sie Indien von der vorhergehenden formellen Anerkennung des neuen Staates Bangla Desh durch Pakistan abhängig macht, was zu einer sich von Monat zu Monat steigernden Mißstimmung in Pakistan Anlaß gibt.

Trotz der Schwächung Pakistans durch den Ausgang des Krieges glauben manche Asienkenner, daß auf längere Sicht die Abtrennung des östlichen Landesteiles für Pakistan sogar von Vorteil sein könnte. Schon bei der Gründung des Staates hatte der bedeutende pakistanische

Politiker Chowdhury Mohammed Ali in einem Geheimbericht angeregt, man möge keine Mittel für die Entwicklung Ostpakistans „verschwenden“, da seine Abtrennung ohnehin unvermeidlich sein werde. Trotz der durch die Ereignisse in Ostpakistan entstandenen schweren Belastungen konnte der Zusammenbruch der pakistanischen Wirtschaft immer wieder vermieden werden, zum Teil durch die Erschließung bedeutender neuer Absatzgebiete in den Ländern am Persischen Golf, wo Pakistan als mohammedanisches Land auch bei den ungemein reichen Ölscheichs auf großes Verständnis und wirksame materielle Unterstützung rechnen kann. Erst kürzlich erhielt Rawalpindi aus den reichen Ländern am Persischen Golf nahezu eine Milliarde Dollar, die es erst in zwanzig Jahren, mit einem halben Prozent Zinsen, zurückzuzahlen braucht.

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Indien und den Vereinigten Staaten, die viele Jahre hindurch als bedeutendster Entwicklungshelfer des Landes Indien ungeheure Geldmittel zur Verfügung gestellt hatten, ist gerade jetzt besonders schwerwiegend, da Bangla Desh, der bevölkerungsmäßig achtgrößte Staat der Welt, mit einer zum Teil noch immer zerrütteten Wirtschaft vor allem von indischen Zuwendungen abhängig ist.

Die Verschärfung der Gegensätze zwischen Moskau und Peking führt auch zu erbitterten, großteils „hinter den Kulissen“ ausgetragenen Kämpfen der beiden kommunistischen Großmächte um zunehmenden Einfluß auf dem indischen Subkontinent. Vor allem braucht Peking Rawalpindi als Gegengewicht gegen den zunehmenden sowjetischen Einfluß in Indien, was in diesen Tagen auch durch das energische Veto Chinas gegen die Aufnahme Bangla Deshs in die UNO deutlich unterstrichen wurde. Ganz offen bezeichnet Peking die Abmachungen zwischen Neu-Delhi und Moskau als „aggressive Militärallianz“. Moskau, so heißt es, sei dabei, Indien und Bangla Desh „seinem Herrschaftsbereich einzuverleiben“. Indessen bemühen sich alle drei Weltmächte um eine weitere Verbesserung ihrer Beziehungen zu Rawalpindi und viele der besten Asienkenner bleiben nach wie vor bei ihrer Ansicht, daß trotz seiner Schwächung durch den verlorenen Krieg mit Indien, Pakistan eine der wichtigsten Schlüsselstellungen im gesamten asiatischen Geschehen beibehält.

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