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„Zartes Flüstern“
Bis vor kurzem waren die amerikanisch-indischen Beziehungen gespannter als je zuvor. Präsident Nixon hatte im indisch-pakistanischen Krieg Indien als Angreifer bezeichnet und dann nach heftigen Vorwürfen demokratischer Präsidentschaftskandidaten, er habe dadurch die Gel-tunig Amerikas in Indien verspielt, seine Haltung durch die Bekanntgabe bis dahin geheimgehaltener Tatsachen gerechtfertigt. So wurde bekannt, daß Nixon vor Ausbruch dieses Krieges die indische Botschaft in Washington dahingehend informiert hatte, daß er von Pakistan die Zusage eines genauen Zeitplanes für die friedliche Schaffung eines autonomen Ostpakistan erhalten habe, daß Kissinger diesbezüglich siebzehnmal und Außenminister Rogers achtzehnmal in der indischen Botschaft vergeblich verhandelt hätten und zwei von Nixon an Frau Gandhi gerichtete Botschaften nicht einmal beantwortet worden seien.
Indien reagierte auf diese Enthüllungen durch offene Parteiergreifung für Hanoi. In einer Ansprache erklärte Frau Gandhi, sie sei sicher, daß „der Heldenmut Nordvietnams über die Amerikaner siegen werde“.
Nach dem Abflauen der Begeisterung über den Ausgang des Krieges mit Pakistan setzt sich jetzt bei vielen Indern allmählich die Erkenntnis durch, daß militärische Siege leichter zu erringen sind als wirtschaftliche. Außerdem haben sie den Eindruck, daß der nach der Schaffung des Staates Bangladesch mit Moskau geschlossene Freundschaftsvertrag von verschiedenen Ländern, allen voran China, übelgenommen wird. So gewinnt der Wunsch nach
einer Ne>uprdnung. der- indischen Außenpolitik allmählich an Boden.
Der neue amerikanische Botschafter in Delhi, Daniel Patrick Moyni-han, steht der schwierigen Aufgabe gegenüber, auch von amerikanischer Seite die nunmehr vorhandenen Ansätze zu einer effektiven indischamerikanischen Annäherung zu fördern. Bei seiner kürzlichen Ankunft in Neu Delhi gab es noch Demonstrationen mit umhergetragenen Plakaten „Moynihan, reise zurück nach Amerika“. Aber Eingeweihte berichten, daß seit einiger Zeit höhere indische Regierungsbeamte jeden weiteren Schritt zur Verbesserung der amerikanisch-indischen Beziehungen begrüßen. Insbesondere im Außenministerium soll es nicht wenige Persönlichkeiten geben, die eine größere Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion wünschen. Auch fordert jetzt China energisch die Freilassung des fünfzehn Monate nach Beendigung der Kämpfe noch immer in indischen Kriegsgefangenenlagern zurückgehaltenen Drittels der pakistanischen Armee. Besonders unangenehm für Indien sind die diesbezüglichen Proteste in den USA, England, Holland, Iran, Nigeria, Thailand und vielen anderen Ländern. Viele Asiaten, in welchem Lager sie auch stehen mögen, beginnen Vergleiche zu ziehen zwischen den berechtigten Forderungen der Amerikaner nach Freilassung ihrer 550 Kriegsgefangenen aus Vietnam und vielen, wie es ein englischer Politiker formulierte, „nur zart geflüsterten“ Protesten westlicher Instanzen gegen die fortgesetzte Festhaltung von 90.000 pakistanischen Kriegsgefangenen in Indien unter ähnlich drückenden Umständen.
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