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Abwiegeln unter Druck
Der am 9. August Unterzeichnete sowjetisch-indische Freundschaftsvertrag wird sich zweifellos auf die Kontroverse zwischen Indien und Pakistan auswirken. Ohne Einmischung von außen würden Indien und Pakistan allmählich in einen Bruderkrieg hineintreiben, in dem beide die Verlierer wären — das ist seit Monaten klar. Jetzt geht es eigentlich nur darum, ob die am indischen Subkontinent interessierten Großmächte einen Krieg noch verhindern und den sieben Millionen pakistanischen Flüchtlingen noch eine gewisse Hilfe bringen können, oder ob die Gelegenheit dazu bereits verpaßt ist.
Feststeht: Die in letzter Zeit veröffentlichten offiziellen Begründungen für das Vorgehen der Truppen in Ostpakistan seit März werden die Lage nicht verbessern. Selbst wenn es zuträfe, daß die Awami-Liiga einen bewaffneten Aufstand plante, wären die Aktionen der Armee kaum zu rechtfertigen. Tatsächlich gelang es den Streitkräften nicht, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Und es wird auch kaum weiterhelfen, wenn Präsident Jahya Khan nur 88 von 167 frei gewählten Abgeordneten der Awami-Liga Ostpakistans erlaubt, ihre Sitze in der Nationalversammlung zu behalten. Den Führern der Awami-Liga (einschließlich Scheich Mujibur Rahmans) bleibt weiterhin jede Betätigung verboten. Der
Scheich steht darüber hinaus in einem nichtöffentlichen Verfahren vor Gericht.
Das alles läßt nur den Schluß zu, daß es zwischen Westmächten, Sowjetunion und China zu gewissen Vereinbarungen kommen muß, wenn der Frieden auf dem indischen Subkontinent erhalten bleiben soll.
Zum Glück spricht einiges für die Annahme, daß der Hauptvenbündete Pakistans, China, einen ebenso mäßigenden Einfluß auf Pakistan ausübt wie die Sowjetunion auf Indien. Der jetzt in Delhi Unterzeichnete indisch-sowjetische Freundschaftsvertrag gab dem sowjetischen Außenminister Gromyko die Möglichkeit, der Regierung Indira Gandhi klar- zumachen, wie wichtig es ist, zu verhindern, daß sich die ideologische Auseinandersetzung zwischen Sowjetunion und China zu einer Konfrontation dieser kommunistischen Großmächte auf indischem Boden ausweitet. Selbstverständlich sind England und die USA genau so wie Moskau und Peking daran interessiert, in diesem Teil Asiens eine Katastrophe zu vermeiden.
Aus Londoner Sicht kommt es jetzt darauf an, daß Indien seine Unterstützung für ein unabhängiges
Bangla-Desh etwas verringert und Pakistan seine Einstellung zu Scheich Mujibur Rahman und einer Wiederherstellung der Zivilregierung in Ostpakistan neu überdenkt. Beides ist nur möglich, wenn die Großmächte darauf bestehen. Es hat den Anschein, als hätte Indira Gandhi unter die seit 1947 traditionell blockfreie Politik Indiens, die von Pandit Nehru eingeleitet wurde, durch den sowjetisch-indischen Freundschaftsvertrag, der jedes Land verpflichtet, dem anderen bei eimem Angriff von dritter Seite Unterstützung zu gewähren, einen Schlußstrich gezogen. Frau Indira Gandhi bestreitet dies jedoch. Wesentlich wichtiger ist allerdings, daß der Vertrag einen pakistanischen Angriff auf Indien unwahrscheinlicher macht, es sei denn, die indische Regierung befolgt den Rat der Fanatiker im eigenen Land und dringt auf pakistanisches Gebiet vor, etwa um die sieben Millionen Flüchtlinge dort mit Gewalt wieder anzusiedeln.
Die Stellung Frau Gandhis wird durch den Freundschaftsvertrag mit Moskau offenkundig gestärkt. Gleichzeitig kann sie sich dadurch aber auch den indischen Fanatikern gegenüber besser behaupten. Sicher wäre es unangebracht, optimistisch zu sein. Aber allein die Tatsache, daß die Großmächte jetzt auf beiden Seiten des indisch-pakistanischen Konflikts stärker eingeschaltet sind, läßt hoffen, daß eine größere Auseinandersetzung vermieden wird.
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