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Die Kommunisten haben in Westeuropa eine Wahl verloren. Moskau hat in Asien eine Atombombe gewonnen.

Der Wahlausgang in Frankreich ist für Moskau im Moment kein schmerzender Verlust. Der Atomtest in Rajastan ist in Moskaus Nervenkrieg gegen China ein unermeßlicher Gewinn; freilich für später von ambivalentem Wert.

Aus Mahatma Gandhis Freiheitskampf des gewaltlosen Widerstandes geboren, hat Nehrus „sanfter Riese“ unter Indira Gandhi Zähne bekommen — atomare. Bloß zum Kauen, sagt Indira. Wofür immer: den Nachbarn erscheinen sie wie die gefletschten Zähne, durch die ein Landgigant seine sonst nachlassenden Kräfte kompensieren und sein Bündnis mit einer Großmacht zementieren will. Die Nachbarschaft reagiert auf das Kriegs- nicht auf das Kauwerkzeug.

Der Atomsperrvertrag, den Indien (fairerweise) nie unterschrieben hat, ist nach dem indischen A-Test auch keine Unterschrift mehr wert. Die Reaktionen der Nachbarn wird der Utopie von einer Beschränkung der Atomwaffen auf dib Großmächte das Ende bereiten. Pakistans Präsident Bhutto versprach, sein Land (nicht er) werde Gras fressen, um einem indischen einen pakistanischen A-Test folgen zu lassen. Die ölstaaten, mit modernem Kriegsgerät bis über das Groteske versehen, wissen nun, welchem Zweck die nächste Teuerung des Erdölpreises dienen könnte. Der Schah von Iran, zur Zeit mit Indien eng liiert, wird sicher den atomaren Glanz aus der Nachbarschaft überstrahlen wollen.

China, ständig in Angst vor einem sowjetischen Präventivschlag mit A-Waffen, fühlt sich in die atomare Zange genommen. Wenn jemandem, so gilt das Drohungsmoment im indischen A-Test, dem gemeinsamen sowjetisch-chinesischen Feind, dem Nachbarn China.

Der Versuch in Rajastan hat die sowjetisch-chinesische Gewichtsverteilung in Asien gründlich gestört und Peking eine zweite atomare Front gebracht. Die Antwort wird vielleicht noch lange auf sich warten lassen. Sie muß, soll das Gleichgewicht wieder hergestellt werden, ein Beben in Asien sein.

Indiens Atom-Kapazität dient Moskaus Plänen gegen China. Doch sie ist nicht Moskaus, sondern Indiens Werk. Dem Zuwenig an Devisen und Nahrung steht in Indien ein Zuviel an Intellekt und Wissenschaftlern gegenüber. Aus der Armee der Wissenschaftler hat zuerst der Stahlindustrielle Tata seinen Stab für A-Forschung geholt. Indira Gandhi perfektionierte Stab und Forschung. Auch wenn Moskau mitfinanzierte, ist Indien aus eigener Kraft Atommacht geworden. Nach der Zerschlagung der Hungerdemonstrationen und des Eisenbahnerstreiks zieht vom A-Test in Rajastan das in Delhi gewünschte Großmacht-gefüM über das ganze Land.

Doch mit dem Großmachtbewußtsein seiner Freunde hat die UdSSR auch schlechte Erfahrung gemacht. Indira ist eine eigenwillige Dame und Verbündefee. Vor allem; Indien ist noch immer eine Demokratie. Bündnisse und A-Kraft aber unterliegen politischen Schwankungen.

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