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Keine Erbfeindschaften mehr
Das indische Regime hat das Steuer der Nachbarschaftspolitik um 180 Grad herumgeschwenkt. Von der Erbfeindschaft zum politischen Ausgleich mit China und Pakistan. Die Normalisierung der Beziehungen mit China ist schon vollzogen. Ein indischer Botschafter ist für Peking designiert. Ein chinesischer Botschafter wird nach Delhi kommen. Pakistan werden Verhandlungen mit dem Ziel der Normalisierung angeboten — plötzlich ist alles Wonne und guter Wille. Für das Regime des Ausnahmezustandes und auf dem Wege zur „Größe der Nation“ waren aber die Erbfeindschaften sehr nutzbringend; sie rechtfertigten mit der Wachsamkeit gegen den äußeren, auch die Wachsamkeit gegen den inneren Feind und verliehen dem „gemeinsamen Marsch“ den patriotischen Rhythmus.
Das indische Regime hat das Steuer der Nachbarschaftspolitik um 180 Grad herumgeschwenkt. Von der Erbfeindschaft zum politischen Ausgleich mit China und Pakistan. Die Normalisierung der Beziehungen mit China ist schon vollzogen. Ein indischer Botschafter ist für Peking designiert. Ein chinesischer Botschafter wird nach Delhi kommen. Pakistan werden Verhandlungen mit dem Ziel der Normalisierung angeboten — plötzlich ist alles Wonne und guter Wille. Für das Regime des Ausnahmezustandes und auf dem Wege zur „Größe der Nation“ waren aber die Erbfeindschaften sehr nutzbringend; sie rechtfertigten mit der Wachsamkeit gegen den äußeren, auch die Wachsamkeit gegen den inneren Feind und verliehen dem „gemeinsamen Marsch“ den patriotischen Rhythmus.
Verzichtet man plötzlich auf die Segnung der vielen Feinde, so muß man alsbald Größeres, Wichtigeres planen. Delhi ist in diesen Monaten zu einem Zentrum für Gespräche der Staaten der Dritten Welt ur.d der Blocklosen geworden. Man weckt die Erinnerung an die führende Rolle des Nehru bei der Konferenz der afroasiatischen Staaten, 1956 in Bandung. Man strebt in Delhi offen nach der führenden Position unter den Blocklosen. Auf dem Weg zu diesem Ziel waren die Nachbarschaftsfeindschaften hinderlich, sind normale Beziehungen mit allen Nachbarn — „Asiaten si..d wir alle“ — die Voraussetzung.
1962 brach der afroasiatische Traum des Jawaharlal Nehru mit dem Einbruch der Chinesen über die umstrittene Himalayagrenze auf indisches Territorium zusammen. Die Chinesen kehrten bald um, behielten aber die eisige Steppe um Aksai Shin. Nach seiner unbestreitbaren Niederlage mußte Indien den Anspruch, eine Großmacht Asiens zu sein, aufgeben und China das Monopol der Großmachtposition überlassen. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten wurden auf ein Minimum reduziert. Botschafter wurden abgezogen, Charges residierten in halbverwaisten Botschaftsgebäuden wie in Leichenhäusern. China stand hinter Pakistan, dem Feind im BangladeshBefreiungskrieg von 1971. China wurde beschuldigt, hinter dem antiindischen Putsch des „undankbaren“ Bangladesh vom November des vergangenen Jahres gestanden zu sein. Die Tiefe der Erbfeindschaft wuchs mit der Chinaphobie Moskaus. Bis, mit der Ankündigung der neuen Normalisierungspolitik, sich eine Nachbarschaftseuphorie abzuzeichnen begann. So schnell geht es. Das ist der Vorteil des Regierens in gleichgeschalteten Staaten.
In den Hauptstädten Asiens fragt man sich: Bedeutet das nun ein indisches „Los von Moskau“, oder ist es eine neue Abstimmung mit Moskau? Am Tag, an dem Delhi den neuen Botschafter für Peking ernannte, meldete TASS den sowjetischen Wunsch an, daß die Beziehungen zwischen der UdSSR und China verbessert werden sollten. Kurz darauf feierte Moskau den einjährigen Geburtstag des indischen Weltraumsatelliten Aryabhatta mit Lobpreisungen für die indische Politik und die indischen Wissenschafter, und meldete das sowjetische Interesse am zweiten indischen Satelliten an, der im nächsten Jahr abgeschossen werden soll. „Kommunist“, das Organ der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, brachte eine Hoflaudatio des indischen Kommunistenführers Dange für Indira Gandhi, und Moskau weist jeden indischen Kommunisten zurecht, der Indien und den Ausnahmezustand nicht vorbehaltlos als Führer und Weg zum Sozialismus anerkennen will. Kein Zeichen des Mißtrauens, trotz neuer Chinapolitik und moderierter USA-Beziehungen.
Auch Indien hält sich streng an die Spielregeln der gemeinsamen Asienpoiitik. Ohne Widerspruch fügte sich Delhi dem sowjetischen Verbot, Moskaus Lieferungsverweigerung an Sadat durch Ersatzteillieferungen aus den indischen MIG-Li-zenzbetrieben nach Ägypten die Wirkung zu nehmen. Sieht es mit dem sowjetisch-indischen Handel nicht so blendend aus, so wird die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Sowjets in Indien sorgfältig gepflegt und wirkungsvoll propagiert. Der indischen Atomkommission wird nahegelegt, bei allen Kooperationen und Importen die sowjetisch-indische Zusammenarbeit zu beherzigen.
Was aber am wichtigsten erscheint: kommentarlos nimmt man es hin, daß die UdSSR lebens- und verteidigungswichtige Güter nach Pakistan exportiert. Dankbar nimmt man es auf, daß die UdSSR seit einiger Zeit zwischen Delhi und Rawalpindi zu vermitteln sucht.
So gibt es wenig, was auf Mißtrauen, viel, was auf Einmütigkeit schließen läßt. Für Moskaus Asienpolitik könnte eine Schlüsselposition Delhis unter den Blocklosen, für Moskaus Versuch, einen Modus vivendi mit Peking zu finden,müßte ein indischer Wegbereiter in Peking große Bedeutung haben.
Vom Westen kaum beachtet, ist Delhi eine Drehscheibe der Blocklo-senpolitik geworden. Die Gründergruppe fürchtet, das Schicksal der Gründer in der UNO erleiden zu müssen. Zugleich strömen aber aus allen politischen Richtungen neue Partner den Blocklosen zu. Jede scharf profilierte Interessengruppe hat magnetische Wirkung. Die Unterbindung einer Wachstumsatrophie und eine gesunde Kräftigung durch erwünschten Zuwachs will Delhi auf den gemeinsamen Nenner seiner Politik bringen. Mit dem jugoslawischen Vize-Außenminister Minie sprach man in Delhi über die Notwendigkeit der Begrenzung der Mitgliedschaft bei den Blocklosen-konferenzen auf die „wahrhaft Blocklosen“, die „Antiimperialisten“. Nach Angola sendet Indira Gandhi einen ihrer Getreuesten, den Pathunier Mohamoud Junus. Vor der Konferenz der Blocklosen im August, in Sri Lanka, reichen Regierungschefs, Außenminister, Armeechefs der Blocklosen einander die Türklinke zu Indiras Haus.
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