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Am 14. Juni sprach Breschnjew in Moskau über das Streben der Sowjets nach einem Abkommen zur Beendigung der unterirdischen Atombombentests. Das traf Washington unvorbereitet. Jahrelang waren alle Verhandlungen zur Beendigung unterirdischer A-Bomben-Tests an Moskaus Ablehnung jeglicher Art von lokaler Inspektion gescheitert. Bre-schnjews plötzliches Verlangen läßt Hoffnungen auf eine sowjetische Konzessionsbereitschaft zu.

Die Motivierung? Sicher Moskaus Wunsch, dem alles verzehrenden Atomrüstungswettlauf ein Ende zu setzen; dahinter aber die Angst vor einer Atomtestinfektion in Asien.

Denn: Indiens unterirdischer Atombombentest war für Moskau tatsächlich eine Überraschung. Diplomatische Kreise in New Delhi berichten über schwere Vorwürfe, die Moskaus Diplomaten in Indien wegen ihrer mangelhaften Informationen einstekken mußten. Und indische Politiker in Delhi berichten, daß Moskau sich seither zu Indien viel mißtrauischer, kühler verhält. Die Überraschung kann also nicht ausschließlich angenehm gewesen sein. Und die indische Regierung erwartete Reaktionen in der Sowjetdiplomatie.

Breschnjews Vorstoß, mit den USA ein internationales Verbot von unterirdischen Atomtests zu erwirken, wird von den auch gegenüber den Sowjets viel selbstbewußter gewordenen Indern als Angstreaktion der Sowjets vor einer Atomausbreitung in Asien gebucht.

Die indische Testexplosion unter dem rajastanischen Wüstensand hat Moskaus Asienstrategie in die Defensive geschreckt. Zwar offeriert der ausgezehrte Kandidat für die Aufnahme in den exklusiven Atomklub den Sowjets die Möglichkeiten einer Zangenstrategie des Atomschreckens gegen .China; doch, eine erfolgreich geheimgehaltene Atombombe ist auch beim Ausgezehrtesten ein Zeichen großen Selbständigkeitsdranges. Moskaus Betretenheit, unmittelbar nach dem Rajastani-Test, Moskau zwischen geschlossenen Lippen gepreßte Zustimmung in späteren Tagen, muten erstaunlich an. Und auch der Protest der moskautreuen Kommunistischen Partei Indiens gegen Indira Gandhis Atomtest erscheint nicht mehr als reine Demagogie, sondern als Ausdruck sowjetischen Unwillens.

Indiens Kommunistenführer Dange sprach von einer „Infektionsgefahr“. Darum nämlich geht es den Sowjets. Vom Infektionsherd Indien aus könnte sich das infektiöse Verlangen nach Atombomben weiter ausbreiten, als Moskau lieb ist. Und die in Asien operierenden Großmächte könnten in Versuchung kommen, da und dort ihren Einfluß durch Beitrag zur Stillung des neuen Bedürfnisses der Entwicklungsländer zu verbreitern. Nur ein Abkommen mit den USA kann verhindern, daß die UdSSR unruhige Atomstaaten als Nachbarn und Peking als Kristallisationsobjekt einer gefährlichen Nachbarschaft hat. Zündelt die UdSSR zwar an allen asiatischen Brandherden, muß sie doch, wie keine andere Großmacht, eine kontinentale Feuersbrunst fürchten.

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