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Indira und ihre Polizei

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Indien hat sich in den Subkontinent der autoritären Staaten harmonisch eingefügt; im Osten Scheik Mujiburs Bangladesh, im Westen Bhuttos chauvinistische Islamrepublik. Innenpolitisch haben sich Großbauerntum, Großbourgeoise und die Moskaukommunistische Partei hinter Indira gestellt, hinter ihre Politik der Disziplin und der starken Hand. Sie bevorzugt aber die Landbourgeoisie und die Großbourgeoisie, und sie zensuriert „ihre“ Kommunisten. Außenpolitisch wird sie von der Kritik des Westens fester in die Arme des Verbündeten gestoßen. So hält sie sich an ein altes Rezept; autoritärer Rechtskurs im Inneren, gegen Moskau abgesichert.

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Indien hat sich in den Subkontinent der autoritären Staaten harmonisch eingefügt; im Osten Scheik Mujiburs Bangladesh, im Westen Bhuttos chauvinistische Islamrepublik. Innenpolitisch haben sich Großbauerntum, Großbourgeoise und die Moskaukommunistische Partei hinter Indira gestellt, hinter ihre Politik der Disziplin und der starken Hand. Sie bevorzugt aber die Landbourgeoisie und die Großbourgeoisie, und sie zensuriert „ihre“ Kommunisten. Außenpolitisch wird sie von der Kritik des Westens fester in die Arme des Verbündeten gestoßen. So hält sie sich an ein altes Rezept; autoritärer Rechtskurs im Inneren, gegen Moskau abgesichert.

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Der Ausnahmezustand treibt ungestört seine Blüten. Eben sind die Präsidenten der Studentenschaft von Delhi in Schutzhaft genommen worden. Um die Mitte des Monats beginnt das neue Semester. Der

Ausnahmezustand wurde in der Zeit der Universitätsferien proklamiert. Wenn die Ferien vorbei sind, sollen die Universitäten schon gesäubert sein. Indiens unruhige Studentenschaft, der Kern jeder Opposition in Indiens Geschichte und Gegenwart, wird dann diszipliniert hinter der Landesmutter stehen und die Arbeitslosigkeit, die mehr als ein Drittel der Studenten nach dem Abschluß des Studiums erwartet, zu vergessen suchen.

Während es auf den Universitäten, bevor noch die Studenten eintreffen, von Kriminalpolizei wimmelt, geht überall in den Städten die Pantomime der Polizei nach der Choreographie der Indira Gandhi weiter. „Disziplin und Arbeit“ ist der Titel. Indira versucht aus dem Ausnahmezustand eine Ideologie zu machen, eine „Neue Ordnung“. Auf den Märkten werden die Läden wegen Nahrungsmittelspekulation gesperrt. Langschlafende Beamte der niederen Grade werden diszipliniert, Schwarzfahrer werden mit Hilfe eines Massenaufgebots von Bahnpolizei aus den Zügen geholt und bestraft, Jünglinge, die <.vegen ihres Mundwerks sich als „asoziale Elemente“ verdächtig machten und die ärmeren Schlucker aus der kriminellen Peripherie werden in schwer-ren Ketten abgeführt.

In den hohen Regionen bleibt alles beim Alten. In den Dörfern bleibt die Schuldleibeigenschaft und die Tyrannei des Großbauern, der überall auch der Vertrauensmann der Kongreßpartei ist.

Die linken Kreise des „Recht-und-Ordnungs“-Komplexes, die rechtskommunistische Partei und die Kreise des rechten Establisments, Industriehäuser und Handelskammern, wissen jetzt, warum sie Indiras Ausnahmezustand begrüßt haben. Produktion wurde Arbeitern und Gewerkschaften angeordnet, streiken wurde verboten. Deshalb fühlen sich die „rechten“ Kreise besser, schwärmen von Indiras fester Haltung gegenüber den Gewerkschaften und von der Arbeitsdisziplin unter dem Notstandsrecht, während es der kommunistischen Partei sowjetischer Richtung immer schwerer fällt, im Interesse des indisch-sowjetischen Bündnisses alle ihre Forderungen bloßen Hoffnungen zu opfern. Knapp nach dem Beginn des Ausnahmezustands blatte (Jig.^PI ein% Landbesetzungs-feampagne angesagt- Die >Tasse,d&#171;r Dorfarmen, ihrer oppositionellen Führer braubt, sollte nun unter der Führung der KPI in die nationale Front einschwenken. Indira war wieder, wie sie es immer ist, ganz Energie. Streiks und Landbesetzungen, wer immer dahinter stehen mag, werden mit den Mitteln, die der Ausnahmezustand zuläßt, bekämpft werden. So gibt es also keinen KPI-Streik, keine KPI-Land-besetzung; nur Indiras Ausnahmezustand mit KPI- und Unternehmerunterstützung.

Das Ärgste passierte aber nach der Konferenz des Zentralkomitees der KPI in Kerala. Die Resolution der Treuesten der Indira, der vorbehaltlosen Unterstützer des Ausnahmezustandes, wurde zensuriert, wichtige

Sätze fielen dem Zensor zum Opfer: Aufforderungen zur Wachsamkeit, zu gemeinsamen Kundgebungen mit den „demokratischen Kräften“, dann eine Forderung nach demokratischen Rechten für die „Verteidiger der Demokratie“; gedacht als Aktionsfreiheit für die Rechtskommunisten.

So bewunderungswürdig wie Indiras Vorbereitung und Proklamation des Ausnahmezustandes waren, ist ihr unbeirrbarer Kurs: Wenn sie Durchschlagskraft braucht, dann mobilisiert sie noch stärker die Staatsbürokratie, den Kongreßapparat; wenn sie Hilfe braucht, kann sie sich auf die stockreaktionäre Großbourgeoisie verlassen. Ideologische Ergebenheit wird gratis und vorbehaltlos von den Rechtskommunisten beigestellt. Alles erscheint gesichert; nur im Süden beginnt sich der Separatismus der Tamilen zu rühren.

Was die KPI innenpolitisch an Boden verliert, das gewinnt Moskau auf dem außenpolitischen Terrain. Indira dachte, als sie den Ausnahmezustand ausrief, an größere Ellbogenfreiheit im Zusammenspiel mit dem sowjetischen Bündnispartner. Der Frau, die sicher nichts so sehr liebt wie ihre Unabhängigkeit, war schon oft die Bündnismonogamie mit den Sowjets zu viel, und ihre Neue Ordnung sollte ihr die Möglichkeit neuer Züge in der Außenpolitik geben; Sie wollte nicht das sowjetisch-indische Bündnis gefährden, sie wollte nur ihre Rolle in dem Bündnis durch Gespräche mit den USA bunter, anspruchsvoller, profitabler gestalten.

Sie hat wahrscheinlich nicht mit der Reaktion des demokratischen Westens auf ihren Ausnahmezustand gerechnet. Diese wa> nän#i#h nach lange&#187;- Zeit .pinmal wieder &#171;.-indeutig und klar auf die Verteidigung der Demokratie ausgerichtet, selbst wenn es um die Demokratie in Indien schon geschehen war. Indira fühlt sich persönlich beleidigt, mißverstanden. Sie will ja als Demokratin erscheinen und sie ist sicherlich keine vulgäre Stiefelträgerin und Peitschenschwingerin. Sie löste nur auf ihre Art den Knoten der indischen Politik.

Die Sowjets haben für sie und für ihren Ausnahmezustand nur Lob und Preis. Je weiter Indien innenpolitisch von allem, was indischer Sozialismus war, abrückt, desto stärker locken und werben die Sowjets. Und stärker als je zuvor verbindet Dehli mit Moskau wieder der gemeinsame Feind: Peking.

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