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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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IN DEN WÄLDERN ÖSTERREICHS WÜTET DIE AXT, und es ist schon oft festgestellt worden, daß wir ernste Gefahr laufen, uns in einem halben Menschenalter in ein Holzimportland zu verwandeln. Nimmt man dazu die eminenten Gefahren der Boden- und Klimaverschlechterung, so ist der Raubbau am „grünen Gold“ eines der bedenklichsten Probleme unserer Gegenwart. In Italien, das in früheren Jahrhunderten weithin entwaldet wurde, ist man von der Klage zur Tat übergegangen und hat letzterer einen feierlichen und öffentlichen Rahmen gegeben. Jedes Jahr zu Beginn des Monats November ziehen die Schulkinder zum „Baumfest" aufs Land und in die Wälder. Unter Aufsicht des Lehrers pflanzt dort, jeder Schüler, jede Schülerin einen Strauch oder einen Baum. Minister Fanfani, der dieses alte Fest wieder aufleben ließ, hat noch ein zweites geschaffen: das „Gebirgsfest“. Dieses wurde im heurigen Sommer zuerst in jeder Provinz und dann am 13. Juli in einem nationalen Rahmen an drei eindrucksvollen Orten des Landes gefeiert: am Monte Alverna, einem Zentrum franziskanischer Geistigkeit, bei Asiago, wo im ersten Weltkrieg erbitterte Kämpfe tobten, und in jenem Dorfe Camigliatello, in dem im Jahre 1949 die Landwirtschaftsreform angekündigt wurde. Umrahmt von volkskundlichen Darbietungen wurden an diesem Tage die Werke eröffnet, die zum Besten der Gebirgsbevölkerung erstellt wurden: Schulen und Straßen, Wasser- und Elektrizitätsversorgungen, Baumschulen, Unterkünfte für das Forstpersonal, Bergsiedlungen und ähnliche Ameliorationen. Es ist errechnet worden, daß die jetzige italienische Regierung jährlich zur tätigen Verbesserung der Lage der Bergbevölkerung eine Summe ausgibt, die 62mal so groß ist als jene, welche der faschistische Staat im Jahr an die gleiche Aufgabe wandte, und 280mal so groß wie die Summe, die alle vorfaschistischen Regierungen des Landes von 1870 bis 1922 demselben Zweck zuführten. Verbesserung der Arbeite- und Lebensbedingungen, vor allem der Wohnverhältnisse, sind nun einmal das wichtigste erfolgversprechende Mittel zur Eindämmung der Landflucht. Der Worte sind hierzulande bereits genug gewechselt worden

EINER DER DREI „NICHTKOMMUNISTEN“ in der jingarischen Regierung ist Unterrichtsminister Josef D a r v a s. Er gehört jener Gruppe von Literaten an, die einst für eine radikale Bodenreform und für eine volksnahe Kunst und Literatur eintraten. Sie waren, einer Tradition in der ungarischen Literatur seit Andreas Ady folgend, stark frankophil eingestellt, und dies bewahrte sie auch vor einem Abgleiten in das nationalsozialistische Lager. Bis da also alles in Ordnung. Erst später zeigte es sich, daß mit ihrem politischen Orientierungsvermögen doch nicht alles zum besten stand: als sie nach 1945 mit wehender Fahne in das Lager des Linksblocks zogen. Auf der Fahne stand: Nationale Bauernpartei — doch sie waren lediglich unter sich, und das nicht sehr lange. Nach der großen Verteilung des Bodens und der Ministersessel begannen nämlich die Winde auf einmal in die entgegengesetzte Richtung zu wehen. Heute hilft Herr Darvas als vorletzter Mohikaner (der letzte wird wohl sein Parteikollege Landwirtschaftsminister Erdei sein) bei der Kol- chosierung des ungarischen Erziehungswesens eifrig mit. Um den wahrhaft „humanen“, „volksnahen" Geist dieser seiner neuen Pädagogik richtig kennenzulernen, entnehmen wir aus einer Rede, die er in der vergangenen Woche vor den Leitern der Schulbehörde über die Aufgaben des nächsten Schuljahres gehalten hat, die folgenden Zitate: „Es muß erreicht werden, daß unsere erzieherische Arbeit in unserer Jugend den wahren Patriotismus, ein tapferes Standhalten, das Bewußtsein des Proletarierinternationalismus, einen unversöhnlichen Haß dem Feind gegenüber zur Entfaltung bringe.,. Durch die parteiische Vorzeigung der Zerstörungsarbeit des Feindes, durch das Aufzeigen des bestialischen Gesichtes der Imperialisten, durch die offene Enthüllung der wissenschaftsfeindlichen, volksfeindlichen Betätigung der Rechtssozialisten und der klerikalen Reaktion erziehen wir die Jugend zum Haß dem Feind gegenüber. Der Direktor und die Klassenvorstände müssen, sich auf die Jugendorganisationen stützend, mit harter Konsequenz gegen die in den Schulen auftretenden kosmopolitischen, nationalistischen, zynischen und disziplinlosen Erscheinungen vorgehen. Der Geist eines kämpferischen Patriotismus muß herausgebildet werden Fördern wir in unserer Jugend den Geist des Honvėd- (Landwehr-) Patriotismus. Wichtige Aufgabe wird im nächsten Schuljahr die Stärkung der moralischen, politischen Erziehung sein Der Kampf gegen die Borgeoisüberreste in den Lehrkörpern muß gesteigert werden Man kann nicht umhin, der ungarischen Jugend den

noch solche „Bourgeoisüberreste" und diese „kosmopolitischen, 'nationalistischen Erscheinungen“ unter ihren Zöglingen zu wünschen — alles nach der „volksnahen“ Terminologie des Herrn Unterrichtsministers.

BIS ZUM ENDE DIESES JAHRES hat die Sowjetunion, gemäß der vertraglichen Abmachung mit dem neuen China, die mandschurische Eisenbahn, Dalny und Port Arthur zu räumen. Allerdings — die Räteunion ist berechtigt, den Kriegshafen Port Arthur gemeinsam mit China weiterzubenützen, falls einer der beiden Vertragspartner von Japan oder von einer mit Japan verbündeten Macht angegriffen werden sollte. Diese Benützung schließt aber praktisch jene der mandschurischen Eisenbahn als einziger Nachschublinie in sich. Eine vorausschauende — und dehnbare Klausel! Welche Auslegungsmöglichkeiten eröffnen sich da der sowjetischen Diplomatie angesichts der verworrenen Lage im Fernen Osten! Nicht umsonst vielleicht verbreiten sowjetische Zeitungen die Nachricht, die USA wollten von Korea aus Rotchina angreifen. Und Japan steht in diplomatischen Beziehungen zur chinesischen Nationalregierung, die schon oftmals erklärt hat, sie wolle von Formosa aus Rotchina angreifen. Andererseits bedarf Mao-Tse-tung der wirtschaftlichen Hilfe Moskaus, das freilich die ungeheuren Importbedürfnisse, welche die forcierte Industrialisierung und die Kriegsaufwendungen des chinesischen 450-Millio- nen-Reiches nach sich ziehen, nicht befriedigen kann. Angesichts der tatsächlichen Erfordernisse sind die 300 Millionen Dollar Warenlieferungen, die Sowjetrußland zugesagt hat, ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie groß, wie selbständig darf schließlich nach der sowjetischen Planung Rotchina werden dürfen? Gab es wirklich einen Zeitpunkt, da ein radikales Abschwenken des Westens von Tschang-Kai-Schek zu Mao- Tse-tung zwischen Hoangho und Yangtse- kiang ein wohl sozialistisches, aber nicht linientreues Zwischenreich hätte entstehen lassen können? Der Krieg in Korea wirft das kommunistische China in seinem wirtschaftlichen Aufbau weit zurück — welchen Preis wird es bereit sein, für eine entschiedene und wirksame Hilfeleistung zu bezahlen, und was wird man in Moskau geneigt sein, ihm für diesen Preis zu bieten? Alle diese Fragen sind offen, und die Welt ist. gespannt, pbi ęię bt®? den Moskauer Beratungen Tschu-En-Lais eine klare Antwort finden werden.

ZUR POLITISCHEN LAGE IN CHILE erfährt die „Furche" aus einem Leserbrief: „In ganz Chile wird zur Zeit große Propaganda für die Präsidentschaftswahlen im Anfang September getrieben. Die Kandidaten sind; Arturo Matte, liberal; Carlos Ibanez, Agrarier, der sich praktisch unabhängig gemacht hat; Pedro Alfonso hyperradikaler Verteidiger des Divorcio und der Laienschulen: endlich ein gewisser Allende, er genießt die Gunst der Kommunisten, hat aber keine Aussicht. Durch den Rundfunk wurden Meldungen verbreitet, der Kardinal von Santiago habe erklärt, die drei erstgenannten bieten volle Garantie für die katholische Kirche, Der Kardinal dementierte Gerüchte mit den Worten: .Die Kirche mische sich nicht in die Politik.' Für den Augenblick scheint es,1 daß keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erhalten wird. In diesem Falle hängt die Entscheidung von der Camera ab. In dieser kam es vor kurzem bei der Unterzeichnung des chilenisch-nordamerikanischen Militärpakts, der bei der äußerst ausgedehnten chilenischen Küste eine Sicherung für Chile enthält, zu vulkanischen Ausbrüchen. Am aufgeregtesten gebärdeten sich die Kommunisten und Ibanisten. Einer der Deputierten wurde vom Herzschlag getroffen. Beim Leichenbegängnis, als die Regierung, Senatoren und Deputierte und auch das diplomatische Korps das Trauergeleite zur Kirche gaben, scheuten sich die Kommunisten nicht, die Majestät des Todes durch Schmährufe, ja sogar Tätlichkeiten zu entweihen. Bei der Unkenntnis der diplomatischen Persönlichkeiten geschah es, daß besonders der englische und österreichische Gesandte geschmäht wurden. Letzterer wahrscheinlich in Verwechslung von Austria und Australia, das viele Chilenen nicht unterscheiden können. Politische Morde häufen sich in der letzten Zeit im Lande. Vieles hängt mit der schlechten Wirtschaftslage Chiles zusammen. Die Regierung weiß keinen Ausweg. Unser Geld ist keinen Pfifferling wert. Schon muß man 130 Pesos für einen Dollar geben.“ Dem schmerzlichen Ausruf am Schluß des Schreibens „Chile, wo bleibt der .futuro esplen- dor', von dem dein Nationalhymnus singt?“ ist wohl nichts hinzuzufügen

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