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Der Verbotsstil

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Das Regime der Indira Gandhi legt Wert auf Legitimität. Welches autoritäre Regime der Vergangenheit tat das nicht? Die Monsuntagung des Parlaments fand fristgerecht statt. Doch das Parlament tagte in Quarantäne. Ein dichter Isolierungsring war gelegt worden. Zensur und Strafandrohungen sicherten Indira und den Ihren das Monopol auf Publizität, verbot die Weitergabe auch nur eines einzigen Wortes eines Oppositionellen. Im Plenarsaal agierte, protestierte die Opposition — minus die Verhafteten — wie in einem schalldichten Raum: letzte Lebensreflexe vor dem Ende.

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Das Regime der Indira Gandhi legt Wert auf Legitimität. Welches autoritäre Regime der Vergangenheit tat das nicht? Die Monsuntagung des Parlaments fand fristgerecht statt. Doch das Parlament tagte in Quarantäne. Ein dichter Isolierungsring war gelegt worden. Zensur und Strafandrohungen sicherten Indira und den Ihren das Monopol auf Publizität, verbot die Weitergabe auch nur eines einzigen Wortes eines Oppositionellen. Im Plenarsaal agierte, protestierte die Opposition — minus die Verhafteten — wie in einem schalldichten Raum: letzte Lebensreflexe vor dem Ende.

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Die Vorbereitung der Tagung bewies, daß jede Diktatur einer Eigendynamik unterliegt. Die landesmütterliche Sprache der Indira verliert sich bereits unter den Akzenten des Verbotsstils. Die Verhaftungen griffen stärker nach links über. Schon ist es soweit. Der Ausnahmezustand schützt heute zusammen mit Indira auch deren Schergen. In der Presse gibt es eine neoportugiesische Facette. Die kommunistische Gewerkschaft droht mit Zwaragskor-rekturen im Falle mangelhafter .Journalistensolidarität mit der Ministerpräsidentin. Was gilbt es da noch zu korrigieren? Nicht nur die Zwangsisolierung, auch ein Ödland der perfekt gleichgeschalteten Presse umgibt dieses unglückselige Parlament.

Als das Parlament in der letzten Juliwoche tagte, wurde es zur tragischen Szene. Die Oppositionellen sangen mit dem Aufwand der letzten Minuten eines Opernfinales den Schwanenigesang des demokratischen Parlamentarismus. Abgeordneter Mohendaria, ein Jungtürke aus Indiras eigener Kongreßpartei und Kabinettminister, bis er mit Indira in Konflikt geriet, hatte sich durch eiliges Untertauchen der Verhaftung entzogen und tauchte plötzlich im Parlament wieder auf. Er sprach aus, was jeder wußte: Dieses Parlament ist tot. Die Macht ist dem Parlament geraubt. Die Exekutive ist der Usurpator.

Was Nehrus Tochter getan hat, hat Nehru sogar in den Unruhen und Massakern nach der Teilung des Kontinents und selbst nach der Ermordung des Mahatma abgelehnt. Indira Gandhis Indien ist nicht mehr das Indien Nehrus und schon gar nicht des Mahatma. Dann sprach Gopalan, ein Linkskommunist aus Kerala, und schilderte die Absicht des Indirakongresses und der Moskaukommunisten, alle, die unliebsam aufgefallen sind, zu isolieren, zu terrorisieren und tausende verschwinden zu lassen. Unter dem Vorwand, den Faschismus zu bekämpfen, hat man den Faschismus nach Indien gebracht.

Diese Redner der Opposition waren schon aller Macht entkleidet. Jeder Polizeikommissar kann sie disziplinieren. Doch dann sprach der Tamilehabgeordnete Ezechivan. Der hat die Macht seiner Partei hinter sich; und dies ist im Bundesstaat Tamil-Nadu die Regierungspartei. „Dieser Ausnahmezustand verteidigt nur die Macht einer Person. Soll das unsere gemeinsame

Zukunft sein?“ Er betonte das Wort „gemeinsam“.

Auch Indiras Regierung hatte ihre Zeit, doch die war blaß; alles war sichtlich vorexerziert. In klassischem Hofstil mußte Indiras unterlegener Parteirivale, der Uniberühr-bare und Landwirtschaftsminister Jagjivan Ram, ein unförmiger Fleischkoloß, den Antrag vortragen, der Indiras Sieg bestätigte.

Am aweiten Tag sprach sie selbst. Erst als sie sprach, herrschte im Parlament die Resignation einer Trauerigemeinde. So flach, so einfallslos, so desinteressiert war sie noch nie igewesen. Ihr Wirtschafts-programim war die Zusammenfassung aller Programme aller verflossenen Kongreßregierungen, nur jedes Sozialismus entkleidet, doch auch ohne die Markierung des Kapitalismus. Kein Wort verlor sie über das Kardinalsprofolem, wie dringend irgendwelche Gesetze durch den Millionenapparat von Kongreßparasiten und Bürokraten hindurch jemals bis in die 600.000 Dörfer dringen könnten.

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