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INDIRA GANDHI / TOCHTER IM AMT DĖS VATERS

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Zwei österreichische Tageszeitungen richteten dieser Tage eine Umfrage an ihre Leser: Ob ein weiblicher Regierungschef akzeptabel sei? Das Ergebnis — das die beiden Blätter unabhängig voneinander erreicht hatten — war bemerkenswert. Es zeigte sich nämlich, daß der Österreicher sich offenbar schon soweit mit der weiblichen Emanzipation abgefunden hat, daß ihm auch eine Frau am politischen Ruder eines 70-Millionen-Volkes nichts Ungewöhnliches mehr ist.

Diese Frau ist Indira Gandhi, neuer Ministerpräsident Indiens, Nachfolgerin Shastris, Tochter Pandit Nehrus, nicht verwandt hingegen mit Mahatma Gandhi, seit zwei Jahren Informationsminister, seit 1946 jedoch engstt Vertraute ihres Vaters.

Geboren am 19. November 1917, sah das Kind immer wieder Großvater, Vater und Mutter in die Gefängnisse der Kolonialmacht wandern, und als es — zehnjährig — aus eben diesen Gründen wieder einmal ein temporäres Waisenkind war, kümmerte sich der damalige Parteivorsitzende aus Allahabad um das Mädchen. Der freundliche Mann hieß Lai Bahadur Shastri.

Die junge Tochter aus reichem Haus erhielt eine sorgfältige indisch-europäische Erziehung: Jahre in den Sanskritschulen wechselten mit Pensionatsjahren in der Schweiz. Eine durch und durch britische Erziehung, wie er sie genossen hatte, hielt Pandit Nehru für überflüssig.

Die Ehe mit dem Politiker Feroze Gandhi blieb kurz: Der brillante Parlamentarier starb bereits 1960, die beiden Söhne studieren heute in England.

1955 kam Indira Gandhi erstmals unmittelbar mit der Politik in Kontakt, als sie in den Parteivorstand der Kongreßpartei gewählt wurde, vier Jahre später wurde sie auf zwei Jahre Präsidentin der Partei, in einer Zeit, als eine äußerliche Bedrohung des Landes durchaus möglich schien: Die Tibetkrise warf ihre drohenden Schatten auf Indien, im Bundesstaat Kerala regierte eine kommunistische Mehrheit.

In früheren Jahren hat sie es zugelassen, allzusehr mit Krishna Menon identifiziert zu werden, was um so erstaunlicher ist, als sie privat über ihn mit äußerster Kühle spricht und selbst die immer vermutete Freundschaft zwischen ihrem Vater und Menon als einen Mythos abtut.

Natürlich markiert ihre Wahl, und das macht ihre Bedeutung aus, eine neue Betonung der Ideale Nehrus. Indira hat mehr als andere geglaubt, daß in der Ära nach Nehru diese Ideale vernach lässigt worden seien: „Die Vision hat Indien verlassen”, hat sie schon mehr als einmal gesagt. Sie sah das Indien Shastris als ein ehrbares, aber eben doch konservatives, wenn nicht gar restauratives Indien, und natürlich konnte sich ein vergleichsweiser Feuerkopf wie sie mit der naheliegenden Antwort „so ist Indien eben” nicht zufrieden geben. Kurz vor dem Tode ihres Vaters hatte man für kurze Zeit den Plan, sie zum Außenminister zu machen, eine Idee, die nicht nur im indischen Außenministerium, sondern auch in den westlichen Kanzleien mit wenig Begeisterung aufgenommen wurde. Indira hat die China- Irrtümer ihres Vaters geteilt: aber wer tat das in Indien nicht? Bis jetzt weiß man nicht, ob sie den letzten großen Anlauf ihres Vaters zur Versöhnung mit Pakistan fortsetzen wird. Daß Indira in der Außenpolitik „linker” wäre als Shastri, hat man immer vermutet; sie hat sogar das Kunststück fertiggebracht, Kennedy bei dem Besuch der Nehrus in Washington im Jahre 1961 zu vergrämen.

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