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LAL BAHADUR SHASTRI / DER NACHFOLGER

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„Unser Ziel ist der Sozialismus. Wir haben unsere Politik bereits ausführlich dargelegt. Jetzt gilt es, sie so rasch als möglich in die Tat umzusetzen. Unsere größten Feinde sind die Armut und die Arbeitslosigkeit.“ Unter dem Applaus der Abgeordneten der indischen Kongreßpartei stellte dies der Nachfolger Nehrus, L a l B ahadur Sha stri, unmittelbar nach seiner Wahl zum Ober-

haupt der Partei und damit zum indischen Ministerpräsidenten fest.

Die Wahl des heute 59jährigen Shastri bedeutet eine gewisse Überraschung, rechneten doch Beobachter und Kenner der verschlungenen indischen Innenpolitik eher mit der Amtsübernahme des nach Nehrus Tod geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nanda. Dieser jedoch und der zweite mögliche Gegner Shastris im Kampf um den Sessel des Ministerpräsidenten, der extrem rechtsstehende Desai, brachten den schließlich entscheidenden Wahlvorschlag ein: Einstimmige Wahl durch Akklamation für Shastri. Nicht wenig freilich zu dieser Lösung der Frage nach dem Nachfolger für „Indiens Kaiser Josef“ — Friedrich Heer in „Die Furche“ Nr. 23/1964 — trug der Präsident der Kongreßpartei, Kamaradsch, bei. In langwierigen, zähen Verhandlungen war es doch ihm gelungen, die Mehrheit der Partei für Shastri zu gewinnen.

Nicht ohne Erleichterung nahm man in den Hauptstädten des Westens Nehrus Nachfolger zur Kenntnis, gilt er doch — anders

als Krishna Menon — als überzeugter Antikommunist.

„Ich war arm wie eine Tempelratte“, soll Shastri über seine Jugendjahre gesagt haben. Am 2. Oktober 1904 in einem Dorf in der Nähe von Benares als Lehrerssohn geboren, war ihm der Besuch höherer Schulen nur unter größten Entbehrungen möglich. Bereits 1921 schloß er sich Ghandi an und erwarb schließlich an der Universität Benares den Grad eines „Shastri“. Aus dem akademischen Grad wurde später — gegen seinen Willen — sein Hauptname.

Als Gandhi am 12. März 1930 zu einer Ungehorsamkeitskampagne gegen die Briten aufrief, machte Shastri mit den Gefängnissen der Kolonialmacht Bekanntschaft. Von 1935 bis 1938 wirkte er als Generalsekretär des Kongreßkomitees von Uttar Pradesh. 1937 wurde er in die gesetzgebende Körperschaft dieses Staates gewählt. 1946 wiedergewählt, wurde er gleichzeitig Sekretär des Ministerpräsidenten, ein Jahr später Innen- und Verkehrsminister von Uttar Pradesh. Nach vierjähriger Amtszeit trat er von seinem Posten zurück und übernahm die

Stelle eines Generalsekretärs der indischen Kongreßpartei.

Im Mai 1952 wurde Shastri Unionsminister für Eisenbahnen und Transport, nachdem er in den Wahlen dieses Jahres vom Wahlkreis Allahabad ins Parlament nach New Delhi entsandt worden war. Er behielt sein Amt als Verkehrsminister, bis er im März 1958 zum Handels- und Industrieminister ernannt wurde. Im April 1961 wurde er Innenminister. Im August 1983 entließ Nehru sechs Kabinettsmitglieder, darunter auch Shastri; er und seine Kollegen sollten sich ganz dem Aufbau der Partei widmen.

Erst die gesundheitliche Krise des Ministerpräsidenten im Jänner dieses Jahres führte Shastri als Minister ohne Portefeuille wieder in die Regierung. Nun bearbeitete er an der Seite Nehrus die wichtigsten Dossiers des Ministerpräsidenten.

„Wir können soziale und wirtschaftliche Freiheit für die Massen auch erkämpfen, ohne die Qualen des Kommunismus auf uns zu bürden.“ Ein Satz — ein Programm. Das Programm des Nachfolgers Pandit Nehrus.

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