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Er wollte es anders

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Aus den Dokumenten seiner Lebensge-sckicUte wissen wir, da(! der spanische Edelmann Francisco de Yasu y Xavier, der heilige Missionspatron Franz Xaver, ursprünglich etwas ganz anderes werden und sein wollte. Gewiß: seit der frühen Begegnung des Ritters mit dem Gründer des Jesuitenordens, seit dem heiligen Frühling der ersten Pariser Gemeinschaft, stand es fest, daß er in den unmittelbaren Dienst des größten Königs treten wollte. Aber er hatte sich selbst eine andere Rolle zugedacht: Prediger, Bischof, Kirchenpolitiker großen Stils in der bewegte Weif des Abendlandes der Spätrenaissance. Nur im Gehorsam folgte er dem Ordensauftrag, als Missionär nach Asien zu gehen. Als päpstlicher Legat und Beauftragter des portugiesischen Königs brach er 1541 von Lissabon aus auf. Ein Jahr dauerte die unvorstellbar strapazenreiche Meerfahrt nach dem indischen Goa. In diesen „großen Exerzitien“ wurde aus dem geistlichen Conauistador wohl endgültig der sich selbst aufreibende und hinopfemde Missionär.

Die legende, die berichtet, er sei zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Orten gesehen worden, symbolisiert dieses Dasein, das kein herrscherliches Bewahren mehr kannte, keinen Escorial und keine Philosophenklause. Indien, wahrscheinlich auch Insulinde, dann Japan: die maßlosen Dimensionen des Kontinents ergriffen diesen im Eifer Mafilosen. Im Angesicht des geheimnisvollen chinesischen Reiches erlosch das Leben des nicht einmal Fünfzigjährigen. Auch dieses Ziel sollte er nicht erreichen. Ausgespannt, zerrissen, hingegeben auch noch im Tode sein Sterbliches: der leib in der Kathedrale zu Coa, die von Gold umkleidete Predigerhand reckt sich inmitten der Jesuitenkirche zu Rom als eine erschütternde Reliquie empor. Der Herr hat ihn geführt, „wohin er zunächst nicht wollte“. Er hat Zeugnis dafür gegeben, . daß dieses Eührenlassen in keiner Weise zur Passivität wurde. Der Gehorsame wurde einer der größten Täter im Reiche Gottes. Sein Werk ist ein kräftiger Same geworden, den auch die Stürme der Jahrhunderte nicht verwehen konnten.

In ihrer Gesamtheit gelangten die Christen nicht in den Genuß einer solchen verfassungsmäßig verankerten Bevorzugung. Sie traten wahlpolitisch überhaupt nicht als Sondergruppe in Erscheinung. Es gab nie eine christliche Partei, und den Christen wurde bis vor kurzem überall freigestellt, welcher Partei sie die Stimme geben wollten. (Lediglich bei den letzten Parlamentswahlen empfahl die Konferenz der katholischen Bischöfe von Kerala den Gläubigen, „die Stimmzettel nicht so zu verwenden, daß sie der kommunistischen Sache dienen würden

Vertreter des hohen katholischen und protestantischen Klerus haben nicht versäumt, bei Ausrufung der Indischen Union sich für jenen Staat auszusprechen, der mit den Worten seines Ministerpräsidenten J. Nehru „eine Trennung von Staat und Religion und den vollen Schutz jeder Religion festlegte“. Am 15. August 1948 errichtete das offizielle Indien seinerseits diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl und rief noch im gleichen Jahr ein „beratendes Komitee für den Schutz der Rechte von Minderheiten“ ins Leben. Die Interessen der 11,5 Millionen Christen (davon 6.5 Millionen Katholiken), welche nur 2.6 Prozent der Totalbevölkerung ausmachten, schienen gewahrt zu sein. Ein Großteil der Christen stimmte in den bisherigen drei Allgemeinen Wahlen für die Kongreßpartei und erhielt dementsprechend gewisse Parlamentssitze zugewiesen. Im ersten Kabinett Nehru leitete eine Christin, nämlich Lady Amrit Kaur, das Gesundheitsministerium. In zahlreichen Einzelstaaten, vor allem des Südens, kamen Protestanten und Katholiken zu hohen Ehren. Es stand dabei aber weniger ihre Religion als die Tatsache im Vordergrund, daß diese Persönlichkeiten sich im Unabhängigkeitskampf sehr verdient gemacht hatten. Seit 1953 nimmt die Zahl prominenter Christen im öffentlichen Leben Indiens ab. Eine gewisse Rolle spielen sie noch in einigen zentralparlamentarischen Kommissionen und in der Gewerkschaftsbewegung der Kongreßpartei, wo hauptsächlich auf den Rat der in der Soziallehre der katholischen Kirche geschulten Priester gehört wird.

Besonders zu Anfang der fünfziger Jahre sind politische Gruppen auf die Bühne der jungen Demokratie getreten, welche sich klar für die Errichtung eines Hindustaates aussprachen. Die Hindu Mahasabha und Anya Sa-maj betrachten Pakistan als Teil Indiens, protestieren gegen die Verbreitung des Christentums, träumen von Rückkonversionen und sprechen sich gegen die Gewährung von Einreisebewilligungen an ausländische Missionäre aus. Die Jangh Sang ist zur politischen. Wortführerin des orthodoxen Hinduismus geworden. Es ist bezeichnend, daß der Einfluß der erstgenannten Gruppe im großen und ganzen im Abnehmen begriffen ist, währen die gemäßigtere Jangh Sang ihre Stellung von einem Wahlgang zum

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