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Der Kongreb behauptete sich

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Zu Lebzeiten Jawaharlal Nehrus hielten es viele politische Beobachter für eine ausgemachte Sache, daß der Bestand der indischen Demokratie zum großen Teil der Persönlichkeit des Premiers zu verdanken sei. Nehru könnte die Lok Sabha, das Zentralparlament, von heute auf morgen auflösen, sagten sie. Er könnte die Volksvertretung noch leichter entmachten, als ' es Ayub Khan und andere unzimperliche asiatische Machthaber vor und nach dem. pakistanischen Staatspräsidenten getan haben. Statt dessen steht Nehru im Parlament Tag für Tag der Opposition Rede und Antwort, nimmt sich die Mühe, ihre Angriffe zu parieren, spielt den Demokraten in einem Lande, das im Grunde genommen noch gar nicht reif ist für die Demokratie.

Nicht von ungefähr haben solche Stimmen dem indischen Premier dann immer wieder vorgeworfen, die Frage seiner Nachfolge offengelassen zu haben. Ihrer Überzeugung nach hätte Nehru spätestens von 1958 an, als seine Gesundheit zu wünschen übrig ließ, einen Staatsvertreter bestimmen und ihn in die Regierunigs-kunst einweihen müssen. Statt dessen hat er noch im März 1962 — ein Jahr vor seinem Tode — dem Verfasser gegenüber erklärt: „Indien ist eine Demokratie. Mein Nachfolger wird nach demokratischen Grundregeln gewählt werden. Ich möchte dem Entschluß der Wahlbehörde nicht vorgreifen.“

Jetzt, da sich der Tag, als seine sterblichen Überreste unter den Gesängen der Hohepriester und einer vielhunderttausendköpfigen Menge beim Jumna-Fluß verbrannt wurden, bald zum drittenmal jährt, läßt sich sagen, daß — wenigstens bis heute — Nehrus kategorische Antwort auf der ganzen Linie Recht behalten hatte: auf völlig demokratischem Wege und ohne Zwischenfälle ist das durch den Tod Nehrus von einer Stunde zur andern auftretende Nach'folgeproblem zur großen Zufriedenheit gelöst worden.

Mit einem Seitenblick auf die jetzt vorliegenden Ergebnisse der Ende Februar durchgeführten Parlamentswahlen ist jetzt das Wort vom Versagen der Ministerpräsidentin und ihrer Partei der „The National Con-gress Party“ in aller Leute Mund. Man übersieht dabei, daß Nehrus Partei bereits 1962 große Stimmenverluste erlitten hatte und die Opposition noch gleichen Jahres seinen Rücktritt forderte. „Jede Partei, welche die Regierungsverantwortung über Jahrzehnte hinaus trägt, läuft Gefahr, durch die Magie der Futterkrippe, durch die Anwartschaft auf die Pfründen der Macht verleitet, zu einer Art Stellenbüro, ja zum Asyl herrschsüchtiger Greise und Ausbeutungsobjekt von Profiteuren aller Altersschichten abzusinken. Je mehr sich diese Gefahr verwirklicht und von der Opposition ausgebeutet wird, desto aussichtsreicher sind die Chancen für einen Umschwung.“

Mit diesen Worten versuchte der Verfasser bereits vor fünf Jahren, die Schlappe der Kongreßpartei zu deuten. Daß die Verschleißerscheinungen dieser Bewegung in der nun fünf Jahre älteren Herrschaft über das Land noch zunehmen werden, ist ein fast zwangsläufiges Ergebnis und darf keineswegs einfach der Ministerpräsidentin in die Schuhe geschoben werden. Wird in Rechnung gestellt, wieviel in einem unterentwickelten Land eben doch vom Format der politischen Führer abhängt, so ist es geradezu erstaunlich, wie gut die Kongreßpartei auch ohne Nehru abgeschnitten hat. Zwar verlor sie in sieben Gliedstaaten die absolute Mehrheit und wurde in Biihar, Uttar Pradesk, Westbemgialen, Orissa, Madras und Kerala sogar in eine Oppositionsstellung manövriert. In Kerala erzielte die vereinigte Linksfront einen derartigen Vormarsch, daß die von Mahatma Gandhi aufgeballte und von Pandit Nehru mit starker Hand gesteuerte Partei bei dieser letzten Auseinandersetzung nicht einmal genügend Mandate gewann, um als Fraktion ins neu eröffnete Parlament von Trivandrum einziehen zu können. Im Madras-Territorium gelang es der Dravida Munnatra Kazhagam Party (kurz DMK genannt), aus ihren separatistischen, gegen die nördliche Hindiherrschaft gerichteten Tendenzen dermaßen Kapital zu schlagen, daß sie gleich die absolute Mehrheit der Stimmen hinter sich zu bringen verstand.

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