Vertraue dem Gegner
Am 2. Oktober wäre Mahatma Gandhi 150 Jahre alt geworden. Doch seine politische Ethik ist gerade in polarisierten Zeiten wie heute alles andere als veraltet.
Am 2. Oktober wäre Mahatma Gandhi 150 Jahre alt geworden. Doch seine politische Ethik ist gerade in polarisierten Zeiten wie heute alles andere als veraltet.
Verhasst, verfolgt und verfemt, spürt Salman Rushdie wie kaum ein anderer die ständige Präsenz von Feinden, die ihm als Fatwa-Strafe für sein Buch „Satanische Verse“ – und geködert von vier Millionen Dollar Kopfgeld – seit mehr dreißig Jahren nach dem Leben trachten. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum der indisch-britische Schriftsteller in mehreren internationalen Publikationen gar so wütend auf die Vereinnahmung des von einem Fanatiker ermordeten Friedens-Gurus Mahatma Gandhi durch einen amerikanischen Computer-Konzern reagierte. Rushdie monierte, dass Gandhi mittlerweile für jeden zu haben sei: „Er ist abstrakt, ahistorisch und postmodern geworden, kein Mann mehr, der an seine Zeit gebunden ist, sondern ein freischwebender Begriff, ein Requisit aus dem verfügbaren Fundus an kulturellen Symbolen, ein Image, das ausgeliehen, benutzt, verdreht, überarbeitet und den verschiedensten Zwecken angepasst werden kann.“
Ruhig, entschlossen, furchtlos
Für Jawaharlal Nehru, den ers- ten Ministerpräsidenten Indiens, war das prägende Bild seines Mentors Gandhi, „wie er sich 1930 mit dem Pilgerstab in der Hand auf den Salzmarsch nach Dandi machte. Er war der Pilger auf der Suche nach der Wahrheit: ruhig, friedlich, entschlossen und furchtlos, und man spürte, er würde seine Suche und Pilgerschaft fortsetzen, komme, was da wolle.“ Nehrus Tochter und Nachfolgerin im Präsidentenamt, Indira Gandhi, sagte später: „Mehr als seine Worte war sein Leben die Botschaft.“ Diese Botschaft wird nun, am 150. Geburtstag Gandhis, eher außerhalb Indiens beherzigt, kritisiert Rushdie: „Die härteste aller Wahrheiten ist, dass Gandhi in dem Land, dessen ‚kleiner Vater‘ – bapu – er war, immer unwichtiger wird.“ Zum einen wüte im heutigen Indien der hinduistische Nationalismus in Form der Bharatiya Janata Party (BJP). Zum anderen sei man einer ebenso starken anti-Gandhischen Kraft hörig: dem Geld.
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