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MAHATMA GANDHI / DIE BOTSCHAFT IST NICHT VERHALLT
Vor 20 Jahren — am 30. Jänner 1948 — ist ein großer Menschenführer, „Mahatma" Gandhi, die „große Seele“ von der Erde gegangen. Im Alter von 79 Jahren ist dieser weise und gütige Inder, der sein ganzes Leben für die Unabhängigkeit seines Landes von britischer Herrschaft mit den friedlichsten Mitteln gekämpft hatte, einem Attentat zum Opfer gefallen. Er, der wohl der edelste Streiter war, den die moderne Zeit der Industrialisierung hervorgebracht hatte, der seinen großen Kampf um die Befreiung seines Volkes ohne jede Waffengewalt führte, er, der zum Präger der Begriffe „Non-Violence" und „Non-Resistance“ — „Ohne Gewalt" und „Ohne Widerstand“ — wurde, er mußte, von der Kugel eines Fanatikers getroffen, sein Leben verlieren, das dem Glück und Wohlergehen des indischen Volkes gewidmet war.
Viele Jahre war Gandhi von den Engländern eingesperrt gewesen. Man glaubte, daß man den Geist bezwingen könne, wenn man seine irdische Hülle ins Gefängnis bringe. Immer wieder mußte man Gandhi freilassen, bis das Befreiungswerk endlich vollbracht war. Die Gestalt des Mannes, seine hagere Figur mit den asketischen Gesichtszügen war wohl jedem Menschen bekannt. Wahrhaftig, man konnte sagen, daß er mehr Geist als Körper war, mehr Seele als Fleisch. Millionen folgten seinem Rufe, mit allen Mitteln, außer jenen der Gewalt, in welcher Form immer, sich der britischen Zwangsherrschaft zu entziehen. Gandhi war sich ganz seiner Aufgabe bewußt, für sein Volk, seine Heimat im engeren Sinne, im weiteren Sinne aber für die ganze Menschheit zu wirken. Und schließlich starb er auch den tragischesten Tod.
Diese große Seele im abgezehrten Leib, der durch lange Fastenzeiten seinen Geist immer klarer hervortreten ließ, versuchte ebensosehr die Einigung von Mohammedanern und Hindtus herbeizuführen, wie sie sich auch eifrigst bemühte, eine Milderung des Kastenwesens durchzusetzen und die Stellung der Frau zu heben. Sein Werk „Mein Leben“ zeugt von der Größe dieses Man nes, der die Einfachheit selber war.
Kann es auf Erden etwas Gewaltigeres geben, als die Gewaltlosigkeit zu predigen und sie durchzuführen, um zu einem der letzten Ziele alles Gottgewollten, zum Frieden zwischen allen Menschen und Völkern zu gelangen? Gandhi, wiewohl Hindu, wußte sich eins mit der christlichen Grundlehre der Liebe, deren moderner Apostel er war.
Sein asketischer Leib, von der großen Seele verlassen, wurde eingeäschert. Millionen seiner Anhänger wohnten der Zeremonie bei, als seine Asche in Wind und Wasser zerstäubte. Ein Gedenkmal wurde zu seinen Ehren errichtet, das Ziel unzähliger Pilger ist.
An Gandhis Leben und Sterben aber hat sich erneut Goethes Wahrwort erwiesen:
„Die wenigen, die was davon erkannt,
hat man von je gekreuzigt und verbrannt."
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