6935204-1983_07_06.jpg
Digital In Arbeit

Nakasone will Japan wieder stark machen

19451960198020002020

Japans neuer Prennier Nakasone taktiert im Stil eines politischen Blitzkriegers. Damit setzte er nicht nur seine kürzlichen Gastgeber, sondern auch seine eigenen Landsleute in Erstaunen.

19451960198020002020

Japans neuer Prennier Nakasone taktiert im Stil eines politischen Blitzkriegers. Damit setzte er nicht nur seine kürzlichen Gastgeber, sondern auch seine eigenen Landsleute in Erstaunen.

Werbung
Werbung
Werbung

Kaum zwei Monate im Amt, führte ihn sein erster Auslandsbesuch als Premier nach Seoul, wo er mit besonderer Gastfreundschaft empfangen wurde. Schließlich ging es bei den Verhandlungen Mitte Jänner vor allem um den umstrittenen Riesenkredit, den Korea von Japan haben will.

Seit 20 Monaten liefen die Verhandlungen zwischen den beiden Nachbarstaaten, jedoch ohne großen Erfolg. Der charmante und energische Nakasone jedoch er-

reichte einen Durchbruch: Korea würde die erwünschten vier Milliarden US-Dollar bekommen.

Kaum aus Korea zurück, trat Nakasone seine zweite Auslandsreise an, diesmal nach Washington, wo ihn ein erwartungsvoller Präsident Ronald Reagan empfing.

Nakasone machte seine Sache sehr gut- fast zu gut, wie viele seiner Landsleute empfanden. Beeindruckte er die Amerikaner mit seiner Redekunst und seinem Format, vor allem im Vergleich zu seinen Vorgängern, so beunruhigte er sein eigenes Land durch allzu viele Versprechungen den USA gegenüber.

Die Hauptthemen beim Gipfel in Washington waren bilaterale Wirtschaftsfragen und die umstrittene Verteidigung Japans. Die USA hatten letztes Jahr ein Handelsdefizit von rund 20 Milliarden Dollar mit Japan, und es ist daher nur zu gut verständlich, daß Amerika seit langem Druck auf Japan ausübt, seine Exportquoten zu senken und mehr amerikanische Produkte zu importieren.

Außer diesen wirtschaftlichen Reibereien beschäftigt die Verteidigung Japans neuerdings nicht nur die Rechner im Pentagon, sondern auch neue und konservativere Minister in Tokyo, die mit Nakasone an die Macht gekommen sind. Mit nur rund einem Prozent des Bruttonationalpro-dukts für Verteidigungszwecke und einer Verfassung, die Krieg als Lösung internationaler Konflikte verbietet, leistet sich Japan ein Mini-Heer, das nicht imstande ist, das Land gegen die stetig wachsende, sowjetische Fernostarmee zu verteidigen. Die USA kamen und kommen im Rahmen des Verteidigungspaktes dafür auf.

Mit nie da gewesenen Staatsschulden und ins astronomische steigenden Rüstungsausgaben zu Hause, hat Washington wenig Lust, weiterhin indirekt den Wirtschaftsboom Japans zu bezahlen, das Inselland zu beschützen und noch dazu immer größere Handelsdefizite mit Japan einzustek-ken.

Hatten bisherige Premiers aus Tokyo mit entschuldigendem Lächeln auf die pazifistische Verfassung verwiesen und eine radikale Aufrüstung Japans für unmöglich erachtet, so fiel Nakasone durch seine raschen und großen

Versprechungen bezüglich der zukünftigen Verteidigungsanstrengungen Japans auf. In einem Interview mit der Washington Poste rühmte er sich sogar, Japan zu „einem unsinkbaren Flugzeugträger" gegen die Bedrohung der Sowjetunion zu machen.

Auch die positive Beachtung des amerikanischen Wunsches, japanische Militärtechnologie zu erwerben, war Musik in den Ohren Reagans und seiner Pentagon-Leute; die für die USA katastrophale Wirtschaftsbilanz mit Japan wurde darüber beinahe vergessen.

Bei seinen eigenen Landsleuten jedoch kamen diese schönen und starken Reden keineswegs an. Die Opposition schäumte, der Mann auf der Straße wunderte sich, und selbst im eigenen Lager Nakaso-nes wurden Stimmen laut, die an der Diplomatie ihres Herren zweifelten.

Eines ist klar: der neue Premier ist der erste seit dem letzten Weltkrieg, der die Diskussion um die umstrittene Verfassung enttabuisiert und damit die Diskussion in die Öffentlichkeit getragen hat. Niemand hier zweifelt daran — und Nakasone macht daraus kein Hehl - daß die jetzige Regierung Artikel 9 der Verfassung abändern will, sodaß Krieg wieder erlaubt ist.

Nicht nur diese Frage wurde laut, sondern auch das Unbehagen, noch enger und scheinbar unentrinnbar mit Amerika verbunden zu sein.

Zurück in Tokyo erwarteten Nakasone eine Unmenge von Fragen. Zum einen war das Gerücht aufgekommen, daß der Südkorea-Besuch und die Washington-Visite erste Anzeichen zur Bildung einer Allianz zwischen den drei Ländern gewesen sein könnten.

Ein paar Tage später verkündete KPdSU-Chef Jurij Andropow, daß die Sowjetunion einige unter Umständen von Europa abgezogene SS-20-Raketen nach Fernost verlegen könnte, um „neue Militärbasen in Japan" zu bedrohen.

Danach kam Präsident Mahatir von Malaysia auf Staatsbesuch nach Tokyo und äußerte Befürchtungen bezüglich einer japanischen Aufrüstung. Die Minister und Bürokraten hatten alle Hände voll zu tun, das aufgebrachte und aufhorchende Ausland zu beruhigen.

Die allzu große Angst vor einem bis auf die Zähne gerüsteten Japan scheint indessen übertrieben. Nakasone und seine Regierung müssen zunächst die innenpolitischen Hürden aus dem Weg räumen, um überhaupt mit ihrer nationalistischen Politik beginnen zu können.

Es ist auch gar nicht so sicher, ob es Nakasone gelingen wird, all seine Wünsche zu erfüllen. Denn die Stimme der Öffentlichkeit wehrt sich nach wie vor zum Großteil gegen eine starke Aufrüstung; noch dazu befinden sich die Staatsfinanzen Japans in einem katastrophalen Zustand, der im Augenblick die schnelle Realisierung solcher Pläne unmöglich macht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung