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Fernöstliche Salamitaktik

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In Ostasien vergißt man Demütigungen nicht sehr schnell. Ford muß für Nixons und Kissingers Vertrauensbruch bezahlen. Das Übergehen des japanischen Verbündeten bei den ersten amerikanisch-chinesischen Kontakten kommt Washington jetzt teuer zu stehen. Der neue Mann in Tokio ist nicht gerade ein Garant des alten Bündnisses mit den USA. Tokio servierte Ford beim japanisch-amerikanischen Gipfel in Tokio einen de facto bereits abgesetzten Ministerpräsidenten als Gesprächspartner. Was nachher kam, war noch ärger. Ein Außenseiter, Takeo Miki, würde Tanakas Nachfolger. Seine Legitimation war sein — gelinde gesagt — wenig amerikafreundlicher Neutralismus.

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In Ostasien vergißt man Demütigungen nicht sehr schnell. Ford muß für Nixons und Kissingers Vertrauensbruch bezahlen. Das Übergehen des japanischen Verbündeten bei den ersten amerikanisch-chinesischen Kontakten kommt Washington jetzt teuer zu stehen. Der neue Mann in Tokio ist nicht gerade ein Garant des alten Bündnisses mit den USA. Tokio servierte Ford beim japanisch-amerikanischen Gipfel in Tokio einen de facto bereits abgesetzten Ministerpräsidenten als Gesprächspartner. Was nachher kam, war noch ärger. Ein Außenseiter, Takeo Miki, würde Tanakas Nachfolger. Seine Legitimation war sein — gelinde gesagt — wenig amerikafreundlicher Neutralismus.

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Während der sechziger Jahre stand Miki, für eine Los-von-Washington- Asienpolitik Japans. Als Außenminister brachte er sich und die japanische Regierung durch seine Aggressivität gegen Washington in Schwierigkeiten. Bei der Erdölkrise besichtigte er die japanische Politik der stillschweigenden Servilität gegenüber den Mittelost-Ölherren und war für eine aktive Parteinahme für die arabischen Staaten. Sicher wird auch ein Miki das Bündnis mit den USA nicht zerreißen; Japan braucht den USA-Atomschirm noch und die USA sind Japans stärkster Handelspartner. Er wird es mit fernöstlicher Salamitaktik im Sinne seines japanischen Nationalismus und seiner japanischen Asienpolitik bis aufs Äußerste strapazieren. Und er wird seine Asienpolitik betreiben, als ob es kein Bündnis, kaum noch eine Freundschaft mit den USA gäbe.

Bei den japanischen Linksliberalen galt Takeo Miki als ein japanischer Linksliberaler; bei den japanischen Nationalisten galt er als ein japanischer Nationalist. Die Unterscheidung fällt schwer. Am Höhepunkt der nun ziemlich versandeten Aufruhrperiode der Samurai-Nachkommen, der kommunistischen Zenga- kuren-Studentenverbände, galt Miki als Kandidat der gewünschten und erstrebten „Nationalen Front” gegen den Imperialismus, das heißt; gegen das japanisch-amerikanische Bündnis. Doch Miki ist altes Nippon- Establishment; noch aus der Zeit des aggressiven Nipponismus. Von eini gen „Zadbatsu”, den Wirtschafts- und Handelsbaronaten gestützt, wurde ei ein profilierter Außenminister. Aus Moskau brachte er den Vorschlag einen Vorvertrag zum japanischsowjetischen Friedensvertrag abzuschließen unter Ausklammerung der von den Sowjets besetzten japanischen Kurileninseln. Das japanische Geschenk an die Sowjets hätte der Friedensvertrag Japans mit der westlichen Alliierten, 1952 in Sar Franzisko, entwertet. Mikis Vorschlag scheiterte freilich nicht an der Wirkung der amerikanischen Vorbehalte, sondern am japanischen Territorialbewußtsein. Dafür revanchierte Miki sich durch eine selbst für die eigene Regierung untragbare Aggressivität bei den Verhandlungen mit den USA um die Rückgabe der amerikanisch besetzten Insel Okinawa. Hier hatte er mehr Glück. Die Sowjets behalten die beiden Kurileninseln Habomanai und Shiko- tan; ein wertvolles Faustpfand, wenn es Moskau einmal um Entscheidendes. geht. Die USA stellte Okinawa der japanischen Verwaltung zurück; der Kampf geht jetzt um die Auflassung des USA-Stütz- punktes auf Okinawa.

Sicherlich hat Miki. nach japanischer Tradition, die Führung der proamerikanischen Fraktionen der Liberaldemokratischen (Regierungs-) Partei in seine Regierung genommen. Doch der neue Ministerpräsident, sichtbar voll von innerer und äußerer Spannung, von seinem Vorgänger, dem Selfmademan-Freistil-Bau-

unternehmer Tanaka abstechend, weiß zu führen. Und er verfügt über das breiteste Hinterland, über den größten Anhang seit Yoshida, dem Überwinder der Nachkriegskrise. Seine Asienpolitik tut dem durch neue Krisenerscheinungen ramponierten Selbstbewußtsein der diffizilen Japaner gut und sie liegt überdies im Strom der asiatischen Politik, der asiatischen Frustratio nen. Asienbewußtsein gebietet die breite Stimmung. Vorsicht beim Umgang mit dem größten Handelspartner, den USA, warnen die Zaibat- sus.

Washington geht es um das Bündnis mit Japan. Beim Friedensvertrag von San Franzisko wurde Japan der militärische Klient der USA. Spätere Verträge näherten die Klientenbeziehung einer Bündnispartnerschaft an. Doch es blieb der USA-Atomschirm über. Japan. Solange das Bündnis in Tokio mehr oder weniger sicher unter Dach und Fach war, kümmerte sich Washington wenig um wirtschaftliche und diplomatische Formen; für Nixon und Kissinger blieb Japan der anmaßende, wirtschaftlich gefährliche Klient. Ford bestätigte die protokollarische Reihung mit seinem

Reiseplan: Wladiwostok-Tokio-Seoul. In ganz Asien sieht man mit Genugtuung den Erfolg Mikis als Reaktion Japans auf das Verhalten der amerikanischen Präsidenten und des Außenministers; Taktlosigkeit wiegt hier so schwer wie böse Absicht Und man stempelt Fords Auf-, enthalt in Tokio als total erfolglos ab. Fords Reisepläne nach Peking ändern daran nichts. Denn zur Zeit setzt man in Asien nicht so sehr auf Peking, als auf Moskau. Sicher wird die neue Gewichtsverlagerung in Tokio bald auf dem ganzen Kontinent vor allem im Nahen und im Mittleren Osten ihre Wirkung zeigen. Haben die USA im Fernen Osten noch einen Verbündeten — oder nur mehr Verpflichtungen?

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