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Zwischen Capitol und Peking

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Das Unaufhaltsame aufhalten zu wollen, ist überall eine unpopuläre Politik, besonders im politisch äußerst realistischen Femen Osten. Und Chinas Einzug in die UNO und damit in das Zentrum der asiatischen Politik wird in Ostasiien heute als unaufhaltsam angesehen; überall, in jedem Staat und in jeder Partei. Das gilt besonders für Japan. Japans neue Regierung kann es sich einfach nicht'leisten, an der Seite der USA gegen den Strom zu schwim men und muß ihren eigenen Weg suchen. Das ist gar nicht so einfach. Der Weg soll nach Peking führen, doch nicht von Washington fort. Noch weniger als Peking darf Washington verärgert werden. Pekings Zorn führt zu politischen Folgen, zur Isolierung der neuen Regierung Sato in Japan, zur Isolierung Japans von Südostasien. Washingtons Zorn hätte politische und wirtschaftliche Folgen. Das japanisch-amerikanische Bündnis ist und bleibt der wesentliche Garant der Existenz Japans, militärisch, politisch, aber auch wirtschaftlich; das weiß man hier. Weit mehr als 50 Prozent des japanischen Außenhandels werden mit den USA abgewickelt, kaum zehn Prozent mit Peking. Eisaku Sato, seit IkedasErkrankung an einem Kehlkopfgeschwür Ministerpräsident Japans, steht gleich zu Beginn seiner Regierungszeit vor einer äußerst schweren Aufgabe; er muß den Weg finden, auf dem sich eine „positive“ Chinapolitik mit Japans Bündnis treue gegenüber den USA zu einer nationalen japanischen Politik vereinen.

Ruf nach nationaler Außenpolitik

„Chinahandel“ war das Stichwort, mit dem vor drei Jahren die Kräfte der japanischen Politik und Wirtschaft ihre ersten Angriffe auf die festgefrorenen japanisch-chinesischen Beziehungen begannen. Jetzt geht es aber um mehr. Das nationale Selbstbewußtsein ist in Japan schon längst wiedererweckt und läuft seit der Olympiade auf stei gender Tourenzahl. Ikedas internationale Politik auf der Basis des Export-Import wurde akzeptiert, solange man den steigenden Export- Import als Basis für das noch geschwächte nationale Selbstbewußtsein brauchte. Jetzt ist es so weit, und der Ruf nach einer nationalen Außenpolitik an Stelle der Transistorradio- und der Satellitenpolitik wird zum ersten Hahnenschrei eines neuen Geltungsbedürfnisses Japans in der internationalen Politik. Sato kann sich dieser Forderung nicht verschließen, will er nicht als Don Quichotte vor einer Nation stehen, die Don Quichottes in Massen in ihrer Samurai-Vergangenheit hat, doch an ihrer Spitze die zielbewußte Kraft und Schlauheit eines Tokugawa Shogunsvorzieht. Aus der Forderung nach einer neuen Chinapolitik im Interesse der China- handelshoffnungen, ist der Ruf nach einer neuen Chinapolitik als Ausdruck politischen Eigenwillens geworden.

Dazu, eng verbunden, kommt noch das Erwachen eines neuen Asien- bewußtseins in Japan. Es ist das ungestüme Kind des japanischen Nationalismus und tauchte etwas später aus dem politisch form- und farblosen Fluß der japanischen Nachkriegspolitik auf. Nach dem Krieg schienen beide, Nationalismus und Asienideologie, unter den Trümmern der Niederlage begraben zu sein. Da aber dort, wo Trümmer waren, Olympiabauten, Monorails, Highways, Wolkenkratzerhotels erstanden, zeigt sich die Unverwüstlichkeit des japanischen Nationalismus und seines träumerischen Kindes, der japanischen Großasien- ideologie: „Hie Asien, dazu gehören wir, dort der Westen.“ Natürlich wird das nicht so hart gesagt. Man kennt hier die harte Sprache nur als letzte Instanz. Es ist, zumindest von den meisten, auch nicht so hart gemeint. Es liegt auch selten die Herrenrasseidee der Vorkriegsnationa- listen darin, viel eher etwas aus der antiwestlichen Erlösungs- und Befreiungsideologie der nationalen Liberalen um Fürst Konöye. Doch dei Blick nach Ost- und Südostasien is'nicht mehr verstohlen, sondern bereits klar, oft demonstrativ; be einigen zumindest, die nicht zu der Einflußlosen zählen. Sato muß die neue alte Blickrichtung berücksichtigen, wiill er eine nationale Außenpolitik entwerfen. Schon hat er angekündigt, daß Japan seine bisherige Reserve gegenüber der Bindungsidee der afro-asiatischen Staaten aufgeben wird und sich aktiv geführt von einem Politiker de: ersten Garnitur, an der nächster afro-asiatischen Konferenz beteiliget werde.

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