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Moskau: Rauher Wind in Richtung Ostasien

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Nach überaus langwierigen Verhandlungen kamen am 12. August in Peking die Vertreter Chinas und Japans zur Übereinkunft in bezug auf einen Freundschafts- und Friedensvertrag. Schon im Jahr 1972 scheiterte der Vertrag an der chinesischen Forderung, in einer Klausel ausdrücklich alle Hegemoniebestrebungen im pazifischen Raum zu verurteilen.

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Nach überaus langwierigen Verhandlungen kamen am 12. August in Peking die Vertreter Chinas und Japans zur Übereinkunft in bezug auf einen Freundschafts- und Friedensvertrag. Schon im Jahr 1972 scheiterte der Vertrag an der chinesischen Forderung, in einer Klausel ausdrücklich alle Hegemoniebestrebungen im pazifischen Raum zu verurteilen.

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Gemeint war damit die Sowjetunion, die heute bereits die Seewege im westlichen Pazifik durch ihre enorm gewachsene Flotte beherrscht und China, nach Pekings Version, einzukreisen versucht. Japan aber kann sich nicht außenpolitisch ins Schlepptau Chinas begeben, denn die Beziehungen mit der Sowjetunion sind lebenswichtig für das Inselreich. Moskau setzte Tokio denn auch seit Monaten unter schärfsten Druck, um den Abschluß des Vertrages zu verhindern. Nach üblicher Praxis winkten die Sowjets mit dem Drohfinger: große Landungsübungen wurden im Juli auf der Kurileninsel Iturup nördlich von Hokkaido (die Japan schon längst zurückfordert), Flottenmanöver südlich von Okinawa abgehalten, um den Japanern wieder recht deutlich zu machen, wie hilflos sie im Grunde den russischen Pressionen gegenüberstehen. Auch ließen die Russen die vor dem Abschluß stehenden Verhandlungen über Fischereiunternehmen in gemeinsamer Regie platzen, indem sie das Visum für die Unterhändler nicht verlängerten.

Erst als der japanische Außenminister Surrao Sonoda nach Peking flog, nachdem in 15 Sessionen kein Durchbruch gelungen war, erreichte er in direkten Verhandlungen mit seinem Gegenüber, dem chinesischen Außenminister, Huang Hua, und mit dem starken Mann Pekings, Teng Hsiao-ping, einen Kompromiß. Danach verurteilen beide Länder weltweit jedes Hegemoniestreben, doch erlaubt die Friedensdiplomatie Japans nicht, daß damit speziell ein drittes Land angeprangert wird. Beide Länder anerkennen, daß sie ihre je eigene Außenpolitik zu führen berechtigt sind. Damit entging Japan der Gefahr, unversehens in eine antirussische Front eingereiht zu werden. Trotzdem wird in der nächsten Zeit ein unfreundlicher Wind aus Moskau wehen.

Der japanische Ministerpräsident Fukuda gewann die Zustimmung der Regierungspartei zum Vertragswerk. Der rechte Flügel, der Taiwan unterstützt, bekämpfte den Vertrag, insbesondere, da er nicht eine Verlautbarung nach sich zog, wonach Peking die vor kurzem angemeldeten Ansprüche auf die Sengaku-Inseln (unbewohnt, aber wahrscheinlich ölfündig) aufgibt.

Fukuda brauchte aber den Vertrag, damit er sich im Dezember erneut zur Wahl als Parteipräsident (und damit zum Premier) stellen kann. In seiner zweijährigen Amtszeit blieben ihm größere Erfolge versagt. Seine Bilanz weist als bescheidene Pluspunkte die Eröffnung des Flughafens von Tokio in Marita und den Vertrag mit Südkorea über gemeinsame Ölbohrungen im Festlandssockel zwischen den beiden Ländern auf; im Außenhandel aber gelang es nicht, den gewaltigen Überschuß abzubauen; der Yen steigt in schwindelerregende Höhen; die Wirtschaft erreicht nur mit größter Mühe eine Zuwachsrate von sieben Prozent, wie Fukuda sie wiederholt seinen Handelspartnern versprochen hat; der Pleitegeier frißt mittlere und kleinere Betriebe (jeden Monat über tausend Bankrotte); die Arbeitslosenzahl nähert sich der Zwei-Prozent-Grenze.

Fukuda steht im Wettbewerb mit seinem gefährlichsten Rivalen, dem Parteisekretär Ohira, dem er vor zwei Jahren versprach, ihm nach einer Amtszeit den Sessel des Premiers zu überlassen. Der Chinavertrag könnte ihm den nötigen Vorsprung bei der Wahl im Dezember verschaffen. Vorgesehen ist, daß kein geringerer als Teng Hsiao-ping im Herbst zur Ratifizierung nach Tokio kommt. Ihm ist das chinesische Entgegenkommen in erster Linie zu verdanken.

Der Pekinger Vertrag aber könnte über diese kurzfristige Aktualität hinaus bedeutungsvoll werden, wenn er ein Zeichen für eine Aktivierung der japanischen Außenpolitik ist. In Bonn trat Premier Fukuda als einziger Vertreter Asiens in den Kreis der führenden Industriemächte der freien Welt. Allerdings machte er sich die Angelegenheiten der kleineren Völker Asiens nicht zur eigenen Sache, sehr zum Bedauern vor allem der fünf Staaten des

„Verbandes südostasiatischer Nationen“ (ASEAN) in Südostasien. Diese erwarten seit langem, daß Japan ihnen beisteht im Bestreben, einen größeren Wirtschaftsraum zu schaffen und bedauern, daß Fukuda sein vor einem Jahr gegebenes Versprechen, eine Milliarde Dollar in fünf große Entwicklungsprojekte in den fünf Ländern zu investieren, bis jetzt nicht erfüllt hat. Der Augenblick für ein Engagement Japans in der Führung des freien Asien ist eindeutig gegeben, doch bestehen noch wenig Anzeichen, daß die Japaner ihre Stunde erkennen und zu den nötigen Opfern bereit sind. Zu sehr richten sich ihre Bücke nach den USA und Westeuropa.

Die Asiaten werfen den Japanern vor, daß sie auf Beschwerden bezüglich ihrer Devisenüberschüsse, die von Amerika und den EWG erworben werden, schleunigst reagieren, aber sich wenig Sorgen machen, wenn sich auch die armen Länder Südostasiens immer mehr gegenüber Japan verschulden. Von Japan wird heute mehr Solidarität mit Asien erwartet, gekoppelt mit der Opferbereitschaft zur Entwicklungshilfe. Japan hat denn auch in Bonn versprochen, seine Hilfeleistungen in Jahresfrist zu verdoppeln.

Militärisch bringt der Vertrag keine Verlagerung des Gleichgewichts in Nordasien, da keine gemeinsamen Operationen ins Auge gefaßt werden. China hat sich zudem, beim Staatsbesuch Hua Kuo-fengs in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang, eindeutig auf die Seite von Kim II Song, dem Staatsoberhaupt der Koreanischen Volksrepublik, gestellt, so daß von dort her keine Hilfe zu einer friedlichen Einigung des getrennten Korea zu erwarten ist.

Bedeutungsvoll ist die Zusage, China werde die in zwei Jahren auslaufende, vor 28 Jahren abgeschlossene Militärallianz mit Rußland, in deren Text Japan ausdrücklich als gemeinsamer Feind bezeichnet wurde, nicht erneuern.

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