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Der Schatten Nippons

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Das politische wie auch das wirtschaftliche Bild im Pazifik ändert sich rapid, und der wichtigste Faktor in dieser Entwicklung ist der Staunen erregende Aufstieg Japans. Japans Wirtschaft ist doppelt so mächtig wie die aller anderen Fernoststaaten zusammen, inklusive Australien und Neuseeland. Japan ist der größte Schiffbauer der Welt, einer der führenden Stahlproduzenten und hat die USA auf Teilgebieten der Elektronik überflügelt.

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Das politische wie auch das wirtschaftliche Bild im Pazifik ändert sich rapid, und der wichtigste Faktor in dieser Entwicklung ist der Staunen erregende Aufstieg Japans. Japans Wirtschaft ist doppelt so mächtig wie die aller anderen Fernoststaaten zusammen, inklusive Australien und Neuseeland. Japan ist der größte Schiffbauer der Welt, einer der führenden Stahlproduzenten und hat die USA auf Teilgebieten der Elektronik überflügelt.

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Mehr und mehr zeigte sich während des letzten Jahres, daß Japan überall im Fernen Osten eine politische Dynamik entwickelt, die der wirtschaftlichen parallel läuft, wirtschaftspolitische Aktionen schützt und unterstützt

Gemäß Nixons Guam-Doktrin haben die Amerikaner ihre Streitkräfte bereits zum großen Teil aus diesem Gebiet zurückgezogen. Eine Verstärkung der Militärmacht Japans ist die unausbleibliche Folge. Vor 25 Jahren, als Japan am Ende des zweiten Weltkrieges durch eine Periode der Demütigunigen ging, verbot man dem Reich der aufgehenden

Sonne, je wieder eine Streitkraft irgendwelcher Art aufzubauen. Aber als 1951 der Krieg in Korea ausbrach, schien dieses Verbot unrealistisch, und mit Ermutigung Amerikas stellte Japan seine „Selbstverteidigungskräfte“ auf; nur zum Zweck der inneren Sicherheit und Verteidigung und — ausdrücklich — nicht für Überseekriege. Für solche und übrige Notwendigkeiten verließ Japan sich auf den schützenden Schirm der amerikanischen Streitmacht, gemäß dem „Mutual Security Treaty“ von 1951, der zehn Jahre später erneuert wurde. Heute aber lautet die Devise: Je mehr Amerika sich aus dem Pazifik zurückzieht, um so mehr Verpflichtungen soll Japan übernehmen.

Man schätzt zur Zeit, daß Japan im Falle eines Angriffs auf sein Territorium 70 Prozent der Verteidigungs- Lasten selbst tragen könnte, den Rest sowie den eventuellen Einsatz von Nuklearwaffen müßte Amerika übernehmen. Selbst wenn man die wachsenden Kosten für Aufrüstung einbezieht, gibt Japan immer noch wenig mehr als ein Prozent des Nationalproduktes für seine Verteidigung aus, ein winziger Bruchteil dessen, was die Mächte des Westens aufwenden.

Trotzdem ist die Reaktion der übrigen Regierungen in Femost zunehmend besorgt. Sde fühlen sich weitaus mehr durch Japan bedroht als durch eine eventuelle Expansion Chinas. Chinesische Armeen haben ihre Länder nie besetzt, aber Erinnerungen en die Unterdrückung durch Japan im zweiten Weltkrieg sind noch sehr wach. Das große Land China ist rückständig, Japan jedoch hochindustrialisiert.

Tokio hat wiederholt bekanntgegeben, daß es nicht sein politisches Ziel sei, nukleare Waffen zu haben oder gar herzustellen. In einem „White paper“ über Verteidigungspläne hat Japan weiter versichert, daß es sich nicht mit interkontinentalen Raketen bewaffnen will oder mit irgendwelchen anderen fortge-

schriittenen Waffen, die bei anderen Völkern Angst vor Angriffen hervorrufen könnten.

Dies sind keine leeren Redewendungen. Jeder, der seit dem Krieg einige Zeit in Japan verbracht hat, weiß, daß die Masse der Japaner sehr friedliebend denkt und sich der Idee eines neuen Militarismus widersetzt. Schließlich sind sie das einzige Volk, dessen Land das Angriffsziel einer Atombombe war. Sie haben allen Grund, den Krieg zu fürchten.

Aber, wie schon oft in der Geschichte, sind menschliche Grfühle und nationale Interessen nicht immer dasselbe. Japan hat wenige Probleme, aber die es hat, sind fundamental.

Japan hat ein großes und intelligentes Arbeiterpotential und enormes technologisches Wissen, aber es ist arm an Naturprodukten, es muß fast alles importieren, was für die Aufrechterhaltung seines Wirtschaftswunders notwendig ist, wie öl, Eisenerz, Gummi und so weiter. Alles lebenswichtige Rohstoffe für eine moderne Volkswirtschaft. Es ist oft übersehen worden, daß die Motivierung für Pearl Harbour nicht allein aus Japans Militarismus erwuchs, sondern auch die Folge davon war, daß die Westmächte Japan ein Embargo für strategische Importe auferlegt hatten. Sollte je einmal wieder irgend etwas geschehen, was Japan von seiner öleinfuhr abschnitte, würde und müßte Tokio wieder alle Mittel daransetzen, die lebenswichtigen Seewege wieder zu öffnen,

wenn die Regierung nicht- einen wirtschaftlichen Zusammenbruch in Erwägung ziehen wollte.

Selbst wenn man jeglichen Gedanken an ein Wiedererwachen von Japans Militarismus von such weist, bleibt doch die Tatsache, daß Japan — allein durch seine erstaunlichen Erfolge auf dem Wirtschaftsgebiet — die pazifischen Länder mehr und mehr überschattet.

Schon allein dadurch, daß sich alle Weltereignisse, alle umfassenden Veränderungen im Machtspiel heute mit wachsender Geschwindigkeit abspielen, wind auch das Vorrücken Japans beschleunigt. So wurde auch der amerikanische Rückzug aus dem Westpazifik beschleunigt. Der Truppenrückzug aus Vietnam ist bereits weiter fortgeschritten als für dieses Datum geplant war. Kürzlich hat Amerika auch seine Einwilligung gegeben, 12.000 Mann aus Japan zurückzuziehen. Japan muß schnell reagieren, wenn es eine Vorrangstellung unter den Weltmächten einnehmen will.

Ob Japan wirklich nur eine seiner wirtschaftlichen Macht entsprechende politische Position anstrebt oder ob sich dort eine Asien bedrohende Gefahr eines neuen japanischen Nationalismus bildet, an der sich weiter und weiter ausdehnenden Präsenz Japans in Asien besteht kein Zweifel, und auch nicht an dem Mißtrauen, mit dem Japan von den anderen Ländern Asiens beobachtet wird.

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