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Krieg der Sterne kommt bestimmt

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Recht zaghaft wird jetzt auch in Österreich begonnen, über Ronald Reagans „Strategische Verteidigungsinitiative” (SDI) zu diskutieren. Nach dem SPÖ-Weltraumex-perten Peter Jankowitsch (FURCHE 17/85) lassen wir dazu einen ÖVP-Vertreter zu Wort kommen.

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Recht zaghaft wird jetzt auch in Österreich begonnen, über Ronald Reagans „Strategische Verteidigungsinitiative” (SDI) zu diskutieren. Nach dem SPÖ-Weltraumex-perten Peter Jankowitsch (FURCHE 17/85) lassen wir dazu einen ÖVP-Vertreter zu Wort kommen.

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Die Diskussion über neue Rüstungsprogramme kann sowohl darüber geführt werden, was wünschenswert ist, aber auch darüber, welche Entwicklung wahrscheinlich sein wird. Der Klarheit wegen soll man diese beiden Gesichtspunkte voneinander trennen. Der Ausbau der Rüstungstechnik hat sich jedenfalls noch nie an den Wunsch gehalten, daß „nicht sein kann, was nicht sein darf”.

Daß der Weltraum schon stark in die militärischen Operationen einbezogen ist, scheint in der laufenden Diskussion gelegentlich unterzugehen. Allein bis Mitte 1983 wurden etwa 2000 Satelliten mit militärischen Aufgaben gestartet, das sind etwa 75 Prozent aller bisher in die Erdumlaufbahn gebrachten Nutzlasten. In den fünf Jahren von 1978 bis 1983 hat die Sowjetunion 450 militärische Satelliten gestartet, die USA 90.

Der Weltraum ist also schon stark in die militärischen Operationen einbezogen. Satelliten dienen dabei der Aufklärung, der Ozeanüberwachung — Infrarotsensoren dienen zur Feststellung von Atom-getriebenen U-Booten, —, zur Frühwarnung, zur elektronischen Kampfführung oder zur Überwachung nuklearer Explosionen.

In der Strahlenwaffen-Technologie, die der Abwehr ballistischer Raketen dient, wurden in den letzten Jahren substantielle Fortschritte erreicht. Es geht dabei um den Einsatz von Laser-Strahlen, Teilchen-Strahlen, Mikrowellen und Plasma-Strahlen. Für die weitere Forschung in diesen Bereichen sollen nun im Rahmen von Ronald Reagans „Strategischer Verteidigungs-Initiative” bis 1989 weitere 26 Milliarden Dollar ausgegeben werden.

Somit kommt im „Star-Wars”-Programm die unaufhaltsame Weiterentwicklung der Technik zum Ausdruck, sowie das Streben der Menschen, Offensivwaffen, denen man zunächst fast wehrlos ausgesetzt ist, eine Verteidigung, einen Schutzschild entgegenzustellen.

Während heute bei uns in Österreich der Einsatz militärischer Macht zur Erreichung politischer Ziele eine Denkunmög-lichkeit geworden ist, bestimmen Staatsräson und machtpolitische Überlegungen nach wie vor die Außenpolitik der Supermächte. In diesem Sinne sagte etwa Walter Lippmann, eine funktionierende Außenpolitik „bestehe darin, daß die Verpflichtungen einer Nation mit ihrer Macht in Einklang gebracht werden, wobei es immer eine komfortable Machtreserve geben soll”. Sicherheit könne nur durch Macht gewährleistet werden, nicht durch abstrakte Prinzipien.

Im selben Sinne erklärte Henry Kissinger, eine solide Außenpolitik müsse auf zwei Elementen aufbauen: Auf einer starken Verteidigung und auf der Unterstützung durch die öffentliche Meinung.

Wenn aber der Ausbau der eigenen Macht ein integraler Bestandteil der Außenpolitik, ja sogar die Voraussetzung für sie ist, ist es schwer vorstellbar, daß eine Gelegenheit versäumt wird, diese Macht auszubauen, sobald die Möglichkeit dafür besteht. Wenn die Vereinigten Staaten in den fünfziger Jahren 50 Milliarden Dollar alleine für den Ausbau der Luftverteidigung ausgegeben haben, also 200 Milliarden nach heutigem Geld, zeigt dies, daß man offensichtlich bereit ist, für die Verteidigung Opfer zu bringen.

Neue Atom-Doktrin

Die Strategische Verteidigungsinitiative ist heute in den Vereinigten Staaten stark umstritten. Prominente Exponenten der außenpolitischen Szene wie George W. Ball oder Keith B. Payne sprechen sich dagegen aus, genauso prominente Namen findet man unter jenen, die sehr stark dafür eintreten, wie Richard T. Ackley oder Colins S. Gray. Es wird also eine politische Entscheidung sein, ob die Strategische Verteidigungsinitiative letztlich realisiert wird.

Dabei werden jene Politiker die Oberhand behalten, die für ihre Verwirklichung eintreten, da sie darauf verweisen können, daß jene Gründe, die in der Vergangenheit die gewaltigen Rüstungsanstrengungen bewirkt haben, nicht weggefallen sind: Der politische Wille der Sowjetunion, ihre Macht auszudehnen, ja der Glaube an eine natürliche Entwicklung zur kommunistischen Weltherrschaft.

Außerdem ist die Sowjetunion, was die Vorbereitung des „Krieg der Sterne” betrifft, in keiner Weise im Rückstand. Natürlich wäre es schön, wenn sich jene durchsetzen könnten, die verlangen, vernünftige Zusammenarbeit und rationale Konfliktaustragung sollten an die Stelle des Wettrüstens treten. Die Geschichte der „Abrüstungsverhandlungen” zeigt aber eine andere Wirklichkeit auf.

Als Präsident Reagan am 23. März 1983 seine berühmte „Star-Wars”-Rede hielt, machte er sich zum Verfechter eines neuen strategischen Konzeptes. Raketen mit Nuklearsprengköpfen sollen mit Hilfe neuer Technologien unschädlich und überflüssig („impotent and obsolete”) gemacht werden, damit die Sicherheit der amerikanischen Bevölkerung nicht mehr länger nur mehr auf dem Prinzip der gegenseitigen Abschreckung der Supermächte durch vernichtende Gegenschläge mit nuklearen Offensiv-Waffen beruht. Stattdessen soll ein neues System von im Weltraum stationierten Defensiv-Waffen erstmals im Atomzeitalter aktiven Schutz gewähren.

„Was wir jetzt haben”, erklärte Reagan, „ist allein das Konzept der gegenseitig gesicherten Vernichtung (Mutual Assured De-structiön - MAD). Warum haben wir stattdessen nicht MAS, Mutual Assured Security (Sicherheit auf Gegenseitigkeit)”?

Veränderungen in der „Atom-Doktrin” der USA hat es auch früher immer wieder gegeben: In den fünfziger Jahren galt zunächst die „Strategie der massiven Vergeltung”, die dann vom „Konzept der flexiblen Reaktionen” abgelöst wurde. In den siebziger Jahren wurde dann der Plan für „selektive Einsatz-Optionen” vorherrschend.

Aber zum Unterschied von den Veränderungen der strategischen Konzepte der Vergangenheit, die stets am Grundsatz der „Abschreckung durch Vergeltung” festhielten, geht es heute Reagan um eine wirkliche Revolution: Atomwaffen sollen durch Abwehr, durch einen Schutzschild unschädlich und damit überflüssig werden.

Schon die Entscheidung, ob gegen einen Raketenangriff ein atomarer Gegenschlag geführt wird, muß heute innerhalb von wenigen Minuten gefällt werden. Aber diese Entscheidung obliegt sehr wohl noch dem jeweiligen Präsidenten, keine Frage, daß ein Gegenschlag „von selbst” durchgeführt wird.

Beim „Krieg der Sterne” muß die Entscheidung, ob Laser-Strahlen oder Teilchen-Strahlen zur Raketenabwehr eingesetzt werden, nicht in Minuten, sondern in Bruchteilen von Sekunden getroffen werden. Es kann keine Rede mehr davon sein, für diese Entscheidung einen Präsidenten heranzuziehen. Es sind dann nämlich die Knöpfe, die sich selber abdrücken, um einen Gegenschlag auszuführen.

Auch in der Vergangenheit haben Europäer immer wieder die Angst gehabt, eine Veränderung der jeweiligen* amerikanischen Verteidigungs-Doktrin könnte zu einer Abkoppelung Europas führen. Nunmehr vertreten die einen die Ansicht, die Abschirmung der Vereinigten Staaten von einem möglichen sowjetischen Atomangriff könnte dazu führen, daß die USA an einer Verteidigung Westeuropas nicht sehr interessiert wären. Andere halten dem entgegen, daß die Amerikaner den Europäern dann umso eher zu Hilfe eilen würden, wenn sie dafür nicht mehr die Zerstörung New Yorks oder Chikagos riskieren müßten.

Diese Sandkastenspiele sind wohl deshalb wenig aufschlußreich, weil ein eventueller Einsatz der Amerikaner in Europa sicherlich nicht nach spieltheoretischen Gesichtspunkten entschieden wird, sondern von der politischen Bewußtseinslage abhängig ist.

Eine andere Frage ist die Abkoppelung Europas von der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung, die durch die Strategische Verteidigungs-Initiative gewaltig vorangetrieben wird. Sollten doch durch dieses Projekt wissenschaftliche Durchbrüche erzielt werden, von denen jeder der Erfindung der Atombombe gleichkommt. Wie weit das von den Franzosen vorgeschlagene Projekt „EUREKA” für die Europäer eine mögliche Alternative darstellen könnte, wird die Zukunft zeigen.

Und wir in Österreich?

Soweit in Österreich bisher die „strategische Verteidigungs-Initiative” diskutiert wurde, handelt es sich fast ausschließlich um eine Stellvertreterdiskussion — wurden doch vor allem j ene Argumente wiedergegeben, die in Amerika Antagonisten und Protagonisten entzweien.

Während aber die Amerikaner sehr wohl darüber diskutieren sollten, ob das Projekt vielleicht zu teuer oder überhaupt unbrauchbar ist, es soll ja mit ihrem Geld gebaut werden, wäre es sinnvoll, würden sich die Österreicher den Kopf über für uns relevante Probleme und nicht über jene der Amerikaner zerbrechen.

Was kann Österreich tun, damit sich der bereits vorhandene technische Rückstand nicht weiter vergrößert? Was tun, damit die Hochtechnologie-Forschung nicht weiter abgekoppelt wird? Das französische Projekt „EUREKA” könnte dafür wohl Möglichkeiten bieten, aber bisher wurde unser Land zur Mitarbeit daran •noch nicht eingeladen.

Die Schaffungeines neuen strategischen Systems könnte auch bei uns Anlaß dafür sein, eine umfassende Sicherheitsdebatte zu führen, die über die Lärmbelästigung von Abfangjägern hinausgeht. In den letzten Jahren wurde von der offiziellen Propaganda viel getan, um in Österreich ein „InseKder Seligen)-Bewußtsein” zu entwickeln. Aber ist dies der richtige Weg, den Herausforderungen einer Zeit zu begegnen, die bereits nach den Sternen greift?

Der Autor ist Generalsekretär des OAAB und Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses des Nationalrates.

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