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US-Bürger weiter für militärische Stärke

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Harold Brown (Bild) gilt als einer der führenden amerikanischen Waffen-Experten. Von 1965 bis 1969 war er Sekretär der US-Luftwaffe, unter Präsident Jimmy Carter diente er als Verteidigungsminister. Anläßlich eines Aufenthaltes in Salzburg sprach mit ihm unser Redaktionsmitglied Burkhard Bischof.

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Harold Brown (Bild) gilt als einer der führenden amerikanischen Waffen-Experten. Von 1965 bis 1969 war er Sekretär der US-Luftwaffe, unter Präsident Jimmy Carter diente er als Verteidigungsminister. Anläßlich eines Aufenthaltes in Salzburg sprach mit ihm unser Redaktionsmitglied Burkhard Bischof.

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FURCHE:Das amerikanische Verteidigungsbudget für '83, dem das Repräsentantenhaus erst kürzlich mit großer Mehrheit zugestimmt hat, umfaßt 175 Milliarden Dollar. Zuviel oder zuwenig Geld für die Verteidigung — wie denken Sie darüber?

HAROLD BROWN: Ich glaube, daß sich das Verteidigungsbudget für 1983 in vernünftigen Bahnen bewegt. Sieht man die innenpolitischen Anforderungen an das Budget, das eher große Budget-Defizit—wahrscheinlich 150 Milliarden Dollar für das Steuerjahr 1983 — und weiters die Notwendigkeit, einen politischen Konsens in der Verteidigungspolitik zustandezubringen, so sind dies alles Faktoren, die es schwierig machen würden, noch mehr Geld für die Militärs bewilligt zu bekommen.

Gleichzeitig meine ich, daß das militärische . Gleichgewicht sowohl im strategischen wie im konventionellen Bereich und die Sicherheitslage in Europa, Südwestasien und im Fernen Osten einen weiteren Ausbau der militärischen Fähigkeiten der USA erfordern. Ich glaube nicht, daß da ein geringerer Betrag genügen würde, um alle Erfordernisse erfüllen zu können.

Am Umfang des Verteidigungsbudgets habe ich also nichts besonders auszusetzen. Eine andere Frage ist, wofür das Geld ausgegeben wird. Ich würde es jedenfalls in ziemlich anderer Art und Weise als die jetzige Administration auf die verschiedenen militärischen Bereiche aufteilen.

FURCHE: Betrachtet man nun die immer stärker werdende Friedensbewegung in den USA, die wachsende Zahl von Leuten, die ein sofortiges Einfrieren der Atomwaffenarsenale der Supermächte fordern — Stichwort .JPreeze now!":Ist es da nicht vermessen, noch immer von einem nationalen Konsens hinsichtlich verstärkter Verteidigungsanstrengungen zu sprechen?

BROWN: Meiner Meinung nach gibt es unter der amerikanischen Bevölkerung noch immer eine beträchtliche Mehrheit, die für eine Stärkung der militärischen Macht der USA ist. Unterschiedliche Auffassungen gibt es über den Umfang der Aufrüstung und darüber, wie schnell diese vorangetrieben werden soll. Und natürlich gibt es auch noch eine beachtliche Minderheit, die nicht dafür ist, daß verstärkte Verteidigungsanstrengungen gemacht werden.

Wie auch immer: Die Mehrheit ist für eine Stärkung der Verteidigung; diese Mehrheit ist während der letzten Zeit etwas kleiner geworden, was wohl mit den Budget-Problemen zu tun hat und zu einem gewissen Ausmaß auf die falsche politische Behandlung der

Verteidigungsfragen durch die Reagan-Administration zurückzuführen ist.

FURCHE: Um nun auf ein paar spezielle Punkte in der Verteidigungspolitik der Reagan-Administration zu kommen: Höchste Priorität genießt unter anderem der Ausbau der amerikanischen Seestreitkräfte. Zieht man die Erfahrungen des Falkland-Krieges in Betracht, der die Verwundbarkeit großer Uberwasser-Kriegschiffe so drastisch gezeigt hat — ist da der Ausbau der Navy noch immer realistisch?

BROWN: Ich habe den Ausbau der Navy schon vor den Ereignissen auf und rund um die Falk-land-Inseln für unrealistisch gehalten. Zuerst einmal: Uberwasser-Schiffe sind sehr verwundbar für Angriffe aus der Luft, ich habe das seit Jahren gesagt, und die Ereignisse im Falkland-Krieg kamen für mich deshalb nicht überraschend.

Dieser Umstand erfordert es, mehr Vertrauen in eine größere Zahl von kleineren Schiffen zu setzen und die Luftabwehr-Systeme für die Flotte zu verbessern. Und er spricht eigentlich dagegen, noch mehr große Flugzeugträger zu bauen.

Ich glaube, daß einige große, nuklear-getriebene Träger in der 80.000-Tonnen-Klasse notwendig sind. Aber die USA haben diese ja schön. Die Offensiv-Kraft dieser Träger sollte meiner Meinung nach durch mit konventionellen Sprengköpfen bestückte Marsch-

flugkörper ergänzt werden, die von Schiffen jeder Größe — eingeschlossen kleinere Schiffe wie Zerstörer und Fregatten — aus gestartet werden können.

Die USA müßten sich zur Stärkung ihrer Seestreitkräfte mehr als bisher auf Marineflieger-Stützpunkte an Land stützen, wo immer solche für diesen Zweck verfügbar sind. Der Falkland-Krieg hat wieder einmal gezeigt, daß Uberwasserschiffe sehr verwundbar sind, wenn sie zu nahe in den Einsatzbereich von an Land stationierten Flugzeugen kommen.

Die USA brauchen bestimmt auch weiterhin überlegene Seestreitkräfte. Aber der Ausbau der Marine müßte viel umsichtiger vorangetrieben werden, als dies derzeit geschieht. Ich glaube zum Beispiel, daß es ein Fehler ist, eingemottete Schlachtschiffe wieder in den Dienst zu stellen. Ich glaube weiters, daß es sehr schwierig sein wird, genügend gutausgebü-dete Mannschaften zu bekommen, die mit einer Flotte von 600 Schiffen umgehen können. Meine Devise: die neue Technologie als Ersatz für einige der geplanten neuen Schiffe,

FURCHE: Was denken Sie darüber, wie die Reagan-Administration die Frage der Stationierung der neuen MX-Interkonti-nentalrakete handhabt?

BROWN: Ich glaube, sie hat es noch schwieriger gemacht, diese Rakete zu stationieren. Die Carter-Administration hatte mit dem

„Rennbahn"-System unter der Erde ein Stationierungs-Schema: Es war nicht perfekt, erfüllte aber die militärischen und strategischen Bedingungen für eine landgestützte Rakete. Die Widerstände gegen dieses Stationierungs-System kamen aus der Umweltschutz-Bewegung und hatten lokalpolitischen Charakter.

Die Reagan-Administration kam ins Amt mit einem Wahl-Programm, in dem sie den Verzicht auf dieses Stationierungs-System versprach. Das machte es ihr sehr schwierig, das zu tun, was sie meiner Meinung hätte tun können und müssen: nämlich an dem von der Carter-Administration ausgearbeiteten Stationierungs-Schema festzuhalten.

Ich glaube, daß Reagan bei seinem Amtsantritt einen so starken Rückhalt hatte, der es ihm erlaubt hätte, die politischen Widerstände gegen die Rollbahn-Stationierung zu überwinden. Aber er hat nichts dergleichen getan und er suchte anstattdessen nach einer anderen Art der Stationierung, fand aber keine einzige, die so gut gewesen wäre.

Das ist schade, denn die USA müssen vermeiden, alle ihre strategischen Eier in denselben Korb zu geben. Wir brauchen ein landgestütztes Raketen-System und das Beste wäre eines, das möglichst unverwundbar ist, das nicht leicht überwältigt werden kann. Ich weiß nicht, was in der MX-Frage noch herauskommt. Jedenfalls aber hat es sich die Reagan-Administration in dieser Frage sehr schwer gemacht.

FURCHE:Kommen wir nun zur NATO: Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Krise innerhalb der atlantischen Allianz? Könnte der gegenwärtige Streit in politischen und wirtschaftlichen Fragen, etwa der Disput über das Erdgas-Röhren-Geschäft zwischen Westeuropa und der Sowjetunion, auch Folgen für die militärische Zusammenarbeit innerhalb der NATO haben?

BROWN: Ich glaube, daß dies eine ernste Angelegenheit ist, es ist — wie Bundeskanzler Helmut Schmidt und andere gesagt haben

— ein „Familien-Streit". Aber wie wir alle wissen, können Streitereien in Familien sehr schlimme Folgen haben.

Die USA und Westeuropa brauchen einander gegenseitig — nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern vor allem aus Sicherheitsgrijn-den. Wir können es uns nicht leisten, daß diese Meinungsverschiedenheiten — die sich nicht allein um die Pipeline-Frage drehen, sondern auch den wirtschaftlichen Konkurrenzkampf betreffen — unsere Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen unterminieren. Trotzdem: Die Gefahr ist gegeben, daß dies geschehen könnte. Wir müssen Wege finden, um dies zu verhindern.

FURCHE: Wie beurteilen Sie die Abrüstungspolitik der Reagan-Administration ?

BROWN: Sie hatte einen ausgesprochen schlechten Beginn, weil sie der ganzen Frage der Abrüstung ziemlich negativ gegenüberstand. Aber zum Teil aufgrund der bösen politischen Auswirkungen, die das hatte, hat sie nun einige positive Schritte gesetzt, sowohl mit START als auch mit den Verhandlungen über den Abbau der nuklearen Mittelstrek-kenpotentiale (INF). Es bleibt abzuwarten, wie, ernsthaft diese Verhandlungen betrieben werden

— ich hoffe, sie werden es.

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