6781634-1969_45_14.jpg
Digital In Arbeit

Japaner nach Österreich

Werbung
Werbung
Werbung

JDas japanische Zeitalter“ für Österreich brach anfangs Oktober an. Japan, das in vielen Industriebereichen die deutsche Bundesrepublik von der bisher innegehabten dritten Stelle verdrängen konnte, eröffnete an diesem Tag in Wien die „Jetro“ (Japan Export Trade Organisation) ein Aus- stellungs- und Vertretungslokal gegenüber dem Palais Auersperg. Damit wollten die Japaner aber keineswegs nuir ihre Präsenz auf dem österreichischen Markt beweisen, sondern wie man bereits bei der Eröffnung erfuhr, will man Wien als Brückenkopf für den Handel mit den Ostblockstaaten benützen. Vorerst bewies man eine Überlegenheit vor allem in elektronischen Bereichen, wo innerhalb der letzten.Jahre mit- ungeheurem Tempo sogar die Konkurrenzfähigkeit mit den bis dahin unbestritten führenden Vereinigten Staaten erreicht wurde.

Daß aber die Japaner in Europa und nunmehr auch in Österreich mehr wollten, als nur in technischen Repräsentativschauen ihre Qualitäten in industrieller Hinsicht unter Beweis zu stellen, bewiesen ihre Aktivitäten wenige Tage nach Eröffnung der neuen Organisation in Nachbarschaft des Forum-Kinos in Wien.

• So versuchte man schon bald danach, Kontakte mit der Bundeskarn- tner der gewerblichen Wirtschaft und dem Handelsministerium wegen Einfuhrerleichterungen aufzunehmen,

• Importeure japanischer technischer und elektronischer Waren sowie von Fernseh-, Rundfunk- und

Bürogeräten zeigten auch in den Bundesländern die Überlegenheit und hobef Qualität der japanischen Produkte.

• Handelsdelegierte und Importeure gaben an die Presse Erklärungen ab, daß japanische Waren bei gleicher

Qualität billiger als europäische Importprodukte kämen, wenn man die Zolldiskriminierung beseitigen würde.

• Und schließlich faßte man die Schaffung eines europäischen Zentralbüros sowie zentraler Ersatzteil- lager für technische und elektronische Geräte ins Auge.

Damit sind die Japaner, die schon vor dem zweiten Weltkrieg zu den gefürchtetsten Konkurrenten zählten, auch in Wien und in den Bundesländern erstmals in größerem Umfang in Erscheinung getreten. Wilfried Scharnagl beschrieb die Konkurrenz und Gefahr für Europas Industrie in seinem Buch unter dem Titel: „Japan, die konzertierte Aggression.“ Denn während die Japaner noch vor zehn Jahren mehr als Industriespione und Kopisten europäischer Patente und technischer Kreationen gefürchtet waren, fahren heute „die Europäer nach Japan zum Kopieren“, wie es die deutsche. Wirtschaftszeitschrift „Capital“ in ihrer letzten Nummer unmißverständlich ausdrückte.

Scharnagl räumt in seinem Buch endgültig mit den europäischen Vorstellungen von der japanischen Industrie als Nachahmer europäischen Erfindungsigeistes auf. Spätestens seit die Bundesrepublik vom dritten Platz der Weltwirtschaftsrangliste durch „Nippon“ verdrängt wurde, begann man in „good old Europe“ die Gefahr zu ahnen, die aus dem fernöstlichen Kaiserreich nunmehr kommen könnte. Hatte man durch filmische Produkte und Schauspiele Japan noch immer als Land der Teehäuser und Geishas, der Kirschblüten und Butterfly durch eine rosarote Brille gesehen, so bewiesen Produktionszahlen der letzten Jahre, daß die japanische rosarote Traumlandschaft zu einem Stahlgrau harter Realität géworderi war.

„Sogar für VW aus Japan Gefahr"

Wie sehr sich die japanische Wirtschaft auf expansivem Kurs befindet,

zeigen Zahlen, die von Scharnagl anläßlich einer Japanreise bei japanischen Wirtschaftsstellen ermittelt wurden.

• So wurde die Automobilproduktion von 63.400 Fahrzeugen im Jahre 1945 auf 1965 1,875.000 Autos der verschiedensten Typen erhöht. Und seit dieser Zeit hatten die Japaner in ihrer Automobiilproduktion eine durchschnittliche, jährliche Zuwachsrate von über 20 Prozent.

• Auf dem Transistorsektor holte man die amerikanische Überlegenheit auf, und 1955 wurde das erste Transistorradio japanischer Provenienz auf den Markt geworfen, so ist man heute nicht nur technisch weiter als viele europäische Produkte, sondern auch in hohen Millionenzahlen jährlicher Produktion angelangt.

• In der Computerindustrie schließlich hat man in noch kürzerer Zeit eine Konikurrenzstellung zur amerikanischen Ccmputerweltmacht IBM erreichen können, die dazu führte, daß dieser amerikanische Konzern zwar nach wie vor einen Weltmarktanteil von 70 Prozent hält, auf dem japanischen Markt aber mühsam 30 Prozent innehat. Und nunmehr kommen die Japaner mit ihren Produkten auch auf den europäischen Markt, um hier den sich uneins seienden englischen, französischen, deutschen und skandinavischen Minicomputerindustrien Konkurrenz zu machen.

• Und ähnliche Expansionen schließlich weist auch die konkurrenzlos billige Schiffisbauindustrie Nippons, die Stahlindustrie, die Fürn- und Kameraindustrie und zuletzt auch die Büro- und Schreibmaschinen sowie die Uhrenbranche auf.

Würde die japanische Wirtschaft vordringlich eigene Reserven und

Bedarf im eigenen Land beanspruchen, wäre dies für die westliche Hemisphäre keineswegs beängstigend, so aber nimmt von Jahr zu Jahr der Anteil der Exportgüter der genannten japanischen Bereiche zu. Denn Obwohl Japan heute zu den großen Automobilproduzenten zählt, ist die Zahl der Autofahrer und der zugelassenen Wagen im Land der aufgehenden Sonne geringer als anderswo in Industriestaaten.

Von der Transistorradioproduktion gehen 60 Prozent der gesamten Erzeugung außer Landes, bei den Computern will man in Hinkunft von der jährlichen Erzeugung 80 Prozent allein nach Europa exportieren. Und aus 60 Ländern schließlich kommen heute die Kunden der japanischen S ch if fab au indus tr ie.

Nicht besser steht es um die Kamera-, Photo- und Filmindustrie. Waren früher europäische Qualitätsprodukte auch auf dem amerikanischen Markt beherrschend, so gehen heute 36,6 Prozent der Exporte nach Nordamerika. Bei den Schreibmaschinen schließlich kam 1964 bereits jede zehnte auf dem Weltmarkt verkaufte aus Japan, im Vorjahr bereits jede fünfte.

Wie Scharnagl in seinem Buch aber schließlich feststellt, ist dies nur ein geringer Anfang. Denn 60 km südlich von Tokio errichtet Japans Regierung ein Zentrum der Forschung, wie es nach dem Urteil von US-Wissenischaftlern kein zweites auf der Welt gibt.

Auch aus dem Jetro-Zentrum in Wien hört man die Hoffnung auf Anhalten dieser japanischen Expan- sionswelle: „Wir glauben, daß wir durch die DM-Aufwertung auch auf dem österreichischen Markt bald stärker Fuß gefaßt haben werden.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung