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Gespräche, Tendenzen, Aspekte

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Ende März hat der 47. Genfer Autosalon seine Pforten geschlossen. Er war ein sichtbarer Beweis dafür, daß die Zeit der Verteufelung des Autos vorbei ist, daß man sich nicht nur wieder zum individuellen Verkehr bekennt, ohne Furcht, als rückständig zu gelten, mehr noch, daß man wieder Freude am Autofahren haben darf. Das zeigten die vielen eleganten Coupés, die „Freizeitautos“, die Wagen, die, neben dem Personentransport, durch große Kofferräume, Hecktüren, einzeln umklappbare Fondsitze auch dazu einladen, Sportgeräte und Campingausrüstungen mitzunehmen. Darüber hinaus die exklusiven und dementsprechend teuren Luxus- und Sportwagen, allen voran der aufsehenerregende Porsche 928, die drei neuen Mercedes-Coupés, die Cadillacs und Rolls-Royce, die. Jaguar, von den Spezialkarosserien der Italiener ganz zu schweigen.

Obwohl Autoausstellungen ihren ursprünglichen Sinn verloren haben (die meisten Neuheiten werden schon vor den Terminen beschrieben, vorgestellt, von manchen Experten sogar getestet), erfreuen sie sich großen Zuspruchs seitens der breiten Öffentlichkeit, und der Fachwelt bieten sie sich vor allem als „Ort der Begegnung“, als Gelegenheit, schwebende Fragen zudikutieren.an. Das war auch heuer in Genf der Fall. Eines der Hauptthemen war das Problem der Alternativen zum Benzinmotor. Übereinstimmend wurde festgestellt, daß uns für absehbare Zeit der Ottomotor erhalten bleibt, weder das Elektroauto noch der Heißluftmotor, weder die

Turbine noch die Brennstoffzelle werden, wenn überhaupt, vor der Jahrtausendwende eine echte Konkurrenz darstellen.

Das hat technische Gründe wie beispielsweise die unzulänglichen Batterien für den Elektrobetrieb, und wirtschaftliche, denn auch dort, wo die technischen Probleme gelöst sind, ergeben sich oft Schwierigkeiten, die Kosten für neue Antriebsarten in tragbaren Grenzen zu halten. Der Wankel- und der Schichtlademotor sind weiter im Gespräch, hier ist die Entwicklung noch im Fluß. Große Chancen räumt man dem Dieselmotor ein, seit es Mercedes gelungen ist, diesen auch im Personenwagen (übrigens seit etwa 40 Jahren) salonfähig zu machen und seit VW durch die Pionierleistungen eines österreichischen Ingenieurs, Peter Hofbauer, den Diesel auch für kleinere Hubräume zahlreichen Interessenten schmackhaft gemacht hat. Das Werk kommt trotz eines Ausstoßes von einigen hundert Einheiten pro Tag (augenblicklich rund 300, die auf 500 gesteigert werden sollen) der enormen Nachfrage nicht nach. Der Diesel ist neben seiner Wirtschaftlichkeit (er verbraucht weniger eines bei uns und in manch anderen Ländern billigeren Treibstoffes) auch umweltfreundlich und da sind wir beim zweiten, wichtigen in Genf diskutierten Thema:

Die Gespräche über Umweltschutz werden ohne Emotionen geführt, seit es gelungen ist, die schädlichen Abgase der Autos stark zu reduzieren. Beim Diesel stellt sich dieses Problem nur in Teilbereichen, was ebenfalls für ihn spricht. Die frühere Hysterie in dieser Frage hat nüchternen Überle gungen Platz gemacht, seit man weiß, daß die Autoindustrie erfolgreiche Anstrengungen in dieser Hinsicht gemacht hat, während die beiden anderen Luftverpester, die Industrieanlagen und der Hausbrand, vorläufig noch keine nenneswerten Resultate erzielen konnten. Umweltschutz heißt aber auch Lärmbekämpfung. Sogar hier kann die Autoindustrie mit Erfolgen aufwarten, man denke nur an den kürzlich auch in Österreich vorgestellten Schwerlastwagen Saurer aus dem schweizerischen Arbon, der sich durch ein „Antilärmpaket“ (technische Vorkehrungen am Motor, an der Ölwanne und am Auspuff) auszeichnet, und der es soweit gebracht hat, daß vier Saurer nur den gleichen Krawall machen wie ein einziger, gerade noch den EWG- Normen entsprechender Lastwagen anderer Marken. Auf diesem Gebiet ist ebenfalls eine weitere ständige Verbesserung zu erwarten.

Die Fachwelt beschäftigt natürlich ebenfalls die Frage der Eisstifte in den Reifen: Der Beitrag der Spikes zur Sicherheit ist besonders bei den bei uns häufigsten Temperaturen knapp unter dem Nullpunkt erwiesen, hier sind die Haftreifen unleugbar unterlegen. Die neue Generation von Eisstiften in Textil- und speziell in Stahlgürtelreifen reduziert gegenüber den alten Spikes in Diagonalreifen die früheren Straßenschäden bis zu 90 Prozent. Statt die Spikes zu verbieten, wie es in einigen Ländern bereits geschehen ist, sollten nach Meinung der Experten die Straßenbauer widerstandsfähigere Beläge hersteilen, und der Gesetzgeber sollte sich durch eine klare Stellungnahme (durch Verbot des Bespi- kens von Diagonal reifen, Festsetzung der Dimensionen und Gewichte der Stifte, deren Anzahl pro Reifen) dieses wichtigen Sicherheitsproblems annehmen, wie übrigens auch jüngst auf einer Pressekonferenz der Miba-Sin- termetall aus Laakirchen, dem größten Spikeserzeuger der Welt, gefordert wurde.

Doch zurück zum Genfer Automobilsalon: Ebenso bedeutungsvoll wie neue Modelle und die Diskussionen der Experten zu den geschilderten Fragen sind die technischen Tendenzen, die sich anläßlich von Autoausstellungen durch unmittelbaren Vergleich der neuen Modelle untereinander ablesen lassen. Der weithin sichtbare Trend zur Hecktür setzt sich weiterhin fort, weniger augefällig ist die Wandlung bei den Armaturen. Eine gewisse Standardisierung vollzieht sich in puncto besserer Übersichtlichkeit der Instrumente, leichterer Erreichbarkeit von Hebeln und Schaltern für den angegurteten Fahrer, auch die blendfreie Beleuchtung ist in Mode gekommen. Ob sich die Digitalanzeiger durchsetzen werden, ist die Frage. Die uralten Zifferblätter mit Zeiger sind zweifellos praktischer. Zukunftsweisend sind ferner die zentralen Kontrolleinheiten für den Betriebszustand des Wagens. Hier hat die immer sehr fortschrittliche Marke Citroen seinerzeit eine Pionierleistung gesetzt, BMW hat die Idee aufgegriffen und weiter verbessert. Die Stellung des Wahlhebels bei automatischen Getrieben ist jetzt auch bei Dunkelheit klar erkennbar. Schräggestellte Instrumente erleichtern dem Fahrer das Ablesen.

Noch weniger sichtbar sind die Fortschritte im Motorenbau: Die lärmenden Ketten werden von Zahnriemen verdrängt, mancher Vergaser wird durch die genauer dosierte Einspritzung ersetzt, die auch die Anreicherungsphase beim Kaltstart vermeidet. Die kontaktfreie elektronische Zündung hilft mit, den Neuzustand hinsichtlich Abgaszusammensetzung für lange Zeit zu erhalten. Sogenannte Lambda-Sonden messen die Gaszusammensetzung im Auspuff und melden sie einem Computer, der das Treibstoff-Luftverhältnis den Abgassollwerten laufend anpaßt. Die erwähnten Schichtlademotoren mit teils reichen, teils magerem Gemisch schaffen ebenfalls günstigere Abgaswerte. Zunehmend sind die Sechszylinder in V-Form zu finden, diese Anordnung setzt sich auch immer mehr beim Achtzylindermotor durch. Selbst der alte Vierzylinder wird ständig verfeinert, das Prinzip des Ausgleichs durch Gegengewichtswellen wird vom japanischen Werk Mitsubishi gepflegt.

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