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Genfer Salon und Umweltschutz

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Der Genier Autosalon gilt als der bedeutendste Salon Europas. An der 42. Ausstellung, Mitte März, beteiligten sich 974 Aussteller aus 23 Ländern, davon 72 Hersteller von Personenwagen. Aus Österreich war, wie immer, Semperit würdig vertreten. Alljährlich bietet der Salon auch Attraktionen, die ihm einen besonderen Aspekt verleihen: Heuer stand der Umweltschutz mit einer Sonderschau „Unsere Luft in Gefahr?“ im Vordergrund. Auch die erste internationale Briefmarkenausstellung „Autophilex 72“ zeigte Kollektionen mit dem Thema „Motorfahrzeuge auf Briefmarken“. Von den österreichischen Sammlern wurde Redakteur Siegfried Müller (Bregenz) mit dem Preis der Stadt Genf ausgezeichnet.

Es gab nur wenige echte Neuheiten: So wurde der neue Opel-Commodore vorgestellt. Zwei Versionen gibt es, jeweils als Viertürer und als Coupe mit 2,5-Liter-Sechszylindermotoren (115 beziehungsweise 130 PS). Der neue Commodore ist ein vielversprechender Nachfolger der seit 1967 in fast 160.000 Exemplaren erzeugten Type. Neu für die Salonbesucher, wenn auch nicht für die Fachwelt, waren die Premieren des zweiten Giganten der Weltindustrie: Ford. Das Spitzenmodell Granada und der Consul (ihre Daten dürfen als bekannt vorausgesetzt werden) erregten Bewunderung, ebenso wie ein schnittiger Jensen-Healey oder der neue Monteverdi (Berlinetta Coupe) mit Chrysler-V-8-Motor von sieben Litern der einzige Schweizer Personenwagen, der jedoch in sehr kleinen Stückzahlen für Feinschmecker mit praller Geldbörse gebaut wird.

Um wertvolle Erkenntnisse bereicherte die erwähnte Sonderschau. Auf einer Ausstellungsfläche von 450 Quadratmetern wurde in fünf

Abteilungen zuerst die Rolle der Luft im menschlichen Leben gezeigt, es wurde erklärt, weshalb Motoren die Luft verschmutzen, welche Maßnahmen die Gesetzgeber in der Bekämpfung der Luftverschmutzung vorkehren sollten, ferner wurde bewiesen, was Automobilwerke und die Mineralölindustrie in dieser Richtung bereits geleistet haben — dieser Teil der Schau war entschieden der interessante. Schließlich wurde gezeigt, wie jeder Fahrer durch sein Verhalten und den korrekten Zustand seines Wagens zur Reinerhaltung der Luft beitragen kann. Ferner, daß der Mensch im Ruhezustand pro Stunde 420 Liter Luft einatmet, welche Wechselwirkungen zwischen Mensch und Pflanze (Sauerstoff und Kohlendioxyd) bestehen und daß die Quellen der Luftverschmutzung sich etwa zu gleichen Teilen auf Industrieabgase, auf den Hausbrand und die Kraftfahrzeuge verteilen. Diese Relation gilt für den Sommer — im Winter trägt der Hausbrand sogar mehr zur Vergiftung der Atmosphäre bei, zu Unrecht also wird den Autoabgasen die Hauptschuld in die Schuhe geschoben.

Nur 2,1 Prozent der Auspuffgase sind schädlich, wobei das Kohlen-monoxyd (CO) überwiegend und sogar tödlich sein kann, hingegen sind die Anteile an Stickoxyden und Kohlenwasserstoffen relativ gering, ihre angeblich krebsfördernde Wirkung ebenso wie die Rolle des Bleis sind zur Zeit noch umstritten. Im Mittelpunkt der Sonderschau stand ein USA-Ford, an welchem jene Aggregate gezeigt wurden, die das

Resultat einer 1967 begonnenen Zusammenarbeit zwischen der Ford-Motor Company und der Mobil Oil darstellen. Sie ist eine der bedeutendsten Privatinitiativen, deren Ziel die Entgiftung der Autoabgase ist und die unter der Bezeichnung „Inter-Industry-Emission-Control“ (IIEC) heute neben den beiden führenden Gesellschaften weitere neun Auto-fabriken und ölfirmen aus den USA, Europa und Japan umfaßt. Dazu kommen VW und Toyota als Käufer technischer Berichte, die von dieser Organisation ausgearbeitet werden. Nach intensiver Forschung und zahlreichen praktischen Versuchen hat sich die IIEC auf fünf grundsätzliche Methoden zur Erreichung ihrer Ziele konzentriert, die aus sogenannten „Concept emmission packages“, das heißt aus in Testwagen eingebauten Systemen zur Kontrolle der Abgase bestehen. Sie sind das Ergebnis von 18 verschiedenen IIEC-Programmen, die zu neuen Grundkenntnissen über die Verbrennung, katalytische Reaktionen, die Folge der Luftzufuhr usw. geführt haben. Die bisherigen Erfolge rechtfertigen jedenfalls die von den Mitgliedern bisher investierten Millionen von Dollarbeträgen. Zwar wird die Notwendigkeit weiterer Grundlagenforschung betont, man ist aber immerhin bereits dabei, durch intensive Labor- und Straßentests die Voraussetzungen für die Serienproduktion von Einrichtungen zu treffen, die zu wirtschaftlich tragbaren Preisen Schadenstoffemissionen bei Motorfahrzeugen verhindern. Um den zentralen Blickpunkt der Sonderausstellung „Saubere Luft“, dem von Ford und Mobil

Oil getragenen IIEC-Programm, hatten die Veranstalter auch auf weitere Möglichkeiten zur Luftverbesserung hingewiesen: Auf den Wankelmotor, von dem die Techniker bei Mercedes in bezug auf Serienreife allerdings noch nicht überzeugt sind, auf die Gasturbine, den Stirling-Motor, auf das Elektroauto — die Anfänge dieser beiden Antriebsarten reichen viele Jahrzehnte zurück, ohne daß bisher wesentliche Fortschritte erzielt worden wären.

Objektiverweise schilderte die Sonderschau die Bemühungen der Autoindustrie auch in dieser Richtung (ein BLMC-Elektrowagen war sogar ausgestellt), aber es wurden auch die Nachteile dieser Systeme aufgezeigt: Unwirtschaftlichkeit, hohes Gewicht, geringe Nutzlast, kleiner Aktionsradius, hoher VerVerbrauch. Der Dieselmotor — auch Personenwagen — muß in diesem Zusammenhang lobend erwähnt werden: Er ist besonders umweltfreundlich, seine Abgase enthalten nur ein Zehntel des Kohlenmonoxyds und die Hälfte der Stickoxyde eines gleichstarken Bezin-motors. Gelegentliche Rauchfahnen des Diesels sind lästig und behindern die Sicht, aber sie schädigen kaum die Gesundheit.

Auch der Eidgasantrieb, ferner Zweistoffmotoren, etwa die für Pro-pan-Butan-Gasgemische, die von der Steyr-Daimler-Puch AG entwickelt wurden, sind vieldiskutierte Lösungen, die sich speziell für städtische Verkehrsbetriebe abzeichnen, doch sind noch Schwierigkeiten bei der Betankung der Fahrzeuge zu überwinden. Die überwiegende Mehrzahl der rund 200 Millionen Motorfahrzeuge wird — darüber ist sich die Fachwelt im klaren — noch für viele Jahre hinaus an dem altbewährten Ottomotor festhalten und daher sind die strengen Abgasbestimmungen der Behörden zu begrüßen, ebenso wie die gemeinsamen Anstrengungen der Autoindustrie und der Mineralölgesellschaften, diesen Forderungen gerecht zu werden.

E. W. SCHEDIWY (MPKA)

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