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Aufschub für Autoindustrie?

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Zum viertenmal hat die Aral-Austria österreichische Motorjournalisten zu einem Symposium nach Hofgastein eingeladen. Zwei Experten des Stammwerkes in Bochum, Dr. H. Gondermann und Dipl.-Ing. Günter Seidel, waren gerade von einer mehrwöchigen Studienreise durch die USA zurückgekehrt und schilderten ihre Eindrucke, die sie in Autofabriken, Raffinerien, bei Mineralölgesellschaften und Zubehörstellen, vor allem aber bei der Umweltschutzbehörde (Enviromenal Protection Agency — EPA) gewonnen hatten.

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Zum viertenmal hat die Aral-Austria österreichische Motorjournalisten zu einem Symposium nach Hofgastein eingeladen. Zwei Experten des Stammwerkes in Bochum, Dr. H. Gondermann und Dipl.-Ing. Günter Seidel, waren gerade von einer mehrwöchigen Studienreise durch die USA zurückgekehrt und schilderten ihre Eindrucke, die sie in Autofabriken, Raffinerien, bei Mineralölgesellschaften und Zubehörstellen, vor allem aber bei der Umweltschutzbehörde (Enviromenal Protection Agency — EPA) gewonnen hatten.

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Vor diesen beiden hervorragenden Experten sprach der Ohef von Aral-Austria, H. L. v. Salmuth, über den immer größer werdenden Energiehunger der Welt, die steigende Bedeutung des Erdöls für die Energieversorgung, die Lage auf dem Treibstoffmarkt Im allgemeinen und seiner Gesellschaft im besonderen.

Der Anteil von Normalbenzin geht ständig zurück, derjenige von Super steigt (heute 68 Prozent gegen 65 Prozent im Vorjahr). Aral ist eine tankstellenorientierte Gesellschaft, ihr Marktanteil ist im Steigen begriffen, im Tankstellengeschäft bahnt sich eine Umstrukturierung an, die Einnahmen der Tankstellenpartner verlagern sich immer mehr auf die Umsätze aus den Boutiquen. Diese Minimärkte erfreuen sich großer Beliebtheit und werden daher forciert. Für die kommende Wiener Ausstellung WIG 1974 wird eine Großtankstelle gebaut, von den bestehenden 400 Aral-Tankstellen werden einige ältere durch neue ersetzt. Schließlich wandte sich Salmuth gegen die weitverbreitete Ansicht, die steigenden Benzinpreise und deren Höhe (Österreich liegt im unteren Feld) seien dem Gewinnstreben der ölgesellschaften zuzuschreiben. In Wahrheit ist es Vater Staat, der mit 63 Prozent Steuern und Abgaben am Benzinpreis partizipiert.

Dr. H. Gondermann (Tendenzen bei Treib- und Schmierstoffen) glaubt, daß die Entwicklung auf diesem Gebiet im klassischen Land des Autos in einigen Jahren auch auf Europa übergreifen wird. Zur Zeit findet man überall in den USA neben vollverbleiten Super- und Normaltreibstoffen (Oktanzahl

99/100 bzw. 93/94) die niedrigverbleiten (OZ 92/94 mit einem Gehalt von 0,15 bis 0,20 Gramm pro Liter) und die unverbleiten (OZ 91/92). Die Schädlichkeit von Blei für die Gesundheit von Lebewesen ist umstritten und medizinisch nicht erhärtet, aber dieses Element beeinträchtigt die Wirkung von notwendigen Entgiftungsanlagen in bezug auf andere Schadstoffe, und deshalb wird jetzt schon von der EPA vorgeschlagen, alle Tankstellen von einer bestimmten Größenordnung oder von einem bestimmten Umsatz aufwärts müßten wenigstens eine nied-

verblüffte selbst die Fachwelt. Bei einem Test (100 mögliche Punkte) errang dieser Stahlgürtelreifen 97 Punkte und schlug damit sämtliche Konkurrenzfabrikate. Die nächstbeste Placierung einer deutschen Marke notierte 78 Punkte.

rig- oder unverbleite Treibstoffqualität führen. Hier ergeben sich vorläufig große Schwierigkeiten, denn der amerikanische Autofahrer denkt nicht daran, Benzin von schlechterer Qualität, noch dazu zu einem höheren Preis, zu kaufen. Wird also das bleiarme oder bleifreie Benzin wegen der katalyti-schen oder thermischen Nachver-brenner der schädlichen Autoabgase bereits jetzt forciert, so ist man sich über letztere noch lange nicht einig. Sie halten die ursprünglich vorgeschriebenen 50.000 Meilen (zirka 80.000 km) bisher nicht aus, weshalb die Behörden zurückgesteckt und nunmehr, übrigens ebenfalls skeptisch beurteilte 25.000 Meilen (40.000 Kilometer) stipuliert haben. Ein weiteres Problem: Durch den Einsatz von Nachbrennern steigt der Treibstoffverbrauch bis zu 30 Prozent. Die ohnedies bereits vorhandene Versorgungslücke bei Rohöl würde damit empfindlich vergrößert.

Viele US-Fachleute sind daher der Ansicht, man müßte bis Ende der siebziger Jahre mit dem niedrigverbleiten Benzin das Auslangen finden und erst später auf das unverbleite übergehen, bis die überwiegende Mehrzahl des Wagenbestandes aus Fahrzeugen der neuen Generation besteht. Verbraucherverbände, Umweltschützer, aber auch Motoren-hersteller befürworten die genaue Bezeichnung der Oktanzahlen an den Tankstellen, denn der Autofahrer wird noch lange Jahre hindurch zwischen mindestens drei Treibstoffqualitäten zu wählen haben.

Was nun die Anforderungen an die Schmieröle mit Rücksicht auf die Umweltschutzbestimmungen anbelangt, meint Dr. Gondermann, daß Aschefreiheit der öle und Additive, die den Nachbrennern nicht schaden, notwendig sein werden, aber bisher können keine diesbezüglichen Aussagen gemacht werden, da der endgültige Katalysatortyp noch nicht feststeht. Hingegen wurde auf der Studienreise vermerkt, daß Ford wegen der erwarteten Abgaskontrollen die Ölwechselintervalle von 6000 Meilen (zirka 10.000 km) auf 4000 Meilen (6500 km) herabgesetzt hat.

Ging schon aus diesem zweiten Vortrag eindeutig hervor, daß der Autobeitrieb sowohl in punkto Anschaffung als auch Wartung (teurere Zusatzeinrichtungen, höherer Verbrauch, kürzere Wartungsintervalle) erheblich aufwendiger werden muß, so verstärkte sich dieser Eindruck bei den Ausführungen Diplomingenieur G. Seidels in seinem Referat über „Das Auto am Ende der siebziger Jahre unter dem Einfluß der Umweltschutz- und Sicherheitsgesetzgebung“. Hatte sich sein Vorredner zwar skeptisch, aber doch eher reserviert ausgedrückt, so sprach Seidel ganz offen von „Utopien“, vom „Kind mit dem Bade ausgießen“ und meinte, die Verantwortlichen drüben hätten jahrelang geschlafen und überschritten jetzt mit ihren Forderungen die Grenzen der Vernunft. Noch 1975 soll die erste große Etappe in Umweltschutz- und Sicherheitsmaßnahmen verwirklicht werden, aber bis heute sei — ausgenommen ein paar handgefertigte Automodelle — nichts im Hinblick auf die Großserienfertigung geschehen („statt Airbags sollte man drüben lieber bessere Bremsen bauen!“), und zu allem komme noch die Mentalität des Amerikaners, der nicht daran denke, regelmäßig zum Kundendienst zu fahren und durch diese Schlamperei ein mit Mühe und gewaltigem Aufwand erzieltes „gutes Abgasbild“

seines Fahrzeuges wieder zunichte mache.

General Motors und Ford halten zwar die behördlichen Forderungen für technisch durchaus erfüllbar, aber sie verlangen zu deren Verwirklichung mindestens ein weiteres Jahr Zeit. (Anmerkung der Redaktion: Der Forderung wurde inzwischen stattgegeben.) Chrysler hält die verschärften Forderungen ab 1975/76 für überflüssig, diejenigen für 1973 jedoch für ausreichend.

Geradezu deprimierend wirkten die von Seidel vorigeführten Schaubilder der Einrichtungen zur Erzielung sauberer Luft, welche in den Versuchsfahrzeugen eingebaut sind. Eine unvorstellbare Fülle von Zusatzgeräten, wie Nachverbren-nern, Luftpumpen, Vorverdampfern, Kompensatoren für Luftdruck und

Temperatur am Vergaser, für die Abgasrüekführung ins Ansaugsystem, elektronische Hochleistungszündungen, Kurbelgehäuseentlüftung, Kontrollorgane für Verdampfungsverluste am Tretbstofftank, Regelventile, Sensoren, lassen nicht nur für die entstehenden Anschaffungskosten, sondern auch für die Wartung das Schlimmste befürchten. Das größte Problem sind die Katalysatoren, die für die Nachverbrennungsreaktoren im Auspufl-system erforderlich sind. 800 verschiedene Typen (Granulat- und Monolith typen) wurden untersucht. Der Einsatz von Platin würde wohl die besten Resultate ergeben, aber abgesehen vom Preis dieses Metalls, müßten sich für die USA Schwierigkeiten in der Außenhandelsbilanz ergeben, da Platin nur In Rußland und Südafrika vorkommt.

Neue Vergaser wären für die Erfüllung der Forderungen für 1975/76 erforderlich, weil nur eine präzise Treibstoffzumessunig funktionieren kann, das Luft-Benzin-Verhältnis muß in engstem Bereich gehalten werden, die für diesen Zweck besser geeigneten Einspritzsy3teme werden von General Motors und Ford als zu teuer abgelehnt, man hat nicht einmal Experimente gewagt. Dem Wankelmotor, in dessen Entwicklung GM bereits 250 Millionen Dollar gesteckt hat, räumt man einerseits wegen des geringen OZ-Be-darfs im Bereich unverbleiter Kraftstoffe und wegen seines geringen Raumbedarfs gewisse Chancen ein. Weil der Wankelmotor weniger Platz verlangt, kann man leichter Zusatzeinrichtungen unterbringen. Auch die niedrigeren Fertigungskosten spielen eine Rolle. Hingegen ist diese Motorart für automatische Getriebe weniger geeignet.

Für Personenwagen räumt man dem Dieselmotor drüben keine Chancen ein. Er sei zu schwer, zu groß, zu laut, und es gebe keine Mittel, den Ruß und den üblen Abgasgeruch zu beseitigen. Anderen Antriebsarten, wie Dampfmotor, Stirlingmotor, Elektroantrieb und Turbine, wird zumindest für die nächsten zehn Jahre keine Aussicht auf einen Durchbruch beigemessen, höchstens dürfte der Turbinenantrieb bei Schwerlastwagen einige Zukunft haben.

Zum Schluß streifte Seidel die Sicherheitsvorkehrungen, deren Entwicklung in vollem Gange ist, doch auch hier waren die Prognosen eher pessimistisch, denn die zukünftigen Autos werden nicht nur viel teurer, sondern auch viel schwerer werden, dadurch einen höheren Verbrauch aufweisen und auch eine kostspieligere Wartung benötigen. Alles in allem ein Teufelskreis in der Hexenküche der USrKonstrukture, der schwer zu durchbrechen sein wird.

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