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Preisdämpfer: Neuer Kaskotarif

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Viele Jahre hindurch konnte man Automobile, die Lieblingskinder unserer Wohlstandsgesellschaft, geradezu als Faktor der Preisstabilität bezeichnen. Selbst leichte Steigerungen fielen nicht sehr ins Gewicht, um so mehr, wenn man in Rechnung stellt, daß die Autos immer sicherer, wirtschaftlicher, schneller und schöner wurden. Mit der seinerzeitigen Einführung der zehnprozentigen Sondersteuer — sie wurde glücklicherweise wieder abgeschafft — begann die Unruhe auf dem österreichischen Automarkt. Sie erhielt immer wieder neuen Auftrieb durch die Streikwellen in den Herstellerländern, von Preisstabilität ist längst nicht mehr die Rede.

Aber nicht nur die Anschaffungskosten für Kraftfahrzeuge steigen ständig im Sog der weltweiten Inflation, auch deren Betrieb wird immer teuerer, wobei die Reparaturkosten eine wesentliche Rolle spielen. Letztere setzen sich bekanntlich aus den Sätzen für die Mechanikerstunde und aus den Preisen für Ersatzteile zusammen. Um welche gewaltigen Summen es sich allein auf diesem Sektor handelt, geht aus Studien hervor, welche die österreichische Versicherungswirtschaft erstmals im Jahre 1967 durchführte, um zu erfahren, welche Schäden die Kfz-Haftpflichtversicherungen zu liquidieren hatten. Es zeigte sich, daß damals fast 56 Prozent der Leistungen auf Reparaturen entfielen. Für 1970 ergab sich eine Steigerung auf 62 Prozent. Wenn man noch die entsprechenden Leistungen aus der Kaskoversicherung dazurechnet, dann kommt man auf rund 2,3 Milliarden Schilling, die allein in diesem Jahr von der österreichischen Versicherungswirtschaft für Autoreparaturen ausgegeben wurden. Die Kraftfahrzeugversicherer sind damit — wirtschaftlich gesehen — der größte,Kunde der Werkstätten.

Die Kontrolle der Reparaturrechnungen allerdings führte immer wieder zu Diskussionen über das Ausmaß der für die gleiche Arbeit verrechneten Reparaturzeit, die in einzelnen Werkstätten unterschiedlich war, dazu kam, daß die Kosten der Arbeitsstunde ebenfalls hohe Unterschiede aufwiesen. Schließlich differierten auch die verrechneten Aufschläge auf die Ersatzteilpreise. Die Verhandlungen zwischen den Versicherern und dem Reparaturgewerbe zielten auf Fixpreise für immer wiederkehrende Reparaturen ab. Zwar kam es zu keiner Generallösung, immerhin aber konnten seinerzeit Fixzeiten und eine Begrenzung der Maximalzuschläge auf Ersatzteilpreise vereinbart werden. Das 1969 erzielte Abkommen war allerdings nur eine Teillösung, denn nach wie vor berechneten die Reparateure die Arbeitsstunde verschieden hoch (die Preise schwankten zwischen 100 und' 150 Schilling in der Stunde). Die Situation verschärfte sich durch den Umstand, daß die Ersatzteilpreise stärker stiegen als die Preise für neue Wagen.

Es ist jetzt etwa ein Jahr her, daß die Wellen der Diskussionen über die Unsicherheit auf dem Reparatursektor immer höher schlugen. Die Versicherer konnten nachweisen, daß aus der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung rund 60 Prozent aller Leistungen und aus der Kaskoversicherung rund 85 Prozent für die Liquidation von reparierbaren Schäden ausbezahlt werden. Es waren also Maßnahmen erforderlich, um bei den Ersatzteilpreisen eine dämpfende Wirkung zu erzielen. Der Versicherungswirtschaft kam die Tatsache zu Hilfe, daß der Kaskotarif wegen des ungünstigen Schadenverlaufes neu gestaltet werden mußte. Man ging zunächst davon aus, daß

der Autokäufer Preise und Leistungsdaten verschiedener Autos zwar leicht vergleichen kann, daß es aber wesentlich schwieriger ist, die Angemessenheit der nach einem Unfall zu entrichtenden Reparaturpreise schon beim Kauf des Fahrzeuges abzuwägen. So mußte man einen Maßstab für die „Reparaturfreundlichkeit“ eines Autos schaffen.

Es wurde festgestellt, daß die bei Unfällen immer wieder notwendigen Reparaturen sich rund um das Fahrzeug verteilen. Die Summe dieser im ganzen 19 Reparaturen nannte man „Rundumreparatur“. Für jede Automarke wurde ein Blatt angelegt und der Preis für diese Reparatur in Relation zum Listenpreis des Fahrzeuges gebracht. Der sich ergebende Prozentsatz ist ein Maßstab für die „Reparaturfreundlichkeit“ der einzelnen Type. Es ergab sich, daß innerhalb der zehn Kategorien des Kaskotarifs der Prozentsatz der Reparaturfreundlichkeit vom Listenpreis des Wagens zwischen fünf und 7,1 Prozent schwankt. Der Versicherungsverband veröffentlicht in gewissen Zeitabständen die nach diesem Verfahren ermittelten Relationen, wobei jedem einzelnen Herstellerwerk, respektive dem Importeur, die Möglichkeit offenbleibt, eine Umstufung der Modelle in andere Kategorien zu bewirken, indem Ersatzteilkosten reduziert werden, oder Maßnahmen zu setzen, damit weniger Zeit für bestimmte Reparaturen aufgewendet werden müsse.

Vorweggenommen sei, daß sich dieses System eingespielt hat, nachdem eine ganze Reihe anderer Maßnahmen, die ins Auge gefaßt wurden, entweder von den zuständigen Gremien oder von der Versicherungswirtschaft abgelehnt wurden. So etwa war eine Zeitlang die Rede von Höchstpreisen für gewisse Reparaturen, man sprach auch von einem von der Versicherungswirtschaft eventuell anzustrengenden Musterprozeß. Aus der allgemeinen Schadensminderungspflicht des Geschädigten wollte man seine Verpflichtung ableiten, unter gleichwertigen Werkstätten die billigste für die Durchführung einer bestimmten Reparatur zu beauftragen. Ob die Gerichte diesem Gedankengang gefolgt wären, blieb ungewiß. Jedenfalls wurde vorderhand diese Absicht wieder fallengelassen. Man erwog ferner, nach dem Beispiel der Hotels und Gaststätten, Schilder für

Eine außerordentliche Aktionärsversammlung der Standard Oil Company (New Jersey), der Muttergesellschaft der weltweiten Esso-Or-ganisation, hat in New York die Änderung des Firmennamens beschlossen. Die „Jersey“ heißt ab 1. November 1972 „Exxon Corporation“. Sinn dieses Namenswechsels ist es, die seit Jahrzehnten in den USA häufige Verwechslung zwischen der Standard Oil Co. (New Jersey) und anderen Konkurrenten, die ebenfalls den Namen „Standard Oil“ tragen, aus der Welt zu schaffen. Die Standard Oil Co. (N. J.)war aus diesen Gründen in den Vereinigten Staaten bisher gezwungen, ihre Produkte unter drei verschiedenen Markennamen zu verkaufen.

„empfohlene Werkstätten“ anzubringen; dagegen wehrten sich wiederum die Vertreter der Mechaniker. Eine Zeitlang bestand seitens der Versicherer der Plan, kleinere Mechanikerbetriebe durch Kredite zu unterstützen, da solche Werkstätten nach Ansicht der Versicherungsgesellschaften preisgünstiger als Großbetriebe mit Kundenwarteraum, Espresso usw. arbeiten konnten. Sogar der Gedanke eigener Werkstätten des Versicherungsverbandes (nach schwedischem Muster) wurde in die Debatte geworfen, aber seinerzeit vom Vorsitzenden der Sektion Kraftfahrzeugversicherung im Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, Generaldirektor Doktor Hans Hajek, unter dem Hinweis „Schuster bleib bei deinem Leisten“ entschieden verworfen. Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß es am guten Willen der Verhandlungspartner, eine Lösung zu finden, nicht gemangelt hat.

Umfangreiche, sehr gewissenhaft durchgeführte Erhebungen in den Werkstätten der Bundesländer Österreichs haben ein „Ost-West-Gefälle“ in den den Kunden verrechneten Stundensätzen für Reparaturen ergeben. Erwartungsgemäß sind die Sätze in den klassischen Touristenländern des Westens unseres Landes, aber auch in Kärnten, höher als etwa im Burgenland. Das gleiche gilt von Wien. Aus den festgestellten Durchschnittsstundensätzen in den einzelnen Ländern wird jeweils ein gesamtösterreichischer Mittelwert errechnet. Er belief sich im Jänner 1972 auf 130 Schilling pro Stunde (die Steigerung von Jänner 1971 bis Jänner 1972 betrug 11,8 Prozent), im Zeitraum Jänner bis Oktober 1972 ergab sich ein österreichischer Gesamtdurchschnitt von 143 Schilling pro verrechnete Mechanikerstunde, was einer Steigerung von genau 10 Prozent entspricht. Im folgenden die Tabelle der Reihung von 31 Marken beziehungsweise Typen von bei uns vertretenen Wagen (Kolonne 3 zeigt den Prämiensatz auf Grund der ermittelten „Reparaturfreundlichkeit“ der einzelnen Type). In der letzten Kolonne ist die Kaskoprämie nach der neuen, obenbeschriebenen Methode errechnet, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß die gesetzlichen 7 Prozent Versicherungssteuer hinzugeschlagen wurden.

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