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Versicherungsspiegel

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Nicht allzu wertvoll schätzen die Österreicher ihr ganzes Leben ein; dieser Schluß ergibt sich zwangsläufig aus der Gesamtversicherungssumme von 30 Milliarden Schilling, die sich auf zwei Millionen Versicherungsnehmer aufteilt. Rangierte etwa das Leben in der Kategorie eines Luxusautomobils mit 100.000 Schilling Anschaffungskosten, betrüge die Versicherungssumme immerhin 200 Milliarden und Österreich läge in dieser Sparte nicht in einer der unterentwickeltsten Regionen Europas. Die deutsche Bundesrepublik, Schweiz und Holland sind auch hierin beispielgebend, haben allerdings nicht das Handikap einer Versicherungssteuer von 3 Prozent zu tragen, was nach Ansicht des Vizepräsidenten des Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs, Generaldirektor Dr. Hellmuth Theiss, eine Hauptursache für die eher zaghafte Expansion dieses Zweiges bildet.

In der Kfz-Haltpflichtversicherung

ist die in Europa vorbildliche Institution der Schadensschnelldienste zu erwähnen, die es ermöglichen, bereits zwei Stunden nach einem Unfall Schadenersatz geleistet zu erhalten. Auch bei größeren Schäden läßt die Liquidation nicht allzu lange auf sich warten, was zu dem beachtlichen Schnitt von 70 Prozent innerhalb eines Jahres erledigter Schadensfälle führt. Darüber hinaus ist beachtenswert, daß in dieser betrugsanfälligen Sparte nicht einmal 1 Prozent aller Fälle vor Gericht endet. Ein seit Juli 1968 bestehendes „Betrugsdezernat“ der Versicherungen erstattete im vergangenen Jahr 140 Anzeigen, die fast alle zu gerichtlichen Verurteilungen führten, was darauf hindeutet, daß mit größter Behutsamkeit zu Werke gegangen wird und nur die krassesten Fälle dem Staatsanwalt vorgelegt werden. Man hütet sich wohlweislich vor dem Risiko, in jedem Kunden einen potentiellen Betrüger zu sehen und derart eine ungesunde Basis für aus-

baufähige Geschäftsbeziehungen herzustellen.

Eine „Traum(a)grenze“ ist 1968 in der Versicheruingswirtsohaft gefallen: In zwei Millionen Fällen trat die Leistungspflicht ein, woran erwartungsgemäß der Löwenanteil auf die drei Zweige der Kraftfahrversiche-rung mit rund 779.000 Schäden entfällt, wovon wiederum auf das Konto der Kfz-Haftpflicht 587.000, also mehr als drei Viertel, gehen. Aus dem Titel der Krankenversicherung wurden 574.000 Leistungen registriert, während die Lebensversicherung nur 156.000mal in Anspruch genommen werden mußte. Den stärksten Schadenzuwachs, nämlich um rund 25 Prozent, gab es in der Gruppe Einbruchsdiebstahl, Wohnung-Haushalt und Elektrogeräte, was hauptsächlich auf den „großen Sprung vorwärts“ in der Haushaltsversicherung (40 Prozent) und in der Elektrogerätezusatzver-sicherung (33 Prozent) zurückzuführen ist.

Ein weiteres Entwicklungsgebiet präsentiert sich mit der privaten Unfallversicherung. Während in Österreich noch keine umfassende Statistik über die „Freizeitunfälle“ existiert, ergab eine diesbezügliche Erhebung in deutschen Bundesländern, daß sich rund 70 Prozent aller Unfälle nicht am Arbeltsplatz beziehungsweise auf dem Weg von oder zur Arbeitsstätte ereignen und sich somit tückischerweise außerhalb der Deckungspflicht der Sozialversicherung begeben haben. Rechnet man die ziemlich kärgliche Versorgung des Zwangsversicherten und berücksichtigt, daß nur drei Millionen Österreicher sozialunfailversichert sind, so ergibt sich auf diesem Sektor eine erschreckende Lücke in Anbetracht der insgesamt 700.000 Unfälle, denen jährlich jeder zehnte Österreicher zum Opfer fällt.

Welch bedeutenden wirtschaftlichen Faktor die Versicherungen darstellen, erhellt allein schon aus ihrem Beitrag zur Deckung des Finanzbedarfs der öffentlichen Hand. Ende 1968 waren dem Bund Darlehen und Anleihen in der Höhe von 2,2 Milliarden Schilling, den Ländern und Gemeinden fast 2 Milliarden zur Verfügung gestellt worden. Außerdem partizipierten die Energiewirtschaft mit beinahe einer Milliarde sowie die öffentlichen Wohnungsfonds, Wohnungs- und Siedlungsvereinigungen mit einer dreiviertel Milliarde von der Kapitalkraft der Versicherungen.

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