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Ist der Österreicher sparmüde?

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Angesichts des heuer propagandistisch her- ausgestellten Erreichens der 100-Milliarden- Schilling-Grenze bei den Spareinlagen, die von österreichischen Haushalten und Wirtschaftsunternehmen bei den österreichischen Kreditinstituten insgesamt unterhalten werden, und der Tatsache, daß im Vorjahr das Investmentfondsgesetz nicht zuletzt auch deswegen novelliert wurde, weil durch die besonders aggressiven Werbe- und Verkaufsmethoden ausländischer Investmentfonds bereits beträchtliches österreichisches Sparkapi- tal ins Ausland abgeflossen ist, könnte die Fragestellung nach einer Sparmüdigkeit des Österreichers als unaktuell abgetan werden. Bei näherer Betrachtung der jüngsten Entwicklung muß diese Aussage aber in Teilgebieten revidiert werden.

Zuvorderst ist festzuhalten, daß trotz der sicherlich seit der Währungsstabilisierung in den fünfziger Jahren eingetretene große Aufschwung des Geldsparens bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen wohl absolut zu hohen Zuwächsen bei Kontenguthaben, Versicherungssummen und Wertpapierdepots privater Sparer geführt, daß jedoch die relative Sparneigung des Österreichers noch nicht ganz das international übliche Ausmaß erreicht bat. Daß die absoluten Spar summen, die auf den einzelnen Einwohner im Durchschnitt entfallen, in Österreich zufolge des international weitaus niedrigeren Volkseinkommens und des kleineren materiellen Reichtums niedriger sind als in vergleichbaren anderen Staaten, sollte bei jeder Betrachtung der Zuwächse des österreichischen Sparvolumens nicht aus dem Auge verloren werden. So beträgt das durchschnittliche pro- Kopf-Sparkontoguthaben eines Österreichers rund 15.000 Schilling, die durchschnittliche Lebensversicherungssumme weniger als 5000 Schilling.

Daß sich der Abstand der durchschnittlichen pro-Kopf-Geldersparnisse Österreichs zum entwickelten Ausland im wesentlichen in den letzten Jahren nicht verringert hat, geht allein aus der Höhe der privaten Sparquote hervor. Diese private Sparquote bezieht die Geldersparnisse der privaten Haushalte (Nettoerhöhung der Ersparniss) in ein Verhältnis zum verfügbaren persönlichen Einkommen der Privathaushalte. Sie liegt in Österreich in den letzten 10 Jahren in der Regel zwischen 8 und 9 Prozent, wogegen sie beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland bei 14 Prozent, in Belgien zwischen 10 und 12 Prozent, in Japan nur wenig unter 20 Prozent zu stehen kommt. Da diese Länder zudem noch absolut höhere Pro-Kopf-Einkommen aufweisen, bedeutet eine geringere Sparquote der österreichischen Privathaushalte, von einepi geringeren Einkommen aus berechnet, eine doppelte Verzerrung zu Ungunsten des österreichischen Sparers.

Im Mittelfeld

Nicht zu verwechseln mit diesen auf die privaten Haushalte ausgerichteten Statistiken sind , internationale Vergleiche, welche auf. die insgesamt vorgenommenen Bruttoinvestitio- nen (einschließlich Lageraufstockungen) im Verhältnis zum Bruttonationalprodukt zielen. Hier liegt Österreich mit einer Bruttoinvestitionsrate von ungefähr 25 Prozent im Mittelfeld internationaler Aufstellungen, wenngleich zu sagen ist, daß ein großer Teil dieser Bruttoinvestitionen (stärker als im westeuropäischen und nordamerikanischen Durchschnitt) aus öffentlichem Sparen (Zwangs - sparen im Wege über Steuern und Abgaben) und Abschreibungsbeträgen (durch Wertminderung bestehender Kapitalgüter), aber weniger aus freiwilligen Ersparnissen der privaten Haushalte finanziert wird.

Ein Blick auf die Kapitalmarktstatistiken 1969 zeigt, daß sich die Spartätigkeit zufolge des allgemeinen Konjunkturaufschwunges im Verlaufe des Jahres 1969 durchaus zufriedenstellend entwickelt hat, wenngleich seit der Mitte des Jahres der private Konsum wieder kräftiger zu Lasten der Ersparnistätigkeit belebt war. Die Spareinlagen erhöhten sich insgesamt beim österreichischen Kreditapparat ln den ersten 7 Monaten des Jahres 1969 um 6423 Millionen Schilling und sind damit um fast 2,5 Millionen Schilling höher als der Ein- zahlungsüberschuß auf Sparkonten in den Monaten Jänner bis Juli des Jahres 1968. Ob wohl jedoch die Termin- und Giroeinlagen, insbesondere seit Jahresmitte, und zwar vornehmlich im Zuge der verstärkten Investitionstätigkeit der Wirtschaftsunternehmen, per Saldo nicht mehr so rasch Zunahmen, liegt die Nettoexpansion der gesamten bei Kreditinstituten unterhaltenen Einlagen in der zitierten Zeitspanne noch immer mit knapp weniger als 10 Milliarden Schüling bedeutend höher als in den ersten 7 Monaten des Vorjahres (7,5 Milliarden). Neben dem Kontensparen entwickelte sich auch das Wertpapier- und Versicherungssparen im Verlaufe des Jahres 1969 günstig.

Ein bedenklicher Trend

Von insgesamt im Betrage von 4852 Millionen Schilling auf dem österreichischen Kapitalmarkt in den ersten 7 Monaten des Jahres 1969 emittierten festverzinslichen Wertpapieren (einschließlich Umlaufveränderung der Bankschuldverschreibungen) wurde ein beachtlich größerer Anteil unmittelbar von privaten Haushalten erworben als bei den Vor- j ahresemi ssionen. Besonders rege wurden Investmentzertifikate von Selbständigen- und Unselbständigen-Haushalten im Verlaufe des Jahres 1969 erworben. Darunter spielen die in ausländischen Staaten domizilierten Investmentfonds die weitaus dominierende Rolle. Allein mehr als 2 Milliarden Schilling wurden von Österreichern im ersten Halbjahr 1969 für ausländische Aktien, Investmentzertiflkate und Obligationen an Devisen von der Nationalbank angefordert, wogegen die Kapitalausfuhr aus diesem Titel in den Vergleichsperioden der Vorjahre noch 569 Millionen Schilling (1967) und 1113 Millionen (1968) betragen batte. Gerade die von geschäftstüchtigen Werbemanagern und Vertretern ausländischer Investmentfonds stimulierte Veranlagung österreichischer Spargelder in ausländischen Wertpapieren ist trotz des Prinzips der Freiheit des einzelnen in der Wahl der Sparform gesamtwirtschaftlich nicht unbedenklich, weil einerseits Spargelder in einem Ausmaß ins Ausland abfließen, welche der Finanzierung der inländischen Kapitalbildung sehr abgehen, und weil zweitens die Werbemethoden und Argumente mancher dieser Vertriebsgesellschaften und Investmentfonds durch Hervorstreichung der in den letzten Hausse-Perioden auf ausländischen Wertpapierbörsen erzielten Kursgewinne dem wenig informierten Sparer ähnliche Renditen für die Zukunft versprechen, welche aber nicht einmal mehr im Jahresdurchschnitt der Kursentwicklung des Jahres 1969 realisiert werden können. Der inländische Kreditapparat scheut keinesfalls die ausländische Konkurrenz, sondern muß nur darauf Wert legen, daß der Vertrieb ausländischer Investmentfonds und die steuerliche Belastung der ausländischen Fonds den gleichen Einschränkungen und Belastungen unterworfen wird wie die Zertifikate inländischer Fonds. Dieser Forderung wurde jedoch von der Gesetzgebung bisher nur teilweise entsprochen.

Gerade in den letzten Monaten hat der österreichische Kreditapparat seine Informationsund Beratungsdienste für den privaten Sparer wesentlich ausgebaut. Die Sparkassen sind dazu übergegangen, dem Einkommensempfänger nicht nur die individuell optimale Ansparform oder Sparkomibination anzubieten, sondern ihm auch schon über die wichtigsten Sparzidle Informationen an die Hand zu geben. So beraten die Sparkassen insbesondere über Wohnungsfragen („Sparkassenservice- Wohnung") und über Bildungsprobleme („Sparkassenservice-Ausbildung“).

„Gleichziehen“

Zusammenfassend sei darauf hingewiesen, daß der Österreicher mit zunehmendem nominellen Geldeinkommen und fortschreitender Verbreitung der modernen Dienstleistungen der Kreditwirtschaft stärker als Geldsparer auf treten wird als in der Vergangenheit; daß diese Entwicklung freilich nur ein Gleidi- ziehen mit einem historisch höheren Spar- niveau entwickelter Industriestaaten des Westens bedeuten kann und daß diese erfreuliche Entwicklung zur unbedingten Voraussetzung eine ruhige Fortentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft, im besonderen von Einkommen und Geldwert hat.

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