7036229-1989_49_21.jpg
Digital In Arbeit

205 Milliarden eiserne Reserve

Werbung
Werbung
Werbung

Im kaufmännischen Bereich werden als Risiken ganz allgemein Gefahren bezeichnet, die sich wirtschaftlich ungünstig auswirken. Dem Bestreben, solchen Risiken entgegenzuwirken, entspricht die finanzielle Vorsorge in Form der kollektiven Selbsthilfe durch Versicherung.

Der Versicherer übernimmt gegen Entrichtung von Prämien Risiken und geht damit bewußt Wagnisse ein, von denen sich der Versicherungsnehmer zu befreien sucht.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint es zweckmäßig, die Erscheinungsformen der Versicherung auf die Art des Schadens abzustellen. Demnach kann die reichhaltige Angebotspalette der Versi-cherungsunternehmen Österreichs einerseits in eine Gruppe systematisiert werden, die auf die Deckung von Schäden durch Zerstörung, Beschädigung oder den Verlust von Gütern (Güterversicherung) abzielt und andererseits in eine Gruppe, die auf die Deckung unvorhergesehener Aufwendungen (Aufwandsversicherung) oder Einkommensausfällen (Ertragsversicherung) ausgerichtet ist.

Bei abstrakter Bedarfsdeckung ist die Entschädigung unabhängig von der Höhe des wirklichen Schadens (Summenversicherung), bei konkreter Bedarfsdeckung ist das Interesse meßbar und die Entschädigung daher eine Funktion des tatsächlichen Schadens (Interessenversicherung). Wechselseitige Überschneidungen verschiedener Versicherungszweige lassen sich nicht vermeiden.

Im Bereich der Summenversicherung dominiert die Ertragsversicherung (wie zum Beispiel die Lebensversicherung), dem Bereich der Interessenversicherung sind die Aufwands- und die Güterversicherung (wie zum Beispiel die Schaden-, die Unfall- und die Krankenversicherung) zuzurechnen.

Die folgenden Untersuchungen behandeln daher, soweit es notwendig erscheint, die Lebensversicherung und die Nicht-Lebensversicherung getrennt.

Das gesamte Inlandsprämienvolumen der österreichischen Privatversicherer hat sich innerhalb von zehn Jahren (1979 bis 1988) mehr als verdoppelt (Index 1988: 220); die Wachstumsraten lagen stets über jenen des Bruttoinlandsproduktes (Index 1988:171). Die Versicherungsquote, verstanden als Verhältnis von Prämienvolumen zu BIP erhöhte sich demnach von 3,91 Prozent auf 5,04 Prozent. Besonders stark hat sich in diesem Zeitraum die Lebensversicherung entwickelt, deren Prämienvolumen von 8,7 Milliarden Schilling (1979) auf 25,4 Milliarden Schilling (1988) anstieg, was einem Index von 292 entspricht. Der Anteil der Lebensversicherung am Gesamtprämien-volumen belief sich 1979 auf 24,2 Prozent von insgesamt 35,9 Milliarden Schilling und beträgt 1988 bereits 32,1 Prozent von insgesamt 79,1 Milliarden Schilling. Auf Fürifjahreszeiträume bezogen lag die mittlere Wachstumsrate der Prämieneinnahmen in den abgelaufenen fünf Jahren mit rund neun Prozent mit etwa 0,5 Prozentpunkten über dem Wert der Vorperiode. Hiebei ist festzustellen, daß der besonders starke Prämienzuwachs in der Lebensversicherung das abgeschwächte mittlere Wachstum der Nicht-Lebensversicherung mehr als aufgefangen hat.

Die österreichischen Privatversicherer veranlagten im Jahr 1988 rund 205 Milliarden Schilling; von diesen Kapitalanlagen entfielen 131 Milliarden Schilling oder 64 Prozent auf die Lebensversicherung, wodurch die Bedeutung dieses Versicherungszweiges als Kapitalsammelbecken der österreichischen Wirtschaft besonders unterstrichen wird. Mehr als 45 Prozent der gesamten Kapitalanlagen entfielen auf Schuldverschreibungen und Darlehen an den Bund sowie an Länder und Gemeinden.

Auf die mittleren Kapitalanlagen konnten im Jahr 1988 Finanzerträge (Nettovermögenserträge inklusive von Gewinnen und Verlusten aus Kapitalanlagen) von rund 14 Milliarden Schilling erzielt werden, was einer Rendite von knapp sieben Prozent entspricht. In den abgelaufenen fünf Jahren sind die Renditen um etwa einen Prozentpunkt gefallen. In der Lebensversicherung lagen die Renditen jeweils um weniger als einen halben Prozentpunkt höher. Die tendenziell rückläufigen Renditen führten zu einer relativen Schmälerung der Finanzerträge, was sich naturgemäß auf die Ge-samterträge (Summe von Prämien-, Finanzund anderen Erträgen) entsprechend auswirkte und damit auch die Gewinnlage beeinflußt hat.

Die erwirtschafteten Rohgewinne insgesamt, definiert als Saldo von Gesamterträgen und Gesamtaufwendungen (Summe von Versicherungsleistungen, Betriebs- und anderen Aufwendungen), stiegen im Jahr 1988 absolut und relativ. Der über alle Gesellschaften kumulierte Rohgewinn 1988 belief sich auf mehr als neun Milliarden Schilling, was gemessen an den Gesamterträgen einer Umsatzrentabilität von rund acht Prozent (in der Lebensversicherung 16 Prozent) entspricht. Vom gesamten Rohgewinn würden dem Äquivalenzprinzip entsprechend mehr als 65 Prozent in Form von Gewinnbeteiligungen an die Versicherungsnehmer ausgeschüttet; von dem auf die Lebensversicherung entfallenden Rohgewinn von fast sechs Milliarden Schilling wurden beinahe 90 Prozent an die Versicherungsnehmer rückgeleitet.

Die Umsatzrentabilität hat sich gegenüber den letzten Jahren insgesamt wieder verbessert; ebenso ist die Gesamtkapitalrentabilität, verstanden als Verhältnis von Rohgewinnen zu Bilanzsumme (Summe von Eigen- und Fremdkapital), wieder auf knapp vier Prozent angestiegen. Der Anteil des sichtbaren Eigenkapitals an der Bilanzsumme erhöhte sich in fünf Jahren von 7,3 Prozent auf acht Prozent, was einer Eigenkapitalquote, gemessen am Prämienselbstbehalt von 26 Prozent (gegen 20 Prozent im Jahre 1984) entspricht. Dieser sukzessiven Stärkung der Eigenmittel kommt im Hinblick auf die Solva-bilitätskriterien (Vorschriften über die Kapitalausstattung im Sinne der EG-Richtlinien) besonderes Gewicht zu.

Die Bedeutung der österreichischen Privatversicherer als Wagnisträger einerseits und als Kapitalanleger andererseits ist unbestritten. Dasüberdurchschnittliche Wachstum dieses Wirtschaftszweiges (insbesondere der Lebensversicherung) hat aber auch zu einem entsprechenden Anstieg versicherungstechnischer Aufwendungen (Versicherungsleistungen, Zuwächse zu technischen Reserven) geführt. Der Zuwachs betrieblicher Aufwendungen für den Versicherungsabschluß und die Verwaltung hielt sich in Grenzen, sodaß der gesamte Betriebsaufwand, gemessen am erzielten Prämienvolumen, seit Jahren fallende Tendenz hat. Insgesamt haben sich daher die technischen Ergebnisse verbessert und somit einen Ausgleich zu den langsamer gewachsenen Finanzerträgen geschaffen.

Der Autor ist Mitglied des Vorstandes der Volksfürsorge-Jupiter Allgemeine Versicherungs AG und Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung