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Die Wirtschaft braucht Herrn „Sparefroh“

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Die Schlacht um den Weltspartag ist geschlagen. Viele Tonnen kleiner Aufmerksamkeiten sind verteilt und mittlerweile wahrscheinlich irgendwo in den Schubladen verschwunden. Der zum 52. Mal abgehaltene Werberummel um die Gunst der heimischen „Sparefrohs“ bietet einen Anlaß, grundsätzliche Reflexionen zum Thema Sparen anzustellen. Vorweggenommen: es kann kein Zweifel bestehen, daß das Sparen nach wie vor — um ein nicht sehr modernes Wort zu verwenden — eine Tugend ist, und zwar eine höchst persönliche.

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Die Schlacht um den Weltspartag ist geschlagen. Viele Tonnen kleiner Aufmerksamkeiten sind verteilt und mittlerweile wahrscheinlich irgendwo in den Schubladen verschwunden. Der zum 52. Mal abgehaltene Werberummel um die Gunst der heimischen „Sparefrohs“ bietet einen Anlaß, grundsätzliche Reflexionen zum Thema Sparen anzustellen. Vorweggenommen: es kann kein Zweifel bestehen, daß das Sparen nach wie vor — um ein nicht sehr modernes Wort zu verwenden — eine Tugend ist, und zwar eine höchst persönliche.

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Gesamtwirtschaftlich betrachtet, ermöglichen die vielen „kleinen“ Sparer, daß die als Kapitalsammelstellen zwischengeschalteten Kreditinstitute volkswirtschaftliche Produktivkräfte in Form von Krediten der Wirtschaft zur Verfügung stellen können.

Bekanntlich war die Situation des österreichischen Kreditapparates während der letzten beiden Jahre durch eine deutliche Überliquidität gekennzeichnet; es wurden sogar Stimmen laut, die meinten, daß „zuviel“ gespart werde, ja daß die Bevölkerung mehr konsumieren müsse, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Diesen und ähnlichen Meinungen liegt die offensichtlich unausrottbare Vorstellung zugrunde,Sparen könne einen Konjunkturaufschwung verhindern.

Dazu kommen noch die Bemühungen nicht nur des Kreditapparates im Bereich der Sparerziehung, die durch eine Antispargesinnung unglaubwürdig und trotz jahrzehntelanger Aufbauarbeit zugrunde gerichtet würden. Über die langfristigen Trends in der Spareinlagenentwicklung in Österreich gibt eine interessante Studie von DDr. Wolfgang Müller (Hauptverband der österreichischen Sparkassen) Auskunft. Eine spezielle Untersuchung dieser Studie unterteilt die letzten zwanzig Jahre gemäß dem Sparverhalten in fünf verschiedene Phasen:

• 1954 bis 1960: Aufbauend auf einem relativ niedrigen Spareinlagenniveau in der unmittelbaren Nachkriegszeit, zeigten sich in dieser Periode sehr starke Zuwachsraten, die einen Jahresdurchschnitt von 26 Prozent ergaben (damals jedoch lag — man kann es heute kaum mehr glauben — die durchschnittliche jährliche Inflationsrate bei 2 Prozent).

• 1961 bis 1970: Die Zuwachsraten der Spareinlagen liegen bei 15 Prozent, der Anteil der längerfristig gebundenen Einlagen steigt auf 27,2 Prozent.

• 1971 bis 1975: In den Jahren der Hochkonjunktur bleibt die Zuwachsrate auf 15 Prozent, gegen Ende der Periode waren bereits 44,5 Prozent der gesamten Spareinlagen in irgendeiner Form gebunden.

• Im Jahr 1974, dem Jahr der höchsten Inflationsrate nach 1945 (9,5 Prozent), hielt sich die Zuwachsrate der Spareinlagen immerhin auf 13,3 Prozent, dem Niveau des Jahres 1974.

• Im ersten Halbjahr 1976 zeichnete sich wieder ein leicht rückläufiger Trend auf dem Sparsektor ab.

Die Sparquote (verfügbares Nettoeinkommen minus Konsum) ist in Österreich nach wie vor relativ hoch und hält heute bei rund 13 Prozent. Zum Vergleich: 1954 betrug die Sparquote nur 4,5 Prozent.

Was bedeutet es nun, wenn die staatliche Sparförderung mit 1. Jänner 1977 nun eine wesentliche Reduktion erfahren wird. Der Finanzminister erklärte vor kurzem, man denke zwar in dieser Legislaturperiode an keine weitere Reduktion oder gar an eine Abschaffung. Er meinte aber, langfristig gesehen müsse man noch darüber reden. Die Sparförderung sei seinerzeit eingerichtet worden, um Impulse zu geben und eine Erziehungsfunktion auszuüben; dies sei jetzt nicht mehr notwendig, so daß auf die Zuschüsse verzichtet werden könne.

Dem gegenüber stehen dringende Bedürfnisse der Wirtschaft, wie dies Giro-Generaldirektor Dr. Karl Pale auf einer Pressekonferenz darlegte. Er hob insbesondere hervor, es werde eine wesentliche Aufgabe für den Kreditapparat sein, in den nächsten Jahren längerfristige Mittel zu einem langfristig festen Zinssatz der Wirtschaft und der öffentlichen Hand zur Verfügung zu stellen.. Dazu bedarf es aber eines erheblich größeren Teils längerfristig gebundener Ersparnisse. Diese Aussage steht im Einklang mit den Bemühungen der österreichischen Sparkassen, den Sparer mehr für das längerfristige und auch für ihn ertragreichere Sparen zu interessieren (Bausparen, Wertpapiere, Anleihen usw.).

Nach Ansicht der Banken ist das Volumen langfristiger Mittel trotz der Erfolge der letzten Jahre immer noch viel zu gering. Die Förderung langfristigen Sparens wird weiterhin eine wichtige Aufgabe sein, die ohne zusätzliche Stimulantien wohl kaum gelöst werden kann.

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