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Auf den tiefsten Stand seit rund zweieinhalb Jahren ist die Inflationsrate in Österreich gesunken. Sie lag im November bei 7 Prozent und dürfte für das ganze Jahr 1975 einen durchschnittlichen Wert von etwa 8,5 Prozent erreichen. Aus Österreichs nördlicher und westlicher Nachbarschaft werden noch günstigere Meldungen von der Inflationsfront gemeldet: In der Bundesrepublik Deutschland betrug im November 1975 der Verbraucherpreisindex 5,4 Prozent, in der Schweiz fiel er auf den tiefsten Stand seit Juli 1970, auf 3,7 Prozent. Damit hat sich der Abstand an relativer Stabilität zu den beiden wichtigsten Handelspartnern vergrößert, gegenüber dem gesamten OECD-Raum — und das ist tröstlich — dagegen ein wenig verkleinert.

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Auf den tiefsten Stand seit rund zweieinhalb Jahren ist die Inflationsrate in Österreich gesunken. Sie lag im November bei 7 Prozent und dürfte für das ganze Jahr 1975 einen durchschnittlichen Wert von etwa 8,5 Prozent erreichen. Aus Österreichs nördlicher und westlicher Nachbarschaft werden noch günstigere Meldungen von der Inflationsfront gemeldet: In der Bundesrepublik Deutschland betrug im November 1975 der Verbraucherpreisindex 5,4 Prozent, in der Schweiz fiel er auf den tiefsten Stand seit Juli 1970, auf 3,7 Prozent. Damit hat sich der Abstand an relativer Stabilität zu den beiden wichtigsten Handelspartnern vergrößert, gegenüber dem gesamten OECD-Raum — und das ist tröstlich — dagegen ein wenig verkleinert.

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Für 1976 rechnet man in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz mit einer weiterhin stark sinkenden Tendenz in der Preisentwicklung: die Deutschen wollen unter die 5-Prozent-Inflationsmarke sinken, die Schweizer hoffen gar auf einen Wert unter 4 Prozent. Finanzminister Androsch rechnet für öster-mit einer Inflationsrate von 7,5 Prozent, wobei der starke Angebotsdruck von einer Tarif-, Preis- und Steuerlawine der öffentlichen Hand weitgehend paralysiert werden dürfte. Immerhin: SPÖ-Obmann Kreisky kann sich freuen — die Inflation geht, wie er es vor dem 5. Oktober versprach, zurück.

Der Finanzminister hat 1976 als „Jahr der Erholung“ proklamiert. Ganz allgemein rechnet man im kommenden Jahr mit einer Verstärkung der Aufschwungtendenzen. So wie die Situation heute zu beurteilen ist, werden die USA im weltweiten Aufschwung die Pool-Position einnehmen; Japan, die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich werden folgen. Großbritannien und Italien — aber auch Österreich — dürften von diesem Aufschwungssog dagegen 1976 noch nicht viel profitieren. Selbst mit der sehr optimistisch geschätzten realen Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von 1,5 Prozent würde Österreich 1976 im letzten Drittel des Wirtschaftswachstums in den OECD-Staaten liegen. Das ist der Preis für verhältnismäßig milde Rezessionen: ein schwacher Abschwung ins Tal der wirtschaftlichen Entwicklung bremst die Energie für eine schwungvolle Bergfahrt zum Gipfel. Dieser Verzögerungseffekit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Struktur Österreichs: Hier nimmt die Industrieproduktion einen verhältnismäßig bescheidenen Rang ein; sinkt die Industrieproduktion (im laufenden Jahr um etwa 7 Prozent), so ist das gesamte Wirtschaftswachstum davon nicht so intensiv betroffen wie etwa im Industriestaat Deutschland.

Entscheidend für die Dauerhaftigkeit des im nächsten Jahr einsetzenden Wirtschaftsaufschwungs wird aber in erster Linie die Frage sein, ob es gelingen wird, ihn weitgehend inflationsfrei zu halten. So gut das in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland zu gelingen scheint, so problematisch liegen hier die Dinge in Österreich. Immerhin wurde mit Wirkung 1. Jänner 1976 der Mehrwertsteuersatz empfindlich — von 16 auf 18 Prozent — erhöht, hat die Post ihre Tarife bis zu 100 Prozent höher angesetzt, steht eine saftige Benzinpreiserhöhung ins Haus, dürfte der Strompreis steigen usw. Wahrscheinlich wäre der Verbraucherpreisindex ohne diese inflationsträchtigen Maßnahmen unter die 6-Prozent-Grenze im kommenden Jahr gefallen.

Im „Jahr der Erholung“ rechnet Finanzminister Androsch schließlich auch mit durchschnittlich sechzig bis achtzigtausend Arbeitslosen, das entspricht einer Arbeitslosenrate von 2 bis 3 Prozent. Mit diesem Satz dürfte Österreich auch im nächsten Jahr unter der bundesdeutschen Rate liegen. Glaubte man freilich noch vor wenigen Monaten, daß bereits ab Mitte 1976 die Arbeitslosenrate wieder stark fallen werde, so fürchtet man heute, daß eine für Österreich verhältnismäßig hohe Arbeitslosigkeit das große Problem der zweiten Hälfte der siebziger Jahre sein wird.

In der aktuellen Situation ist die österreichische Wirtschaft dazu verhalten, auf einen weltweiten Aufschwung zu hoffen, um davon im nächsten Jahr auch ein wenig profitieren zu können. Diesen Aufschwung aus eigener Kraft zu schaffen, ist unmöglich geworden, weil die privaten und öffentlichen Unternehmen, vor allem aber die öffentlichen Hände in Bund, Ländern und Gemeinden in der Rezession zuviel Substanz haben abgeben müssen.

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