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Mit Keynes gescheitert

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Ein Konjunkturprogramm frei nach Keynes hat die sozialistisch-kommunistische Regierung Frankreich verordnet, und ist damit so gut wie gescheitert.

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Ein Konjunkturprogramm frei nach Keynes hat die sozialistisch-kommunistische Regierung Frankreich verordnet, und ist damit so gut wie gescheitert.

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Die Regierung Barre hatte seit 1976 versucht, einige grundsätzliche Reformen der französischen Wirtschaft einzuleiten. Hauptziel war die Restruktierung der französischen Industrie durch eine verbesserte Ertragslage der Unternehmen. Die Barresche Regierung konnte vor dem Wahlsieg der Sozialisten 1980 folgende Ergebnisse vorweisen:

# Ein Budgetdefizit von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von rund dreißig Milliarden Francs

# einen stabilen französischen Franken trotz einer defizitären

Leistungsbilanz (1980: vier Milliarden Dollar) als Folge der zweiten Erdölkrise

# eine Auslandsverschuldung von weniger als zwanzig Milliarden Dollar, rund 3,5 Prozent des BIP, und eine geringe Staatsverschuldung

# einer äußerst aktiven staatlichen Energiepolitik war es gelungen, die starke Erdölabhängigkeit Frankreichs von rund siebzig Prozent im Jahre 1973 auf fünfzig Prozent seines Energiebedarfes im Jahre 1981 zu verringern. Vierzig Prozent der französischen Stromversorgung kommen aus

•Kernkraftwerken.

Hingegen stiegen die Verbraucherpreise (12,5 Prozent) und Nominallöhne während dieser Zeit stark, und die Arbeitslosenzahl erreichte im Frühjahr 1981 1,8 Millionen oder sieben Prozent der Erwerbstätigen.

Die sozialistisch-kommunistische Regierungskoalition versuchte unmittelbar nach ihrem Wahlsieg ein Konjunkturprogramm nach keynesianischem Muster zu realisieren.

Uber die Ausweitung des privaten Verbrauchs durch Anhebung der Mindestlöhne und der sozialen Transferzahlungen sollte ein Aufschwung eingeleitet und die Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Da nur ein geringer Teil der steigenden staatlichen Ausgaben durch höhere Steuern, darunter eine neue Vermögenssteuer, finanziert werden konnte, nahm das Budgetdefizit stark zu. Es stieg 1981 auf 1,6 und 1982 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Investitionen wurden über den Haushalt und durch Zinssubventionen begünstigt.

Das Konjunkturprogramm scheiterte weitgehend. Zwar stieg der private Verbrauch und auch das reale Bruttoinlandsprodukt, die Belebung führte aber nicht zu Produktionszuwächsen, sondern zu einer Ausweitung der Importe. Die Investitionen haben sich nicht belebt, sondern haben real abgenommen, besonders in der Industrie (1982 - zu fünf Prozent). Die Handels- und Leistungsbilanz verschlechterten sich rapide und waren von Mitte 1981 bis Mitte

1982 um 14 Milliarden Dollar bzw. 10 Milliarden Dollar defizitär. Eine starke Kapitalflucht setzte ein. Die Finanzierung des Defizites und die Verteidigung des Franken ließen die Außenverschuldung ansteigen. Sie lag im Frühsommer

1983 bei fünfzig Milliarden Dollar. Die Maßnahmen zur Arbeitsumverteüung (39-Stunden-Woche, Einführung der 5. Urlaubswoche, vorgezogenes Rentenalter) haben die Arbeitslosigkeit 1982” um die zwei Millionen stabilisiert. Gleichzeitig stiegen jedoch die Lohnkosten um 15 bis 17 Prozent und beeinträchtigten die Wettbewerbsfähigkeit. Trotz eines Lohn- und Preisstopps von Mitte 1981 bis Mitte 1982 stieg die Inflation deutlich (1981 - 14,6 Prozent) an.

Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Indikatoren zwang die Regierung ab Juni 1982 schrittweise zu einer Kursänderung. Im Rahmen von zwei „plans de rigueur” wurden unter anderem der Franc um insgesamt etwa 20 Prozent abgewertet, die Sozialversicherungsbeiträge angehoben und Zwangsersparnisse der privaten Haushalte im Wege über eine dreijährige Zwangsanleihe eingeführt und die staatlichen Tarife erhöht. Uber den Erfolg des Sanierungsprogrammes läßt sich noch kein endgültiges Urteil abgeben, wenngleich Indikatoren für Ansätze einer Verbesserung der Wirtschaftslage vorliegen. Eindeutig verbessert hat sich die außenwirtschaftliche Lage (Handelsbilanzdefizit soll 1984 bis 25 Milliarden Francs liegen). Auch die Inflationsrate (1984 voraussichtlich + sieben Prozent) ist gesunken, wenngleich sie nach wie vor über jener der meisten anderen Industrieländer liegt. Trotz einer Fülle beschäftigungspolitischer Maßnahmen ist es nicht gelungen, das Problem der wachsenden Arbeitslosigkeit zu bewältigen. Allein von Mitte 1983 bis Mitte 1984 wurden weitere 200.000 Beschäftigte in der Industrie freigesetzt.

Die Regierung unter dem neuen Premier Ministre Laurent Fabius sieht eines ihrer wichtigsten Ziele in der raschen Modernisierung der Industrie.

Frankreich ist am Industriesektor in einigen Technologiebereichen besonders konkurrenzfähig (Luftfahrt, Telekommunikation, Biochemie).

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Frankreich und Österreich haben sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Frankreich ist mit einem Außenhandelsvolumen von 24,7 Milliarden Schilling im Jahre 1983 einer unserer bedeutendsten Handelspartner. Das vor wenigen Jahren noch überdimensionale Handels-büanzdefizit zuungunsten Österreichs konnte wesentlich verringert werden. Während der ersten zehn Monate dieses Jahres stiegen Österreichs Ausfuhren nach Frankreich neuerdings um 15,2 Prozent, während die französischen Lieferungen nach Österreich lediglich um 4,2 Prozent wuchsen.

Der Autor ist österreichischer Handelsdelegierter in Paris.

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