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Die dänische Wunderkur

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Palle Simonsen, Dänemarks konservativer Finanzminister, hätte sich mehr Aufmerksamkeit erwartet. Doch als er Mitte August den Haushalt für das nächste Jahr vorlegte und darauf hinwies, daß dies das erste Budget seit fünfzehn Jahren ohne rote Zahlen war, da galt das Interesse der Wirtschaftsjournalisten einer ganz anderen Bilanz.

Tags davor waren neue alarmierende Zahlen für den dänischen Außenhandel veröffentlicht worden. Palle Simonsen konnte sie als Demonstrationsobjekt benützen, als er erklärte, der Uberschuß im Staatshaushalt dürfe niemanden glauben machen, daß Dänemark jetzt die Zügel schießen lassen könne.

Auch wenn die Handelsprobleme ungelöst sind: daß es ihr gelungen ist, innerhalb von nur vier Jahren das Budget zu sanieren.kann Dänemarks bürgerliche Minderheitsregierung ganz oben auf ihre Erfolgsliste schreiben. Es gelang ihr schneller, als sie es selbst erwartet hatte.

Als der konservative Poul Schlüter im September 1982 in Dänemark das Steuer übernahm, gelobte er, den Staatshaushalt bis Ende des Jahrzehnts aus den roten Zahlen geführt zu haben. Doch schon 1986 dürfte bei Jahresschluß ganz unprogrammgemäß ein kleines Plus in den Bilanzen stehen.

Um dies zu würdigen, ist ein Blick zurück notwendig. Als Schlüters sozialdemokratischer Vorgänger Anker Jörgensen im Herbst 1982, ohne Neuwahlen auszuschreiben, die bürgerlichen Parteien ans Ruder ließ, lag ein Haushaltsvoranschlag auf dem Tisch, dessen Defizit umgerechnet 150 Milliarden Schilling betrug. Das waren fast 15 Prozent des Bruttosozialprodukts. Auch Jörgensen wußte, daß dieses Defizit unhaltbar war. Zu seiner Verminderung schlug er vor, die Zinseinnahmen der bis dahin steuerfreien Pensionsversicherungsgesellschaften zu besteuern.

Die bürgerlichen Parteien nannten den Vorschlag „Diebstahl an den Pensionisten“ und verweigerten ihm ihre Zustimmung. Jörgensen trat zurück, Schlüter wurde Ministerpräsident.

Noch ehe das Jahr um war, hatte die neue bürgerliche Regierung den Haushalt für das kommende Jahr so zusammengestrichen, daß das Defizit „nur noch“ 102 Milliarden Schilling betrug. Sie hatten Sozialausgaben, Krankengeld und Arbeitslosenbeihilfe eingefroren und die Indexierung der Löhne außer Kraft gesetzt.

Den größten Beitrag zur Budgetsanierung aber lieferte — die Zinssteuer für die Pensionsversicherungsanstalten. Die gleichen Parteien, die eben noch die Sozialdemokraten über diese Steuer stolpern ließen, führten sie wenige Monate später selbst ein.

Doch auch die 54 Milliarden Kronen Defizit des Jahres 1983 — elf Prozent des Bruttonational-produktes — waren unannehmbar hoch. Schon drei Jahre später aber war das Minus ausradiert. Finanzminister Simonsen nennt dafür zwei Hauptgründe:

Das „durch die Wirtschaftspolitik der Regierung begünstigte starke Wirtschaftswachstum“, das sich in höheren Steuereinnahmen auswirkte, und die „konsequente Ausgabenpolitik“.

Die Regierung verhängte für die öffentlichen Ausgaben ein „Nullwachstum“. Die Lasten dafür haben die Gemeinden zu tragen, die, wenn sie dringend notwendige Bauprojekte oder Sozialaufgaben durchführen und damit den Budgetrahmen brechen, „Strafabgaben“ in gleicher Höhe verwirken.

Der Budgetüberschuß aber hat noch andere Gründe. Die sinkenden Energiepreise, Zinsen und Wechselkurse für den Dollar entlasteten die Budgetposten „Energieimport“ und „Schuldentilgung“. Schließlich sorgen neue Steuern dafür, daß der Haushalt positiv abschließt, wenn auch Finanzminister Simonsen diesen Posten in seinen Rechenschaftsberichten gerne verschweigt. Schließlich paßt es nicht zur Ideologie der Konservativen, den Steuerdruck erhöht zu haben.

Tatsache ist gleichwohl, daß die Zinssteuer für die Pensionsanstalten und eine Kapitalgewinnsteuer für die Banken im nächsten Jahr der Staatskasse 30 Milliarden Kronen (56 Müliarden Schilling) bringen sollen und daß eine im Frühjahr verhängte Energieabgabe dafür verantwortlich ist, daß der Haushalt für 1986 statt des ursprünglich berechneten Defizits von 13 Milliarden Kronen (24 Milliarden Schüling) nun einen Uberschuß von einer halben Milliarde bringen dürfte. Die Energieabgabe, die die dänischen Benzin- und Heizölpreise ungeachtet des ölpreis- und Dollarfalles auf dem hohen Stand des Vorjahres festhalten soll — ein Liter Super-benzin kostet demnach weiterhin 13 Schilling — wurde jedoch nicht zur Budgetsanierung eingeführt. Sie sollte helfen, durch Konsumdrosselung die katastrophal schlechte Zahlungsbilanz zu verbessern. Nach den ursprünglichen Plänen der bürgerlichen Regierung sollte die Zahlungsbüanz, zum Zeitpunkt ihres Amtsantritts mit umgerechnet 15 Milliarden Schilling im Minus, spätestens 1988 einen Uberschuß aufweisen.

Doch hier hat sich die Regierung gründlich verrechnet. Das laufende Jahr bringt ein Rekorddefizit von nicht unter 50 Milliarden Schilling — und dies trotz des Milliardengeschenks durch fallende ölpreise und Dollarkurse.

Während die Regierung bisher den durchaus erwünschten Investitionsboom der Industrie für die negative Zahlungsbilanz verantwortlich machte, muß sie nun einsehen, daß die Probleme tiefer liegen.

Hatte Ministerpräsident Schlüter noch im Frühjahr versichert, daß nach der Erhöhung der Energieabgaben keine neuen Belastungen auf die Dänen warteten, so steht jetzt schon fest, daß die Regierung im Oktober, wenn das Parlament wieder zusammentritt, ihre Landsleute wieder einmal zwingen wird, den Gürtel enger zu schnallen.

Gedacht ist vor allem an Maßnahmen, die die Sparlust der Dänen fördern und ihnen den „Nationalsport“ gründlich vergällen sollen, sich ihren Luxus durch Schuldenmachen zu finanzieren.

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