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Schweden ist heute anders

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An einem von Josef Taus als dem Vorsitzenden der Europäischen Demokratischen Union in Wien veranstalteten internationalen Wirtschaftsgespräch nahm auch der schwedische Wirtschafts- und Finanzminister Gösta Bohman, Vorsitzender der konservativen Sammelpartei, teil. Hubert Feichtlbauer führte mit ihm ein Gespräch.

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An einem von Josef Taus als dem Vorsitzenden der Europäischen Demokratischen Union in Wien veranstalteten internationalen Wirtschaftsgespräch nahm auch der schwedische Wirtschafts- und Finanzminister Gösta Bohman, Vorsitzender der konservativen Sammelpartei, teil. Hubert Feichtlbauer führte mit ihm ein Gespräch.

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FURCHE: Man sagt, daß die bürgerliche Regierung, die 1976 eine 44 Jahre dauernde sozialdemokratische Herrschaft abgelöst hat, „sozialistischer“ regiere als ihre Vorgängerinnen.

BOHMAN: Das stimmt sicher nicht. Aber wir übernahmen große Probleme von der sozialdemokratischen Regierung. Eine Woche nach dem Machtwechsel müßten wir die erste Kronenabwertung vornehmen und wenige Wochen später zwei Milliarden Schwedenkronen für die staatliche Stahlindustrie flüssig machen, die sonst in den Konkurs gegangen wäre.

FURCHE: Der Staat hat zur Förderung öffentlicher und privater Wirtschaftsunternehmungen an Subventionen, Krediten und Haftungen insgesamt um die 20 Milliarden Kronen aufgewendet und damit erheblich zur Ausweitung seiner Defizite beigetragen, die Ihre Regierung abbauen wollte.

BOHMAN: Das war eine wirtschaftliche Nothilfe, weil wir ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit verhindern wollten. Wir haben im allgemeinen nicht schlechtgehenden, sondern gesunden Betrieben geholfen, die in der sozialistischen Zeit zuviel investiert hatten und nun die Zinsen nicht zahlen konnten. Die große Gefahr besteht freilich darin, daß wir mit solchen notwendigen Unterstützungen die Wettbewerbsverhältnisse verzerren. Und das gegenwärtige Staatsdefizit von rund 40 Milliarden Kronen ist sicher zu groß.

FURCHE: Ihre Inflationsrate liegt auch noch immer über zehn Prozent.

BOHMAN: Wenn man den Juli 1978 mit dem Juli 1977 vergleicht. Aber das ist irreführend. In der zweiten Hälfte 1977 wirkten sich die Kronenabwertung und eine Erhöhung der Umsatzsteuer aus. Von Februar bis Juli 1978 wuchs die Inflation nur um 2,9 Prozent: die niedrigste Rate seit 1972.

FURCHE: Sie haben den Wählern Steuersenkungen versprochen und dennoch auch wieder Steuern erhöht.

BOHMAN: Wir haben in unserer kurzen Regierungszeit zweimal die direkten Steuern gesenkt, und eine dritte Reform steht bevor. Auch wurden die Steuersätze an einen Index gebunden, so daß die Inflation nicht mehr automatisch die Progression verschärft, was in früheren Jahren der sozialdemokratischen Regierung automatisch immer höhere Steuereinnahmen beschert hat. Aber richtig ist, daß die Gemeinden ihre Steuern erhöhten, so daß das gesamte Steuerniveau in unserem Land unverändert hoch geblieben ist. Das ist unser größtes Problem, das man über Nacht nicht lösen kann.

FURCHE: Heizt nicht auch der im Jänner in Kraft getretene gesetzliche Anspruch auf fünf Wochen Urlaub pro Jahr die Inflation wieder an?

BOHMAN: Diesen Beschluß hat der Reichstag noch zur sozialdemokratischen Zeit gefaßt. Ich glaube trotzdem, dies wird nicht der Fall sein. Das jüngste Lohnabkommen zwischen Industrie und Gewerkschaften ist sehr stark inflationsdämpfend.

FURCHE: Was hat sich dann in der Zeit der bürgerlichen Regierung gegenüberfrüher geändert?

BOHMAN: Die Inflationsrate ist die niedrigste seit sieben Jahren. Unsere Handelsbilanz ist heuer zum erstenmal seit sechs Jahren aktiv. Die Auftragseingänge in der Industrie entwickeln sich wieder positiv. Die Bautätigkeit lag im heurigen Frühjahr um acht Prozent über der des Vorjahres - die größte Jahressteigerung seit 1972. Vor allem die kleineren und mittleren Unternehmer fassen wieder Mut.

FURCHE: Sie haben den Wählern auch versprochen, neben den sechs in Betrieb stehenden Kernkraftwerken keine weiteren zu genehmigen. Jetzt will Sie die Privatindustrie zu einem Rückzieher bewegen.

BOHMAN: Für dieses Problem muß in den nächsten drei, vier Wochen eine Lösung gefunden werden, obwohl ich nocht nicht weiß, welche. Aber die Industrie versteht, daß es einen Kompromiß geben muß, oder es kommt das Ende der bürgerlichen Regierung.

FURCHE: Wird es, wenn kein Kompromiß gefunden wird, vorzeitige Neuwahlen geben?

BOHMAN: Nein, sondern eine Volksabstimmung, obwohl ich nicht weiß, wie man eine solche angesichts der so komplizierten Problematik durchführen kann.

FURCHE: Danke, damit sind wir wieder in Österreich…

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