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Ist Sparen nicht ervoünscht?

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Finanzminister Hannes Androsch hat sich durchgesetzt. Seiner Forderung nach Zinssenkung wurde ziemlich prompt entsprochen. Einzige Bedingung des Kreditapparats: Die Nationalbank müsse den Vorreiter machen und den Diskontsatz senken.

ÖVP-Chef Josef Taus erklärte sich durchaus einverstanden: Der Finanzminister habe endlich eingesehen, daß seine Hochzinspolitik falsch war. Bundeskammer und Industriellenvereinigung begrüßen die Aktion: Die Investitionskosten werden dadurch etwas verbilligt Der ÖAAB schweigt und die Sparer werden gar nicht erst gefragt

Lediglich Gewerkschaftspräsident Anton Benya spielte ein wenig Sparerfreund und lieferte ein formales Rückzugsgefecht. Er Heß sich aber sehr schnell damit beruhigen, daß der offizielle Habenzinsfuß nur um ein halbes Prozent gesenkt würde, die grauen Zinsen der Großanleger aber um ein ganzes Prozent. Damit ist die soziale Gerechtigkeit wieder im Lot Ob damit auch die grauen Zinsen gemeint sind, die die Gewerkschaften kassieren? (Aber bitte, über so etwas spricht man doch nicht!)

Motiviert wird das Ganze mit der Sicherung der Arbeitsplätze, diesem Evergreen der Regierungspropaganda, der zur Rechtfertigung aller auch noch so dubiosen Maßnahmen herhalten muß.

Allerdings, um die konkreten Auswirkungen der Maßnahme gefragt, reagiert selbst der Finanzminister vorsichtig. Nationalbankpräsident Stephan Koren ist noch skeptischer.

Wenn die „prime rate“ - also der erstklassigen Schuldnern verrechnete Kreditzinssatz - von 9,5 oder 9,75 Prozent auf 8,75 Prozent zurückgehen wird, dürfen wir uns noch lange keinen Investitionsboom erwarten. Investitionsfreudigkeit setzt vor allem Vertrauen voraus - sowohl in die internationale Konjunkturenentwicklung als auch in die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung. Beides fehlt aber heute in der Wirtschaft. Mit maximal um ein Prozent billigeren Krediten ist das Vertrauen nicht wieder hergestelt - ja dies wäre auch bei massiveren Zinssenkungen wahrscheinlich nicht der Fall.

Sicherlich, die österreichischen Unternehmen müssen sehr knapp kalkulieren. Ein Prozent auf oder ab bei

Kreditzinsen mag bei Grenzprodukten über ihre inländische oder internationale Konkurrenzfähigkeit entscheiden, es mag auch die Ertragssituation der Unternehmen marginal beeinflussen. Daß die Wirtschaft über jede Art von Kostensenkung jubelt ist daher nicht weiter erstaunlich. Wird sie sich aber sehr lange darüber freuen können?

Hier hat nämlich die Angelegenheit ihren Pferdefuß, und man fragt sich, wieso die ÖVP - welche sich in letzter Zeit auf ihr gesellschaftspolitisches und ideologisches Interesse so viel zugute tut - ihn nicht bemerkt: Auf der einen Seite werden der Wirtschaft immer höhere Lasten aufgebürdet -durch steigende Besteuerung, höhere Sozialabgaben, überzogene Lohnforderungen, Einengung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, konstante Verunsicherung durch neue Gesetze usw. - auf der anderen Seite werden dann via Zinssenkung minimale Erleichterungen gewährt, welche die übrigen Erschwernisse bei weitem nicht kompensieren.

Entscheidend bei dieser Maßnahme ist nämlich weniger, ob jemand davon profitiert sondern auf wessen Kosten es geht. Hier wird wieder einmal eine Prise Gesellschaftspolitik verabreicht und in üblicher Form geschickt als Wirtschaftspolitik garniert Die Opfer der Zinssenkung sind die Sparer - also jener immer kleiner werdende Kreis der Bevölkerung, der zur Selbstvorsorge bereit ist Dieser Gruppe zu zeigen, daß sie Unrecht hat daß sie letzten Endes immer draufzahlt, daß auf nichts Verlaß ist als auf die kollektive Vorsorge, ist - geschickt kaschiert -eine der latenten, aber konstant sehr virulenten Tendenzen der sozialistischen Gesellschaftspolitik.

Jahrelang mußten sich nun die Sparer mit einem Zinsniveau begnügen, welches unter der Inflationsrate gelegen ist, ja sie mußten sogar - sofern sie nicht das Risiko „schwarzer Konten“ auf sich genommen haben - für ihre fiktiven Erträgnisse auch noch Einkommensteuer zahlen. Jetzt wo endlich die Inflationsrate den Eckzinssatz minimal unterschritten hat wird sofort der Zinsfuß gesenkt - mit dem zynischen Hinweis auf- eben die gesunkene Inflationsrate. Dazu kommt auch noch eine schleichende Senkung der Anleihenkredite, wodurch auch bei langfristiger Bindung der Sparerfolg reduziert wird.

Es wird zu bedenken gegeben, daß der Eckzinssatz jahrelang 3,5 Prozent gewesen sei, nicht aber hinzugefügt, daß dieser für eine Situation bestimmt war, in welcher die Inflationsrate ein bis maximal zwei Prozent betragen hat Auch dies war eine sehr bescheidene Verzinsung. Aber heute wäre der Sparer froh, hätte er wenigstens eine Realverzinsung von zwei Prozent. Sicherlich, auf das halbe Prozent Senkung kommt es auch nicht mehr an. Es geht aber nicht nur um dieses Faktum isoliert, sondern um seine symptomatische Aussagekraft für eine generell sparerfeindliche Politik.

Trotz aller konträren Beteuerungen ist ja die Zerstörung individueller Sparziele und die Frustrierung des Sparers ein Grundprinzip sozialistischer Politik, wie man aus der Theorie und vor allem aus der Praxis sämtlicher sozialistischer Parteien immer wieder erkennen kann. Eine bürgerliche Gesellschaftspolitik dürfte - bei allem Verständnis für • Momentanbedürfnisse der Wirtschaft - niemals aus den Augen verlieren, daß gerade der freiwillige Individualsparer- nicht der von der Gewerkschaft manipulierte kollektive Zwangssparer - eines der zentralen Schutzsubjekte für eine humanistische Politik sein muß. Aber bedauerlicherweise ist von sublimen gesellschaftspolitischen Prinzipien zur gesellschaftspolitischen Praxis ein weiter Weg.

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