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Deutliche Signale der Währungshüter

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Die Deutsche Bundesbank hat gegen teils massive Bedenken die Leitzinssätze, die die Grundlage der gesamten Zinslandschaft einer Ökonomie darstellen, angehoben: Den Diskontsatz um einen vollen Prozentpunkt und damit recht kräftig auf 7,5 Prozent und den Lombardsatz um einen Viertelprozentpunkt auf 9,25 Prozent1'. Die Oesterreichische Nationalbank folgte nicht im gleichen Ausmaß. Sie nutzte einen durch die schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland gegebenen Spielraum und zog den Diskontsatz nur um einen Halbenprozentpunkt nach, den Lombardsatz allerdings gleichfalls um einen Viertelprozentpunkt.

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Die Deutsche Bundesbank hat gegen teils massive Bedenken die Leitzinssätze, die die Grundlage der gesamten Zinslandschaft einer Ökonomie darstellen, angehoben: Den Diskontsatz um einen vollen Prozentpunkt und damit recht kräftig auf 7,5 Prozent und den Lombardsatz um einen Viertelprozentpunkt auf 9,25 Prozent1'. Die Oesterreichische Nationalbank folgte nicht im gleichen Ausmaß. Sie nutzte einen durch die schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland gegebenen Spielraum und zog den Diskontsatz nur um einen Halbenprozentpunkt nach, den Lombardsatz allerdings gleichfalls um einen Viertelprozentpunkt.

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Die Entscheidung war in Deutschland heftig umstritten. Vor allem die Konjunkturforschungsinstitute hatten in seltener (Fast-)Einmütigkeit eine solche Maßnahme abgelehnt, weil sie gegen ein Symptom ankämpfe, an den wirklichen Problemen des Landes abemichts ändere. Hohe öffentliche Defizite, kräftig gestiegene Lohnkosten, Erhöhungen von Gebrauchssteuern und Gebühren sowie eine tendenziell schwächer gewordene DM infolge der Wiedervereinigung hätten zwar eine Beschleunigung des Preisauftriebs verursacht; dieser könne und solle nun aber nicht mit einer Zinsanhebung bekämpft werden. Denn erstens sei ein Teil des Inflationsschubs auf 4,4 Prozent im Juli - welcher die Bundesbank offenbar stark irritiert hatte - als einmaliger steuerbedingter Sprung zu betrachten und daher geldpolitisch zu tolerieren. Zweitens steuere die Bundesrepublik ohnedies bereits auf eine konjunkturelle Abschwächung zu. Die Steuererhöhungen hätten bereits konjunkturdämpfende Wirkung gehabt. Darauf mit einem weiteren, diesmal geldpolitischen, Dämpfer zu antworten, hieße, der Konjunktur endgültig „den Rest" zu geben. Dann aber würden die Steuereinnahmen nur wenig wachsen oder gar sinken, die Vereinigung wäre noch schwerer finanzierbar als sie das onehin schon ist.

Die Institute konzedierten zwar, daß die Erhöhung des Diskontsatzes teilweise nur technischen Charakter haben könnte. Dennoch komme einer solchen Maßnahme hoher Signal wert für die Wirtschaftssubjekte zu, die das als restriktiven Eingriff interpretieren würden. Viel wichtiger wäre es, mit dem Gewicht der Bundesbank die Regierung auf den Ernst der Lage hinzuweisen, sie zu Ausgabenkürzungen zu veranlassen und die Tarifpartner auf die Risiken weiterhin stark steigender Lohnkosten aufmerksam zu machen. Eine Unterstreichung der skeptischen Haltung der Bundesbank hätte es bereits im Juli durch die Reduktion des Geldmengenzieles gegeben; weitere Maßnahmen seien derzeit nicht nötig.

In der Bundesbank sah man die Situation naturgemäß anders. Das Institut fühlte sich durch den überraschend hohen Preissprung vom Juli unter Zugzwang gesetzt: Ein deutliches Signal wurde als notwendig erachtet, daß eine solche Inflationsbeschleunigung nicht hingenommen wird. Bei einem Zielkonflikt zwischen Konjunktur und Beschäftigung einerseits und Geldwertstabilität andererseits muß für eine Zentralbank die Sicherheit des Geldwerts Priorität haben. Das entspricht zumindest in der Bundesrepublik (wie auch in Österreich) dem gesetzlichen Auftrag.

Unter gewissem Zugzwang ist sicherlich auch der neuemannte Präsident der Deutschen Bundesbank, Helmut Schlesinger, gestanden. Er mußte seine Positionen und Strategien von Anfang an klarstellen und hatte schon sehr früh die bevorstehenden Leitzinserhöhungen in der Öffentlichkeit zumindest angedeutet. Man konnte ihn nun - 14 Tage nach Amtsantritt - nicht desavouieren.

Das Ergebnis dürfte letztlich doch ein Kompromiß gewesen sein. Schlesinger hätte wahrscheinlich eine stärkere Anhebung des Lombardsatzes, der bei der gegebenen Geldpolitik in Deutschland als von wesentlich größerem Einfluß auf die Wirtschaft eingeschätzt werden muß, bevorzugt. Vor allem aber ging es ihm um die Brechung inflationärer Erwartungen und um das Nichtaufkommenlassen eines inflationären Klimas.

Die konjunkturelle Lage sieht der Bundesbankchef ohnehin wesentlich günstiger. Zwar wird seiner Meinung nach das Wachstum des Bruttosozialprodukts nach 4,5 Prozent im Vorjahr heuer etwas abschwächen, doch wird man auch auf mittlere Sicht nicht unter drei Prozent fallen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf enorme Auftragsüberhänge in der Bauwirtschaft, hohe Auftragsbestände in der Industrie und eine heftige Expansion im Dienstleistungsbereich Westdeutschlands. Es mehren sich aber auch die Anzeichen dafür, daß in den neuen Bundesländern der Tiefpunkt der Entwicklung erreicht sei und nun ein allmählicher Aufschwung einsetzen werde. Die Erhöhung zumindest des Diskontsatzes werde dem nicht entgegenstehen, weil sie nicht notwendigerweise eine Erhöhung der Kreditzinsen nach sich ziehen müsse. Die Diskontanhe-bung stelle vielmehr eine technische Anpassung dar:

Der Abstand zwischen Diskontsatz (zuvor 6,5 Prozent) und dem kurzfristigen Zinsniveau (um neun Prozent) sei zu groß geworden. Die Banken besorgten sich auf diesem Weg lediglich billiges Geld, geben diesen Vorteil aber nicht an die Kreditnehmer weiter. Der niedrige Diskontsatz stelle daher eine ungerechtfertigte Subvention an die Banken dar. Das entspricht nicht dem ursprünglichen S inn des Diskontsatzes als billige Basisfinanzierung und auch nicht einer straffen Geldpolitik. Von einer günstigen Finanzierung des Mittelstandes kann so keine Rede mehr sein, wie andere Sprecher aus dem Bundesbankbereich äußerten.

Österreich hat den Zinsschritt wie eine Reihe anderer europäischer Länder (Niederlande, Dänemark, Schweiz, Belgien) in Verfolgung der engen Bindung des Schilling an die DM mitvollzogen. Allerdings nicht in vollem Ausmaß. Die sogenannte Hartwährungspolitik erfordert bekanntlich zu ihrer erfolgreichen Durchführung eine gewisse Harmonisierung in den Fundamentaldaten (Inflation, Leistungsbilanz, Budgetdefizit, in geringerem Ausmaß auch Wachstum und Beschäftigung). In vergangenen Jahren lag Osterreich hier meist schlechter als die Bundesrepublik, weshalb mittels höherer österreichischer Zinssätze eine Stütze für den Schilling eingezogen werden mußte. Durch die Lasten der deutschen Vereinigung hat sich die Situation aber verändert:

Die Fundamentaldaten stellen sich nun als für Österreich günstiger dar, weshalb zinspolitischer Spielraum gegeben war, und die Erhöhung nicht zur Gänze nachvollzogen werden mußte. Dadurch können etwaige konjunkturelle Dämpfungseffekte aus diesen Maßnahmen geringer gehalten werden. Zu erwarten ist allerdings, daß die Banken den Zinsschritt als Argument für Erhöhungen der Kreditzinsen nehmen werden, um ihre Ertragslage zu stärken. Über kurz oder lang wird daher auch mit einer Diskussion über die Sparzinsen zu rechnen sein. Günstig könnte sich ein höherer Zinssatz allerdings auf dem Markt für festverzinsliche Wertpapiere auswirken, wo derzeit Flaute herrscht. Das allerdings würde den derzeit ohnehin sorgengeplagten Finanzminister nicht freuen, den die Anleihezinsen teuer zu stehen kämen.

" Der Diskontsatz ist jener Zinssatz, der zur Anwendung kommt, wenn Banken Wechsel vor deren Fälligkeit bei der Zentralbank einreichen und dafür Bargeld oder Gutschriften zur Verfügung gestellt bekommen. Die Banken können sich auf diese Weise bei der Zentralbank „refinanzieren". Die Diskontpolitik ist ein klassisches Instrument der Geldpolitik: Durch Variation dieses Zinssatzes (aber auch durch Beschränkung oder Erweiterung der dafür zur Verfügung gestellten Gelder) kann auf die Menge des umlaufenden Geldes wie auch auf das allgemeine Zinsniveau Einfluß genommen werden.

Der Lombardsatz ist derjenige Zinssatz, der in Anwendung kommt, wenn Banken bei der Zentralbank Wertpapiere verpfänden, um sich für eine bestimmte Laufzeit Geld von der Zentralbank zu verschaffen. Geldpolitisch gilt sinngemäß das für die Diskontpolitik Gesagte.

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