6532444-1945_03_12.jpg
Digital In Arbeit

Der neue Schilling

Werbung
Werbung
Werbung

Durch das Schillinggesetz ist die für den Wiederaufbau und die Gesundung unserer Wirtschaftsverhältnisse notwendige Währungsregelung endlidi eingeleitet worden. Alle auf Reichsmark lautenden Beträge und Verbindlichkesten sind, von gesetzlichen Effektivverpfliditungen abgesehen, im Verhältnis eine Reichsmark gleich ein Schilling umzurechnen. Dieser Umrechnungskurs ist vorerst nur ein formaler. Über die Kaufkraft des neuen Schillings besagt er noch gar nichts. Man hat hiebei vielleicht auch gefühlsmäßige, in erster Linie jedoch realpolitische Erwägungen dieser Umrechnung zugrundegelegt. Damit hat man jedoch jenen Raub, der seinerzeit durch die Umredinung Mark—Sdiilling im Verhältnis 1 :1 lA an Nominalwerten, Renten und Pensionen begangen wurde, bestätigen müssen.

Wenn es notwendig war, den Geldumlauf der Menge der verfügbaren (zum Markt gelangenden) Waren anzupassen, kann gesagt werden, daß hier wohl ein großer Schritt vorwärts getan worden ist, daß jedoch keineswegs alle Gefahren ausgeschaltet sind. Das wird auch dann noch nidit der Fall sein, wenn alle nicht von der österreichischen Nationalbank avisgegebenen Geldzeichen restlos zur Konversion aufgerufen worden sind. Denn letztlidi wird für die Kaufkraft der Währung die Relation: Geldmenge — Warenmenge ausschlaggebend sein, was jedoch, wenn die Nationalbank einmal den Banknotenumlauf kontrolliert — das wird erst durch das alleinige Monopol zur Zahlungsmittelausgabe möglich sein —, durch eine entsprechende Währungspolitik leichter geschehen kann.

Wir sehen also deutlich die nächsten Etappen des Währungsaufbaues vor uns. Er soll zu einem Gesundungsprozeß kommen, der nicht lange auf sich warten lassen soll. Die Gefahren, wie sie 1918 und später über uns hereingebrochen sind, sind heute bei einer verantwortungsbewußten Regierungspolitik beinahe mit Sicherheit auszuschalten. Dies allerdings dann, wenn die Besatzungsmächte — wie zu erwarten ist — unserer wirtschaftlichen Lage Rechnung tragen werden und wir vorübergehend auf eine freie Wirtschaft verzichten und eine straffe Lenkung der gesamten Wirtschaft, nicht nur des Preis- und Lohnsektors, oder des Devisen-und Außenhandels in Kauf nehmen. Das bedeutet für eine gewisse Zeit jedoch Rationierungen, Einschränkungen, Rationalisierungen und dergleichen mehr.

Das Schillinggesetz spricht aus, daß die von der österreichischen Nationalbank auszugebenden, auf Schilling lautenden Banknoten durch das österreichische Volksvermögen gesichert sind. Hiemit ist die Frage nach der sogenannten Deckung entschieden. Es ist klar, daß diese Lösung nur eine vorläufige ist. Für das Binnenland ist die Deckung vorerst eine sekundäre Sache. Wir haben in der nationalsozialistischen Ära kennen und fühlen gelernt, daß man zur Not eine imaginäre gedeckte Währung vertreten kann (allerdings nur, wenn man möglichst autark ist oder sonst unter großen wirtschaftlichen Opfern). Für den Außenhandel ist sie auch heute noch eine Kardinalfrage. Bekanntlich ist auf die Dauer kein Außenhandel möglich, wenn nicht für die Partner entsprechende Währungssicherheiten (als die nach der Sachlage heute noch immer die Edelmetalle fungieren) gegeben sind. Da bekanntlich das österreichische Volksvermögen derzeit eine etwas illiquide Sache ist, wird in erster und einziger Linie das Vertrauen für die Wirtschaftsbeziehungen im In-und zum Auslande maßgebend sein, daß alle Kreise in den Wiederaufbauwillen unseres Volkes setzen. Seine frühere Stellung kann der Schilling erst dann wieder erreichen, wenn er Bindung an die Weltwährungen gefunden haben wird (es sei denn, daß die Pläne zur Schaffung einer Weltwährung eine andere Orientierung erfordern). Wie zu hören war, soll der Barschatz der Nationalbank bereits sichergestellt sein. Hoffen wir, daß er uns bald ohne Bedingung zur Verfügung gestellt wird. Beachtenswert ist, daß die Deckungsklausel sich nicht auf die in Umlauf bleibenden AM.-Schilling- und Reichsmarknoten bezieht. Es ist anzunehmen, daß nach dem Greshamschen Gesetz die neuen Schillingnoten der Nationalbank von S 5.— und darunter Seltenheitswert haben werden, solange jene im Umlauf Weihen. Auch hier ist wieder ein Grund, de baldigen Aufruf dieser „alten“ Noten vorzunehmen.

Das schwierigste steht uns noch bevor. Es gipfelt in der Aufrichtung einer vor der Welt gültigen Schillingwährung. Stabilisierung des Wertes nach außen durch entsprechende Deckung, Stabilisierung der Kaufkraft im inneren, unter weitmöglichster Herabdrückung persönlicher Opfer, das sollten die Grundpfeiler der Währungspolitik' sein. Das Opfer zu bringen sind, ist unbestritten, jedoch wären diese gleichmäßig und gerecht (sozial) zu verteilen. Damit ist di Frage gestellt, wer also die Inflation der früheren Machthaber zu bezahlen hat. Wenn man die allgemeine Währungslage betrachtet! wird man sich des Eindrucks unschwer er wehren können, daß eine allgemeine Abwertung kaum zu vermeiden sein wird, will man den Einklang zwischen Geld- und Warenmenge (Produktionskapazität) herstellen. Wenn man an sie schreiten sollte, darf sie jedoch nicht das alleinige Kurmittel sein. Die Registrierung der Markwerte deutet im übrigen auch auf eine zweite sozial gerechtfertigte Lösung hin, nämlich die Untersuchung der Herkunft der Einlagen und ihre Abschöpfung (Besteuerung) im Falle ungerechtfertigter Gewinne, wie Schleichhandel, Banknotenschmuggel, Kriegsgewinne und anderes mehr. Je strenger und genauer eine solche Untersuchung geführt werden wird, destp mehr wird sich die Regierung den Dank jener verdienen, die mühsam Pfennig auf Pfennig gelegt haben.

Zum Gelingen der Währungskonsolidierung wird von entscheidender Bedeutung die Ordnung im Staatshaushalt sein. Staatseinnahmei und -ausgaben einander zu koordinieren wird oberster Leitsatz der Regierung sein. Sie ist mit Rüdesicht auf die Besatzungskosten vor keine leichte Aufgabe gestellt. Von Bedeutung ist der Hinweis, daß durch das Schillinggesetz der Nationalbank keine Sdiranke in der Banknotenemission auferlegt ist.

Nach der Verkündigung des neuen Währungsgesetzes verschwand umgehend das Kleingeld aus dem Verkehr. Es war fast belustigend zu sehen, welche Einfälle in solcher Lage die Menschen besjtzen. Briefmarken, Fahrscheine und ähnliches, alles wurde en gros eingekauft, nur um „größere Werte“ hinüberzuretten. Die ernste Seite dabei liegt jedoch darin, daß niemand mehr das nötige Kleingeld zur Hand hatte und ernste Stockungen im täglichen Geschäftsleben eintraten. Nunmehr hat die Staatsregierung durch die Ermächtigung zur Ausgabe von Notkleingeld Abhilfe geschaffen. Es entstand die Frage: Mußte die Einwechslungsfrist wirklich so lang hinausgezogen werden, konnte nicht die Umwechslung schlagartig einsetzen? Damit wäre allerdings der zwangsläufige Engpaß erheblich gekürzt worden. Tatsächlich scheinen unüberwindliche Hindernisse eine bessere Lösung verhindert zu haben.

Eine andere Frage ist die, ob nicht durch die teilweise Kontensperre eine Illiquidität der Unternehmungen heraufbeschworen wird. Dies scheint nicht von der Hand zu weisen sein. Ein kurzfristiges Moratorium zugunsten lebenswichtiger Zahlungen (zum Beispiel von Löhnen) wäre vielleicht angezeigt. Großhändlern und Großerzeugern müßte allenfalls im Kreditwege durch die Banken geholfen werden. Auch kann die Staatsregierung mit Verordnung Erleichterungen von der Kontensperre verfügen. Da der Notenumlauf nadi dem 22. Dezember 1945 schätzungsweise die Höhe des Jahres 1938 erreichen wird, scheint auch eine allfällige Illiquidität nur temporär zu sein. Ein Nachteil ist jedoch darin zu erblicken, daß das Gesetz die Zweiteilung in jene, die Geldscheine besitzen, und solche, die die Warenwerte in Händen haben, allzu augenfällig wird und daß diese zum Nachteil der anderen ungerechtfertigt in Vorteil gesetzt werden. Besonders die wohlorganisierten Schleichhändler, die mit ihren Waren zurückhalten, die sie auch nach dem 22. Dezember 1945 noch nicht mobilisieren werden, lassen diese Seite des Währungsproblems deutlich werden. Der nur „Papier“ besitzende, jedoch ehrliche Sparer wird vornehmlich die Mark inflation bezahlen und dies hauptsächlich deshalb, weil bisher noch keine ernsten Schritte- zur Bekämpfung des Schleichhandels unternommen worden sind.

Die Regierung wird nicht um die Füll* der zu lösenden Aufgaben und die darau$ sich ergebende Verantwortung zu beneiden sein. Sie wird in diesem schweren Heute der Unterstützung durch das Vertrauen der Bevölkerung bedürfen. In- und Ausland blicken gespannt auf die kommenden Maßnahmen. Sozial und wirtschaftlich. Das sei die Devise

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung