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Der Weg zum Schilling

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Markt Ist naturgemäß aber frei von Problemen und überall lassen sich durch diverse Änderungen weitere Fortschritte erzielen. Es soll, nicht unerwähnt bleiben, daß der Staat mit steuerlichen Begünstigungen die Anlage In Wertpapieren fördert und auch die oben geschilderten Maßnahmen auf dem Sekundärmarkt müssen unter dem Aspekt einer allgemeinen Sparförderung gesehen werden. Die staatliche Unterstützimg des Wertpapiersparens wird so lange notwendig sein, als auch andere Sparformen, wie Prämien-, Versiche-rungs- und Bausparen vom Staate speziell begünstigt werden. Allerdings sollte, den Erfordernissen der Kapitalbeschaffung Rechnung tragend, die Steuerbegünstigung nach Dauer und Bedeutung der Sparform differenziert sein, genauso wie die Verzinsung nach der Fristigkeit abgestuft sein müßte. Die Bindungszeiten für Wertpapiere erscheinen vergleichsweise jedenfalls als zu lange und sollten entsprechend verkürzt werden. Die immer rascher erfolgenden Veränderungen auf dem Kapitalmarkt verstärken den Trend zu kürzeren Laufzeiten. Die Refinanzierung des langfristigen Kapitalbedarfes der Wirtschaft wird nicht immer in zeitkonformer Weise möglich sein. Ein gewisses Umdenken ist hier notwendig, besonders, da das Zinsbewußtsein beim Sparer deutlich gewachsen ist.

Seit dem vorigen Jahr wurde — ganz berechtigterweise — die Aktie in die steuerliche Begünstigung einbezogen. Leider ist dies nicht ganz in dem Ausmaß erfolgt, wie es die oben zitierte Konkurrenzlage erfordert hätte. Besonders hinsichtlich der Besteuerung des Ertrages bleibt die Aktie im Vergleich zur Obligation weiter stark benachteiligt. Trotzdem war 1973 das Ergebnis der steuferbegünstigt gezeichneten jungen Aktien ein erfreulicher Anfang und es darf wohl auch hier — genauso wie seinerzeit bei Anleihen — eine steigende Zuwachsrate erwartet werden.

Zum reibungslosen Funktionieren eines Marktes gehört die klaglose Abwicklung des Handels. Dies geschieht in Wien über das Arrangementbüro und die Wertpapiersammelbank. Die Einrichtung des stückelosen Verkehrs durch den bereits 1872 gegründeten Wiener Giro- und Cassen-Verein war auf diesem Gebiet international richtunggebend. Unser Depotgesetz, wie wir es seit 1970 haben, zählt zu den modernsten. Die Bemühungen um eine weitere Intensivierung der Sammelverwahrung müssen laufend fortgesetzt werden, denn der Abbau der überaus personalintensiven Stückemanipulation ist ein Gebot der Stunde. Das Ziel ist quasi das „stückelose“ Wertpapier.

Das angestrebte Ziel ist quasi das „Stückelose“ Wertpapier.

Der österreichische Kapitalmarkt wird seine Funktionsfähigkei't so lange halten können, als — wie bisher — die notwendigen Voraussetzungen hiezu gegeben sind: flexible Rendite- und Emissionspolitik, freies Walten der Marktkräfte, weitestgehende Information und Beratung des Publikums, liberale Devisenregelung, anlagekonforme steuerliche Begünstigungen und Garantie für die absolute Freiwilligkeit der Anlageentscheidung des Sparers.

Im Friedensvertrag von St. Germain, Artikel 206 (vom September 1919) sowie im Vertrag von Trianon, Artikel 189 (1920) war die Liquidation der Oesterreichisch-Ungarischen Bank angeordnet worden, und es wurden von der Reparationskommission drei Liquidatoren eingesetzt. Obgleich diese bereits im August 1920 bestellt wurden, traten sie ihr Amt tatsächlich erst später an. Bereits etwa ein Jahr vor den Genfer Protokollen vom 4. Oktober 1922, mit welchen unter anderem die Gründung der Oesterreichischen Nationalbank unter Verleihung eines zwanzigjährigen Notenbankprivilegs von 1923 bis 1943 festgelegt wurde, haben vom Winter 1921/22 an eine ganze Anzahl von Besprechungen über die Stabilisierung der österreichischen Währung stattgefunden. Vielleicht die wichtigste, aber auch die am wenigsten bekannte ist die Besprechung der Fachleute, die im Winter 1921/22 vom damaligen Gouverneur der Oesterreichischen Bank einberufen wurde, eine Konferenz der damals besten Fachleute, bei der so gut wie alle mit der Neustabilisierung zusammenhängenden Fragen erörtert wurden. An dieser Konferenz nahmen etwa 20 Gelehrte und Finanzfachleute teil, unter anderen die Professoren Wieser, Schumpeter, Spann, Vogel, Schwiedtland, Gruntzel, Mises und Dozent Gärtner; das Protokoll führte der Schreiber dieser Zeilen, damals Dozent. Nach langen Debatten wurde schließlich über vier Punkte Einvernehmen erzielt. Als Stabilisierungskurs sollten 14.400 damalige Kronen gewählt werden, nicht aber ein darüber oder darunter liegender Kurs, wofür ursprünglich einige der Teilnehmer eingetreten waren. Als neue Währungseinheit sollte der Schilling gelten, der 10.000 alten Kronen entsprach und der in hundert kleinere Einheiten, Groschen genannt, geteilt sein sollte. Man war über den Namen der neuen Währungseinheit nicht ganz glücklich; es gab natürlich bereits durch hunderte von Jahren vorher Schillinge und Groschen, wobei allerdings der Groschen nur in der Talerwährung vorkam, nicht aber im Zusammenhang mit den Schillingen. Der Hauptgrund, warum man zu dieser Lösung griff, war, daß unter allen Umständen jeder Bezug auf den Namen Krone vermieden werden sollte, nicht nur aus prinzipiellen Gründen, nämlich etwa wegen der Verwechslung mit der Goldkrone, Zollgoldkrone und ähnlichem, sondern weil zu diesem Zeitpunkt sowohl die Tschechoslowakei als auch Ungarn eine Kronenwährung besaßen, wobei die Bezeichnung Krone in der Tschechoslowakei blieb, in Ungarn aber erst Jahre später der Pengö als Währungseinheit eingeführt wurde. Die Zusammenlegung von 10.000 Kronen in einen Schilling erfolgte hauptsächlich aus Gründen der praktischen Rechnung und bewährte sich vollkommen. Schließlich wurde eine hitzige Debatte über die Frage geführt, ob man zuerst stabilisieren und dann

sanieren oder zuerst sanieren und dann stabilisieren sollte. Die Genfer Protokolle vom 4. Oktober 1922 entschieden, daß die Währungsstabilisierung gleichzeitig mit der finanziellen und wirtschaftlichen Sanierung durchgeführt werden sollte. Man entschied sich auch dafür, daß mit der Währungssanierung keineswegs eine Abschöpfung des Notenumlaufes, etwa wie in der Tschechoslowakei oder in Ungarn, verbunden sein sollte. Die mit der Sanierung verbun-

dene Gründung der Oesterreichischen Natlonalbank legte vor allem Wert darauf, daß jeder Einfluß des Staates auf die neuerliche Ausgabe von Banknoten unbedingt ausgeschlossen sein sollte.

Das Notenbankgesetz vom 24. Juli 1922 wurde bereits sehr bald einer Reihe von entsprechenden Abänderungen unterzogen, welche der Sicherung der Unabhängigkeit vom Staate dienen sollten. Das Ernennungsrecht des Staates wurde auf die Ernennung des Notenbankpräsidenten beschränkt Das ursprünglich vorgesehene Einspruchsrecht des Staatskommissärs aus öffentlichen Interessen wurde beseitigt. Das Verbot der Inanspruchnahme der Bank durch den Staat wurde auf Länder und Gemeinden ausgeweitet. Sowohl die

Bank als auch jeder einzelne Generalrat derselben konnte wegen Verletzung der Bestimmungen über die Unabhängigkeit der Bank die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ergreifen.

Da die Inflation im wesentlichen in der Weise vor sich gegangen war, daß als Darlehen der Bank an den Bund immer neue Staatsschatzscheine bei der Bank deponiert worden waren, die zum Schluß mehr als zwei-

einhalb Milliarden Schilling, das sind rund 58 Prozent des damaligen Notenumlaufes ausmachten, wurden auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und der Oesterreichischen Nationalbank mit Bundesgesetz vom 19. Juli 1923 betreffend Verzinsung und Tilgung der Darlehensschuld bei der Oesterreichischen Nationalbank geeignete Maßnahmen zur Verminderung und schließlich Tilgung dieser Schuld getroffen, die zügig vor sich ging.

Hinsichtlich der allgemeinen Einführung des Schillings als neue Währungseinheit ging man hingegen nur langsam und zögernd vor. Das Gesetz vom 20. Dezember 1924 trug nur den Titel „Schillingrechnungsgesetz“, und die Ausprägung von Münzen der

Schillingwährung, deren Feingehalt und Kopfquote übrigens mehrmals geändert wurde, erfolgte nur schrittweise. Noch im Bundesgesetz vom 21. Dezember 1923 wurden Silbermünzen und reine Scheidemünzen festgesetzt, die auf Kronen lauteten. Der Paragraph 5 des Schillingrechnungsgesetzes enthielt über die Rechnungen in Schillingen nur Kannbestimmungen. Die im Paragraph 5 dieses Gesetzes vorgesehene Ermächtigung der Bundesregierung, durch Verordnung die Schillingrechnung obligatorisch zu machen, fand ihre Realisierung erst wesentlich später, im Gesetz vom 29. April 1928. Die Ausprägung von auf Groschen beziehungsweise Schillinge lautenden Scheidemünzen erfolgte erst auf Grund der Kundmachung des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. Jänner 1925 beziehungsweise der Kundmachung des Bundesministeriums für Finanzen vom 22. Juni 1925, beide ergänzt durch Kundmachungen vom 14. September 1925, vom 27. April 1926 und andere. Die Ausprägung von Bundesgoldmünzen zu 25 und 100 Schillingen geschah auf Grund der Verordnung der Bundesregierung vom 20. Mai 1926. Die Oesterreichische Nationalbank erhielt vom Staat und zum Schutz gegen den Notendruck zugunsten des Staates eine Reihe von ausländischen Beratern, und zwar zunächst den Schweizer Schnyder von Wartensee, gefolgt von Professor Anton van Gyn und schließlich von Robert Charles Kay. Ihr Amt, das ursprünglich gleichzeitig mit dem des vom Völkerbund eingesetzten Generalkommissärs hätte enden sollen, wurde erst drei Jahre nach dem Abgang des Generalkommissärs verlängert. Während der erstgenannte der drei Berater von Mai 1923 bis Mai 1924, der zweite von Juni 1924 bis Ende 1926 und der letzte schließlich vom 1. Februar 1926 bis zur Beseitigung dieses Amtes in Funktion war, erlosch dieses Amt mit ihm. Die österreichische Geschäftsführung der Oesterreichischen Nationalbank wurde in die Oesterreichische Nationalbank übergeleitet, desgleichen die bisherige staatliche Devisenzentrale. Von der Oesterreichischen Nationalbank wurden auf Kronen lautenden Banknoten zum Nennwert von 10.000 Schilling nach dem 8. April 1924 beziehungsweise 11. Mai 1925 ausgegeben. Die von der Oesterreichischen Nationalbank ausgegebenen Banknoten verloren, soweit sie auf Kronen lauteten, ihre Zahlkraft mit 31, Dezember 1926. Im sogenannten Schatzscheingesetz vom 31. März- 1927 wurde ausdrücklich festgehalten, daß die von der Oesterreichischen Nationalbank noch zu übernehmenden Schatzscheine des Bundes noch auf Kronen zu lauten hätten. Dies wahrscheinlich, um eine gleichlautende Bezeichnung aller Schatzscheine, die bei der Nationalbank als Schuld des Bundes an die Bank verblieben, sicherzustellen. Noten der neuen Schillingwährung wurden das erste Mal in der Gestalt von Hundertschillingscheinen am 26. März 1925 ausgegeben, während weitere Noten zu fünf, zehn, zwanzig und tausend Schilling in der Zeit vom Mai bis zum Juni 1925 folgten. Hie-mit war die endgültige Einführung der Schillingwährung und der Abschluß der Kronenwährung eindeutig erfolgt.

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