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Kommt der „Kater“ nach dem Kaufrausch?

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Die Entscheidung ist gefallen. Nach häßlichem Streit-üblich in der politischen Arena, ungewöhnlich in den Direktionsetagen der Banken - hat man eine Lösung gefunden, die nicht nur von den Regierungspartien bejubelt, sondern auch von allen Oppositionsparteien (mit pflichtgemäßen Vorbehalten, versteht sich) begrüßt wird. Die Stammaktien der Republik Österreich an der Creditanstalt und damit die bestimmende Mehrheit gehen für 17,1 Milliarden Schilling an die Bank Austria, die über eine Anteilsverwaltung (AVZ) und die Wiener Holding von der Gemeinde Wien beherrscht wird. Dieser Einiluß soll schrittweise reduziert werden:

■ Zunächst werden die über der Sperrminorität liegenden Anteile in treuhändische Verwaltung übergeben, innerhalb von sieben Jahren soll die AVZ-Beteiligung in zwei Etappen auf unter 20 Prozent sinken.

■ Die ebenfalls von der Gemeinde Wien kontrollierte GiroCredit Bank wird wieder privatisiert.

■ Die Creditanstalt bleibt mindestens in den nächsten fünf Jahren als selbständiger Rechtskörper erhalten.

■ Die CA-Mitarbeiter erhalten einen -unbefristeten Kündigungsschutz.

■ Der BA-Anteil des Bundes wird mit möglichst breiter Streuung verkauft, die CA-Mitarbeiter können Aktien und damit ein - allerdings nur imaginäres - Mitspracherecht erwerben.

■ Die Anteile der CA an Investkredit und Kontrollbank werden auf andere Institute aufgeteilt.

■ Kleinaktionäre erhalten eine winzige Besserstellung.

■ Die Ausfallshaftung der Gemeinde Wien bleibt bestehen.

■Die Haftungin Sparkassen soll in einer Novelle zum Sparkassengesetz neu geregelt werden, eine Haftungsprämie wird in Aussicht genommen.

■ Ein kleiner Feil des CA-Verkaufser-löses ist für Technologieförderung bestimmt.

Ende gut, alles gut? Nein, denn bei aller Euphorie über das Ergebnis, das eine jahrelange, blamable Tragikomödie beendete und den Bruch der Koalition in letzter Minute verhinderte, sind durch die Vorgangsweise der Akteure und durch den Coup selbst gravierende politische und wirtschaftliche Nachteile zu befürchten:

Politisch haben die Begierungsparteien ungeachtet der plötzlich ausgebrochenen Jubelstimmung an Prestige und Bewegungsspielraum verloren. Die ÖVP hat die engen Grenzen ihrer wirtschaftspolitischen Gestaltungsmöglichkeit offengelegt, die fehlende Strategie, mangelnde Professionalität und interne Querelen gezogen haben. Die SPÖ hat einen Pyrrhussieg errungen.

Sie darf sich zwar zugute halten, ihren Regierungsparther über den Tisch gezogen und einen beachtlichen Machtzuwachs auf einem wichtigen Sektor errungen zu haben. Der Preis dafür aber ist ein folgenschwerer, durch die Einigung heute nur mühsam kaschierter Vertrauensverlust. In einer Koalition sind aber Vertrauen und Berechenbarkeit wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, besonders in ernsten Zeiten. Hier wurde wertvolles Kapital verspielt.

Das bedeutet nicht, daß die Koalition am Ende ist, doch wird es für die Regierung noch schwieriger, gemeinsam jene längst überfällige Maßnahmen zu beschließen und der Be-völkerung verständlich zu machen, die zur Erhaltung der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft sowie zur Sicherung des sozialen Netzes und des erreichten Wohlstands in einem veränderten wirtschaftspolitischen Umfeld (Globalisierung, EU-Mitgliedschaft) notwendig sind.

Auch die wirtschaftlichen Erwartungen der CA-Übernahme durch die Bank Austria sind keineswegs so positiv, wie sie heute allgemein dargestellt werden. Das Argument, daß ein Institut, mit einer Bilanzsumme von 1.400 Milliarden Schilling und 17.000 Mitarbeitern nunmehr an 30. Stelle in der EU, an sich „europareif“ sei, übersieht die Ertragslage.

Und hier sieht der Vergleich weniger gut aus. Sicherlich sind in manchen sich ergänzenden Bereichen beträchtliche Synergieeffekte möglich: Die BA hat eine starke Stellung im Sparkassenbereich mit Schwerpunkt Privatkunden, Gewerbe und Wohn-baufinanzierung, die CA ist im Industrie-, Wertpapier- sowie im Investmentbankinggeschäft führend und bringt seine gut ausgebauten Auslandsverbindungen ein. Beachtliche Einsparungsmöglichkeiten bietet das Zusammengehen im überbesetzten Filialnetz.

Die hier überfällige Strukturbereinigung steht allerdings im Widerspruch zum gegebenen Versprechen, den notwendigen Personalabbau ausschließlich durch den natürlichen Abgang vorzunehmen. Abgesehen davon, daß dadurch Jugendlichen der Zugang zum Bankberuf weitgehend verschlossen wird, sind Umschichtungen innerhalb der verschiedenen Unternehmensbereiche nur begrenzt möglich: Man kann aus einem Turm keinen Springer, aus einem Läufer keinen Bauern machen. Der Hinweis des Generaldirektors der Bank Austria, Gerhard Randa, daß der Personalabbau bisher allein durch den natürlichen Abgang bisher gelungen sei, ist nicht überzeugend.

Die österreichische Geldwirtschaft, auch die Bank Austria, steht erst am Anfang der unvermeidbaren Einsparungen auf dem Personalsektor. Sie hat die Bewährungsprobe größtenteils noch vor sich.

Wenn aber das Versprechen der Unternehmensleitung und der Politiker gehalten wird, daß niemand gegen seinen Willen die Bank verlassen muß, würde sich dies auf die Ertragslage und in der Folge auf die internationale Konkurrenzfähigkeit des Austrogiganten negativ auswirken. Es ist nicht zu erwarten, daß eine solche Politik unter den veränderten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen lang durchgehalten werden kann.

Wenig trostreich ist für die CA-Mitarbeiter auch die Zusicherung, die Selbständigkeit ihres Unternehmens fünf Jahrelang zu garantieren. Selbst ein Dezennium - das weiß man spätestens nach der Conti-Ga-rantie für Semperit - vergeht schnell. Erfahrungen, die langjährige Angestellte der Länderbank nach der Übernahme machten, tragen nicht zur Beruhigung bei. Es gibt Möglichkeiten, Mitarbeiter loszuwerden, ohne sie zu kündigen. Das nennt man dann natürlichen Abgang.

Der Rückzug der Politik aus der Bank Austria ist beschlossen, hat aber noch einen weiten Weg mit ungewissem Ausgang vor sich. Widerstand ist zu erwarten. Im engen Zusammenhang damit steht die Haftungsfrage. Wie kann der Bürgermeister die politische Verantwortung für die Gemeindehaftung übernehmen, wenn er keine Durchgriffsmöglichkeiten mehr auf die Entscheidungen der Bank hat?

Sparkassen wurden meist vor lan -ger Zeit - gegründet, um dem kreditsuchenden Kleingewerbe und Handel sowie den kleineren Sparern vor Ort eine Alternative zu anderen Instituten zu bieten. Da war eine Gemeindehaftung zur Bonitätssicherung unverzichtbar und gerechtfertigt. Was aber, wenn sich eine solche Gemeindesparkasse zur größten Bank des Landes entwickelt und sich für ein Take-over der zweitgrößten Bank elf Milliarden Schilling im Ausland beschafft?

Politiker versuchen, diese Problematik mit dem demagogischen Argument zu entschärfen, daß die Haftung nur im Insolvenzfall schlagend wird, den es aber im Sparkassensektor noch nie gegeben habe. Ein Konkurs sei auch bei der Bank Austria undenkbar.

Das ist richtig, doch nicht, weil es unsinkbare Schiffe gibt, sondern weil eine haftende Stadt bei drohender Gefahr mit Steuergeldern offen oder versteckt einspringen würde und in der Vergangenheit bei lokalen, notleidend gewordenen Sparkassen auch eingesprungen ist.

In der langen und nerventötenden Diskussion über den CA-Verkauf wurde seltsamerweise nie erwähnt, daß die Übernahme eines Unternehmens dieser Größenordnung zusätzliche Mittel in erheblichem Ausmaß bindet. Allein die Pensionszusagen für die CA-Mitarbeiter kosten vier bis fünf Milliarden Schilling, Beorgani-sationsmaßnahmen, Sozialpläne bei Beteiligungen und Investitionen, die die Bank auch in stürmischen Zeiten krisenfest machen sollen, könnten Geld in ähnlicher Größenordnung erfordern. Ein Anbieter, die Privatstiftung des Billa-Gründers Karl Wla-schek, hatte dafür eine Reserve von rund zehn Milliarden Schilling vorgesehen. Vielleicht hat er deshalb einige Milliarden weniger geboten als der „Restbieter“...

Der Autor ist

Publizist in Wien.

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