Der Kampf der Banken

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Zum Dossier. Im Finanz- und Bankensektor rumort es: Börsenkurse steigen ins Unermessliche, um dann wieder spektakulär abzustürzen. Gigantische Bankenfusionen werden protzig angekündigt,um dann auf peinliche Weise wieder zu scheitern. Österreichs Bankenlandschaft bleibt nicht unberührt. Was ist los in der Branche und was bringen die neuen Entwicklungen für dieBankkunden?

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Zum Dossier. Im Finanz- und Bankensektor rumort es: Börsenkurse steigen ins Unermessliche, um dann wieder spektakulär abzustürzen. Gigantische Bankenfusionen werden protzig angekündigt,um dann auf peinliche Weise wieder zu scheitern. Österreichs Bankenlandschaft bleibt nicht unberührt. Was ist los in der Branche und was bringen die neuen Entwicklungen für dieBankkunden?

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Was geht da eigentlich wirklich vor im Finanz- und Bankenbereich?" mögen sich in den letzten Wochen viele gefragt haben angesichts von Börsenkursen in den USA, die über alle vernünftigen Fundamentaldaten hinausstiegen, um dann - zumindest im Technologiebereich - abzustürzen, angesichts spektakulär angekündigter, dann peinlich gescheiterter Bankfusionen, Transaktionen über fast schon unvorstellbare Volumina. Ist es Gigantomanie oder - zumindest was den Bankensektor im engeren Sinn betrifft - der Todeskampf einer Branche, die von diversen Entwicklungen überrollt zu werden droht?

An skeptischen Stimmen hatte es zwar nicht gefehlt, als Anfang März dieses Jahres die zwei bedeutendsten deutschen Großbanken "Deutsche Bank" und "Dresdner Bank" ihre Fusion ankündigten. Doch wie immer in solchen Fällen wurden die argumentativ sehr beliebten Synergieeffekte beschworen, die pro Jahr nicht weniger als drei Milliarden Euro ausmachen sollten - einerseits wohl recht optimistisch, andererseits keine besondere Kunst, wenn 16.000 Beschäftigte abgebaut und 800 von den insgesamt 2500 Filialen beider Institute geschlossen werden sollten. Wie auch immer: Von einem "Meilenstein in der deutschen Finanzlandschaft" war die Rede, vom deutlich erkennbaren Weitblick der maßgeblichen Manager, vom "Idealfall einer Konsolidierung" und auch davon, dass dies für die Deutsche Bank wohl nur ein Zwischenschritt sein könne, bevor sie eine große amerikanische Investmentbank übernehmen und damit zum "global player" aufsteigen werde.

50 Prozent scheitern Gerade aus letzterem geht hervor, dass es natürlich nicht nur um einen einfachen, Doppelgleisigkeiten vermindernden Zusammenschluss zweier Unternehmen ging (der wäre außerdem kartellrechtlich problematisch gewesen); Kernpunkt dieser Fusion war vielmehr eine gleichzeitige strategische Umorientierung des neu entstehenden Unternehmens. Man wollte weg vom kleinen Spargeschäft, das aus Ertragsgesichtspunkten uninteressant geworden ist und das daher in eine Tochtergesellschaft, die "Bank 24", ausgelagert werden sollte, in der die einfachen Tagesgeschäfte weitgehend automatisiert abzulaufen haben.

Dagegen hätte sich das "neue" Unternehmen gerne den viel fashionableren und ertragreicheren Tätigkeitsfeldern wie Investmentbanking, Fondsgeschäften und der Beratung vermögender Großanleger widmen wollen.

So konnte sich der verschmähte kleine Sparer wohl einer ebenso kleinen Schadenfreude nicht enthalten, als es etwa vier Wochen nach den vollmundigen Ankündigungen der Fusion hieß: "Der Weltfinanzplatz (gemeint war Frankfurt) wurde zur Spielstätte für eine Provinzposse" (FAZ). Von dilletantischer Vorbereitung war die Rede, von Mega-Blamage, Desaster und so weiter. Die Verhandlungen zur konkreten Durchführung der Fusion waren abgebrochen worden, das Vorhaben schlicht gescheitert.

Im Prinzip war das nicht besonders überraschend. Es ist bekannt, dass nicht einmal die Hälfte aller Fusionen oder Fusionsversuche des letzten Jahrzehnts als Erfolg bezeichnet werden kann. Nur wenige hielten, was man sich von ihnen versprach, und die Welle spektakulärer Unternehmenszusammenschlüsse, die etwa über die amerikanischen Banken und auch andere Branchen fegte, war alles andere als eine Freude für die Aktionäre der betroffenen Unternehmen, die den Wert ihrer Papiere in der Folge gelegentlich auf bis zur Hälfte ihres vorherigen Werts geschrumpft sahen. In den USA ist es daher bereits 1999 zu einem drastischen Schrumpfen der Fusionswelle gekommen.

Die irren Summen, die bei solchen Transaktionen oft bewegt werden, gehen vielfach von unrealistischen Hoffnungen auf rasante Marktanteilsgewinne und/oder Kostensenkungen aus. Ersteres ist auf gesättigten Märkten wie denjenigen für Bankdienstleistungen aber meist nur schwer möglich. Und Kosteneinsparung durch Schließung von Zweigstellen vermindert gleichzeitig auch die Einnahmen, weil der Kontakt mit kleinen und mittleren Unternehmen verloren geht und die Sparer abwandern.

In dieses Bild passt daher sehr gut, dass es nach Bekanntgabe des Platzens der Fusion zu einem raschen Wiederanstieg der Kurse von Deutscher und Dresdner Bank kam. Offizieller Anlass für das Scheitern war im konkreten Fall der Streit um die Investmentbank "Dresdner Kleinwort Benson" (DKB), die im Eigentum der Dresdner stand und auf deren Integration in ihre eigene Tochter (Morgan Greenfell) im Zuge der Fusion die Deutsche Bank bestand, weil sie dieses Geschäft in eben dieser Tochter konzentrieren wollte. Weil dies das Ende von DKB bedeutet hätte, war die Dresdner Bank hier nicht mehr bereit mitzugehen.

Kein Monopol mehr So weit die Geschichte, und welche sonstigen Gründe für das Scheitern der Fusion ausschlaggebend gewesen sein mögen, mag hier gar nicht weiter interessieren. Wesentlicher erscheint die Frage, wieso es zu derart unüberlegt anmutenden Aktionen kommen kann, die darüber hinaus wie erwähnt auch offensichtlich gegen die Interessen der Aktionäre sind - was nicht heißen soll, dass diese immer recht haben müssen.

"Banking Industry under Stress" lautete schon vor einigen Jahren der Titel einer Studie zur Bankenlandschaft, und diese Formulierung ist aktueller denn je. Was also verursacht den Banken Stress? Zum Beispiel Äußerungen wie diese: "Die Bankfunktionen sind essentiell für die Abläufe in einer modernen Wirtschaft, nicht die Banken" (Business Week).

Das liest man als einflussreicher Bankmanager, vor dem sogar Politiker strammstehen, nicht so gern. Dennoch ist es wahr: Denn es ist Tatsache, dass sich das Wesen dessen, was eine Bank macht, in den letzten Jahren radikal verändert hat und sich auch weiter ändern wird. Banken decken heute ein wesentlich breiteres Spektrum von Tätigkeiten ab als Einlagen hereinzunehmen und Kredite hinauszugeben (was man als das traditionelle Geschäft der Finanzintermediation bezeichnet). Sie sind heute "Finanzdienstleister" im weitesten Sinn, sie diversifizieren ihre Produkte und definieren ihr Geschäft neu.

Viele dieser Dienste können jedoch zunehmend auch von anderen Anbietern geleistet werden, wie etwa von Supermärkten (die kleinere Konsumkredite vergeben oder Zahlungskarten ausgeben), von Versicherungen bis hin zu einigen Autoproduzenten, die zur Kreditabwicklung zum Ankauf ihrer Gefährte eigene Banken installiert haben. Größere Unternehmen wenden sich zur Finanzierung umfangreicherer Vorhaben direkt an Investmenthäuser, die auf Finanzierungen über den Kapitalmarkt spezialisiert sind et cetera.

Das heißt, die Banken haben ihre Monopolstellung in Hinblick auf ihren traditionellen Tätigkeitsbereich verloren. Selbst ihre Position als Mittler in der Zahlungsabwicklung und im Überweisungsverkehr ist durch die Möglichkeit, das alles elektronisch zu erledigen, bedroht.

Mit dem Einsammeln der kleinen Spargroschen - Retail-Banking heißt es im Fachjargon -, wie wir es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren und deren Anhäufung uns lange Zeit auch als Tugend vermittelt wurde, ist die ersehnte goldene Nase nicht mehr zu verdienen. Heute heißt es ganz unverblümt, dass dieses Geschäft die notwendige (für wen?) Ertragslage schwächt, es sei einfach zu personalintensiv und damit zu teuer. Die Zukunft liege im Telebanking, im Handy- und TV-Banking oder überhaupt im Internet-Banking, also in der elektronischen Abwicklung zumindest der Routinegeschäfte.

Nichts gegen diese Entwicklungen, sie bedeuten zweifellos größere Bequemlichkeit für die Konsumenten. Für die Banken selbst bringen sie weiteren Handlungsbedarf in Richtung Modernisierung, Rationalisierung und technologischer Aufrüstung.

Barrieren fallen Das wäre nun zweifellos eine zumutbare Aufgabe. Schwierig wird es nur dadurch, dass der Bankensektor auch noch von verschiedener anderer Seite unter Druck geraten ist: * Die Eintrittsbarrieren ins Bankgeschäft sind im Zuge der Liberalisierung gesunken, das heißt, neue Wettbewerber haben es jetzt viel leichter, sich zu etablieren.

* Dadurch ist es zu Überkapazitäten im Bankbereich gekommen.

n Die Konkurrenz nimmt zu und kommt wegen der oben genannten Diversifizierung auch von einem grösseren Spektrum von Mitbewerbern.

* Neue Technologien ermöglichen Bankgeschäfte auf elektronischem Weg, was entsprechende Umorganisationen erfordert.

* Die Zerlegung von Bankgeschäften in immer mehr Einzelaktionen, die separiert abgewickelt werden können, ermöglicht eine Strategie des "Rosinenpickens", um den anderen die weniger ertragreichen Elemente zuzuschieben.

* Zunehmende Konkurrenz kommt auch vom Kapitalmarkt, der Finanzierungen im Gegensatz zum traditionellen Kredit in verbriefter Form (also als Wertpapier) anbietet.

* Und natürlich darf unter all diesen Gründen auch die Globalisierung nicht fehlen: Deregulierung und Harmonisierung der Geschäftsbedingungen machen es immer leichter, die nationalen Grenzen zu überspringen. Ineffiziente Bereiche werden dadurch rasch marginalisiert.

Die Banken müssen also ihre Rolle neu finden und definieren. Das ist gefährlich und verleitet zur Übernahme größerer Risiken als üblich, wenn man der erste sein will, der das neue Konzept gefunden hat.

Todeskampf der Banken? Das vielleicht nicht gerade, aber es ist klar, dass wir den Bankenbereich, wie wir ihn lange erlebten, in zehn Jahren (oder weniger) nicht wiedererkennen werden. Bis dahin bleibt Stress angesagt, und wir werden noch manche spektakuläre Aktion gelingen oder auch misslingen sehen. Wieweit die österreichischen Banken diesen Stress ertragen werden, bleibt abzuwarten.

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