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Ein Dschungel überholter, veralteter Paragraphen

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Das österreichische Geld- und Kreditwesenrecht, das die Rechtsverhältnisse des Kreditapparates (Sparkassen, Banken, Kreditgenossenschaften, Hypothekenbanken) regelt, muß dem unbefangenen Betrachter als unübersichtliches Konglomerat zahlloser Rechtsvorschriften anmuten. Tatsächlich stammen noch Vorschriften aus dem vorigen Jahrhundert (das Spar- kassen-Regulativ aus 1844) oder es handelt sich um ehemals deutsche Rechtsvorschriften (wie das deutsche Kreditwesengesetz aus 1939).

Tatsächlich gibt es auch aus dem Jahre 1969 einen Entwurf für eine Neufassung des „Paketes der Kreditwesengesetze“ (KWG), den „Kören- Entwurf“, wobei jedoch nur zwei Gesetze - das neue Postsparkassengesetz und eine Novelle zum Nationalbankgesetz - verabschiedet werden konnten.

Grundsätzlich ist eine Neufassung des Kreditwesenrechtes in Österreich zu begrüßen, nicht nur wegen der herzustellenden Übersichtlichkeit, sondern vor allem auch auf Grund der Tatsache, daß zahlreiche Rechtsvorschriften durch die Entwicklung der Realität heute als veraltet und überholt gelten müssen. So zum Beispiel sind die österreichischen Sparkassen - die eine über 150jährige Geschichte aufweisen - verhalten, „zur Belebung der Arbeitsamkeit und Sparsamkeit jedermann, besonders aber den minderbemittelten Kreisen der Bevölkerung, Gelegenheit zu bieten, Ersparnisse ohne Schwierigkeit und Zeitverlust als Kapital sicher und fruchtbringend anzulegen …“. Demgegenüber waren die Banken ursprünglich als Dienstleistungsbetrieb für die Unternehmungen konzipiert. Die gesellschaftliche Realität hat jedoch in den letzten Jahrzehnten - nicht nur in Österreich - einen eindeutigen Trend zur sogenannten „Universalbank“ gebracht.

Diese Entwicklung bewirkte, daß sich vor allem Sparkassen, aber auch Raiffeisenkassen zunehmend um die Finanzierung der Wirtschaft bemühten, während die Aktienbanken plötzlich den „kleinen Mann“ entdeckten und ihre Filialnetze erweiterten.

Eine derartige Entwicklung macht eine Erweiterung der Befugnisse der Sparkassen notwenig, die rechtlich nach wie vor der Gemeinnützigkeit verpflichtet sind, keine Gewinne ausweisen dürfen, da sie auch keine Eigentümer (Aktionäre odef Gesellschafter) haben und gewisse Geschäfte gar nicht betreiben dürfen.

Das neue Kreditwesenrecht soll also diesen geänderten Verhältnissen Rechnung tragen und eine möglichst große „Gleichheit“ im Kreditapparat herstellen. Die Tücke sitzt jedoch auch hier im Detail, denn es finden sich auch Gleichbehandlungen in den Fällen, in denen zweifellos Besonderheiten der Sektoren vorliegen, wodurch erneut Ungleichgewichte erzeugt oder verstärkt werden; das heißt, namhafte Bankkreise fürchten, daß die neue Regelung nicht wettbewerbsneutral sein wird, also gewisse Gruppen bevorzugt werden könnten.

So etwa strebt man im Rahmen des „Gläubigerschutzes“ eine gewisse Mindestkapitalausstattung der Kreditinstitute an (wie diese auch in anderen Ländern bereits Gesetz ist); dies bedeutet, daß ein gewisser Prozentsatz der Verpflichtungen durch entsprechende Eigenmittel gedeckt sein muß. Grundsätzlich soll dieser Regelung nicht widersprochen werden, doch hat sich immer wieder gezeigt, daß es im Fall des Falles gleichgültig ist, ob eine Bank drei oder vier Prozent Eigenkapital hat; es müßten also noch andere Vorkehrungen getroffen werden, daß in dem Fall, in dem ein Institut in Schwierigkeiten gerät, für den Einleger entsprechend vorgesorgt ist.

Hier haben die österreichischen Sektoren bislang bewiesen, daß der sektorale Haftungsverbund (Haftungspool) tadellos funktioniert. Es kann daher faktisch gar nicht der Fall eintreten, daß etwa eine Sparkasse ernsthaft in Schwierigkeiten gerät, da der aus 166 Sparkassen bestehende Sektor sofort in der Lage ist, einzuspringen. Es sollten also bei der Neufassung des Kreditwesenrechtes auf bereits funktionierende Haftungspools Rücksicht genommen werden.

Grundsätzlich begrüßt werden auch bestimmte organisatorische Reformen, die darauf abzielen, das Management der Sparkassen den aktienrechtlichen Normen anzugleichen, doch hat man in bestimmten Kreisen bezüglich der Einführung des sogenannten „Vieraugenprinzips“ (das ist die Vorschrift, daß jedes Kreditinstitut von zwei hauptamtlichen Leitern geführt werden muß) Bedenken, denn diese Vorschrift wäre nicht nur ein systemwidriger Eingriff in die Gestaltungsfreiheit (so gibt es z. B. keine Vorschrift betreffend die Zahl der Geschäftsführer einer Ges. m. b. H.), sondern könnte vor allem für kleinere Institute durch die dadurch steigenden Personalkosten echte Probleme bringen. Sicherlich ist es grundsätzlich wünschenswert, wenn allzu kleine Einheiten durch Fusionen größer und damit wirtschaftlich stärker werden, doch erscheint eine fortschreitende Konzentration im österreichischen Kreditapparat nicht als wünschenswert.

Obwohl über den Zeitpunkt einer neuen Regelung im Kreditwesen Unklarheit besteht, so sind in den letzten Jahren bereits gewisse Vorentschei dungen gefallen, die - so ein Banker - „ein neues KWG nicht mehr so vordringlich erscheinen lassen, da von wesentlichen Grundsätzen bereits abgegangen wurde.“

Dies betrifft vor allem die - insbesondere von den verstaatlichten Banken und der Gewerkschaftsbank BAWAG - geforderte Freigabe der Filialgründung. Hier hat der Finanzminister bereits zu erkennen gegeben, daß er einer Liberalisierung nicht im Wege stehen will. Im neuen KWG-Entwurf entfällt die Filialgenehmigung durch das Ministerium.

Bisher übte der Finanzminister sein Bewilligungsrecht auf Grund von Absprachen innerhalb des Kreditapparates aus, die einen Wildwuchs an Zweigstellen verhinderten. Man wollte im Kreditapparat nicht eine ähnliche Entwicklung wie bei' den Tankstellen erleben, deren Anzahl in den letzten Jahren rückläufig ist, da sich durch die scharfe Konkurrenz zahlreiche Tankstellen als unrentabel erwiesen haben. Vor allem die Aktienbanken jedoch erwarten sich von einer Vergrößerung ihrer Netze Marktanteilsgewinne zu Lasten der anderen Sektoren, insbesondere im Einlagengeschäft.

Eine Neuentwicklung stellen auch die verstärkten Aktivitäten der staatlichen Postsparkasse im Massenge- schäft dar sowie die neugegründete „Konsum-Bank“, die im Begriff ist, die Geschäftstätigkeit aufzunehmen.

Die entscheidende Konzessionser weiterung wurde der Konsum-Bank Mitte 1976 erteilt; auf die Möglichkeiten, die sich im Rahmen der Konsum-Organisation auf Grund des bereits bestehenden Netzes ergeben (rund 1200 Geschäfte!), braucht nicht erst hingewiesen zu werden.

Letztlich ist auch durch das Zweite Abgabenänderungsgesetz bereits eine wesentliche Entscheidung für das Kreditwesen gefallen: Ab 1. Jänner 1978 gibt es für gewisse Sektoren keine nennenswerte steuerliche Sonderbehandlung mehr. Die Begünstigungen der Postsparkasse und der Genossenschaften wurden völlig gestrichen, Sparkassen und Hypothekenbanken erhalten als „eigentümerlose“ Institute eine Steuerentlastung in der Höhe von 10 Prozent. Die Sparkassen werden auf Grund der neuen Rechtslage ihre Subventions- und Spendentätigkeit überprüfen müssen, denn die zusätzliche Steuerbelastung wird dem Sparkassensektor allein rund 560 Millionen kosten (berechnet für 1976).

Freilich, die Sparkassen sollen für den Verlust der steuerlichen Sonderstellung nicht nur eine Erweiterung ihres Geschäftsbereiches erhalten, sondern auch die - aktienrechtliche - Schachtelbegünstigung (Beteiligungsgeschäft), doch haben hier die Aktienbanken bereits eine langjährige Tradition und somit auch einen starken Vorsprung.

Ziel einer Neuregelung des gesamten Kreditwesens soll sein, nicht nur einen funktionsfähigen Kreditapparat zu gewährleisten, sondern vor allem auch den entsprechenden Schutz der Gläubiger sicherzustellen. Doch sollte bei der Neufassung auf die spezifischen Differenzierungen im österreichischen Kreditapparat durch differenzierte Behandlung Rücksicht genommen werden: Nicht die formale Gleichstellung, sondern die materielle- Gleichbehandlung ist ausschlaggebend. An diesem Kriterium müssen die Entwürfe gemessen werden.

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