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Trotz Teuerungswelle überdurchschnittlich hohe Zuwachsraten!

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Frage: Beeinflußten Ihrer Meinung nach die gegenwärtige Inflationsrate und die allgemeine Teuerungswelle die Spareinlagenentwicklung?

Dr. S t ö r c k : Zweifellos konnten innerhalb der gesamten österreichischen Kreditwirtschaft gewisse Auswirkungen der derzeitigen Entwicklung, die sich insbesondere in einer Kosteninflation äußert, dahingehend festgestellt werden, daß bei der Bevölkerung eine verstärkte Konsumneigung verzeichnet werden kann und die Zuwachsraten des Spareinlagenaufkommens, mit deren stark ansteigender Tendenz wir in den letzten Jahren verwöhnt wurden, derzeit stagnieren.

Wir glauben allerdings, daß sich der Sparer auch heute nicht davon abhalten läßt, die ihm auf Grund steigender Masseneinkommen zufließenden Beträge auf sein Sparkonto zu legen und sich die Verfügbarkeit hierüber entsprechend einzuteilen. Hierbei ist zu beobachten, daß sich der seit längerem feststellbare Trend zur höher verzinslichen Veranlagung in verstärktem Maße fortsetzt, der Sparer somit immer mehr zum zinsbewußten Sparer wird, der seine Sparschillinge längerfristig zu hoben Zinssätzen veranlagt beziehungsweise von den Möglichkeiten des Bau- und Wertpapiersparens oder sonstiger Sparformen Gebrauch macht, wie sie auch der österreichische Volksbankensektor bereits seit geraumer Zeit seinen Kunden anbietet.

Daß diese Entwicklung nicht nur auf die erwähnte Teuerungsrate, sondern auch auf ein erhöhtes Zinsbewußtsein des Sparers zurückzuführen ist, zeigt unter anderem die Tatsache, daß auf dem österreichischen Volksbankensektor, auf dem das Spareinlagenaufkommen in besonderem Maße die wichtigste Stütze des Fremdmittelaufkommens bildet, und der auf Grund seiner Struktur einen besonders engen Kontakt gerade mit dem kleinen Sparer hat, zur

Jahresmitte 1972 erfreulicherweise nicht nur — wie gewohnt — Zuwachsraten im Spareinlagengeschäft verzeichnet werden konnten, die weit über dem Gesamtdurchschnitt der Kreditinstitute liegen, sondern im Gegensatz zur allgemeinen Entwicklung nominell wie prozentuell erhöhte Zuwachsraten feststellbar waren. Die Spareinlagen haben damit die 14-Milliarden-Schilling-Grenze, die Gesamteinlagen die 18-Milliar-den-Schilling-Grenze überschritten.

Frage: Würden Sie uns, bitte, etwas über die Entwicklung des österreichischen Genossenschaftsverbandes sagen, der ja heuer das Fest seines hundertjährigen Bestehens beging?

Dr. S t ö r c k : Auf Ihre Frage ist vorerst zu antworten, daß der österreichische Genossenschaftsverband in seiner Gesamtheit nicht einen Sektor an sich repräsentiert, sondern ein großes und vielfältiges Spektrum privatwirtschaftlicher Initiative auf genossenschaftlicher Basis darstellt, wie es sich in der Vielzahl der verschiedenartigen Genossenschaften des Produktions-, Vertriebs- und Dienstleistungssektors ebenso widerspiegelt wie bei den gewerblichen Kreditgenossenschaften.

Die hundert Jahre, die der Verband nunmehr besteht, waren, eng mit der Entwicklung der heimischen Wirtschaft verbunden und daher den großen Belastungen, wie sie insbesondere aus der Folge von zwei Weltkriegen entstanden sind, ausgesetzt. Es kann als das erfreulichste Positivum im Jubiläumsjahr betrachtet werden, daß sich trotz der vielfachen Krisen, welche die letzten hundert Jahre gekennzeichnet haben, der genossenschaftliche Gedanke der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung so ausgezeichnet bewähren konnte und die auf freiwilliger Basis gebildeten Gemeinschaften vor allem nach dem zweiten Weltkrieg eine so eindrucksvolle Aufbauarbeit leisten konnten.

Als geschlossener Sektor kann die stärkste Gruppe der gewerblichen Genossenschaften, das sind die Kreditgenossenschaften, bezeichnet werden, die allgemein insbesondere unter dem Namen „Volksbaniken“ bekannt sind. Diese Institute, die heute bereits an mehr als 300 Plätzen in Österreich vertreten sind, konnten eine überdurchschnittlich gute Entwicklung nehmen, die sich in den wachsenden Anteilen an den Gesamtbeständen der österreichischen Kreditwirtschaft äußert.

Die Gesamtbilanzsumme des Sektors nähert sich bereits der 30-Mil-liarden-Schilling-Grenze. Aber auch die Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften erzielten bemerkenswerte Erfolge und haben teilweise eine maßgebliche Bedeutung für die heimische Wirtschaft erlangt, so zum Beispiel die ADEG, die als Großhandelsunternehmen mehr als 3000 Einzelhandelsunternehmen betreut und 1971 bereits einen Umsatz von rund 2,2 Milliarden Schilling erzielen konnte.

Frage: Wie sehen Sie das Verhältnis der Kreditgenossenschaften zu den übrigen Gruppen der österreichischen Kreditwirtschaft?

Dr. S t ö r c k : Ich erwähnte bereits, daß die Volksbanken vor allem bei den Spareinlagen laufend überdurchschnittliche Zuwachsraten erzielen konnten und dadurch auch ihren Marktanteil ständig vergrößerten, so daß dieser Anteil beim Spareinlagenaufkommen rund neun Prozent beträgt.

Die Zuwachsraten liegen zur Jahresmitte 1^72 mit 18 Prozent bei den Spareinlagen beziehungsweise Gesamteinlagen und 20 Prozent bei den Krediten durchwegs über denen des gesamten Kreditsektors (15 Prozent beziehungsweise 19 Prozent).

Frage: Wie würden Sie die besonderen Aufgaben der Volksbanken umreißen?

Dr. S t ö r c k : Die Aufgabenstellung der Volksbanken ergibt sich aus ihrem genossenschaftlichen Grundauftrag zur Förderung der Wirtschaft ihrer Mitglieder, zu denen sich neben den kleinen und mittleren Betrieben der gewerblichen Wirtschaft, die ja das Fundament der Volksbankenarbeit darstellen, in immer zunehmendem Maße alle Kreise der Bevölkerung gesellen, insbesondere die große Zahl der unselbständig Erwerbstätigen, so daß die Volksbanken — wie schon ihr Name sagt — bereits zu echten Banken für die gesamte Bevölkerung geworden sind.

Die Aufgaben der Volksbaniken erwachsen daher aus der Struktur ihrer Mitglieder und haben deshalb mit den zunehmenden Wünschen der Volksbankenkunden Schritt halten müssen. Aus diesem Grunde sind die Volksbanken als Universalbanken anzusprechen und waren dies schon seit jeher, da sie seit ihrem Bestehen die Gesamtheit der Wünsche ihrer Mitglieder zu berücksichtigen hatten.

Die zukünftigen Aufgaben der Volksbanken sind um so gewichtiger, als es sich gerade bei der Betreuung des Mittelstandes im weitesten Sinne des Wortes um Fragen der Finanzierung von Umstrukturierungen und Modernisierungsmaßnahmen verschiedenster Art handelt, die vor allem für die mittelständischen Betriebe des Gewerbes und des Handels notwendig sind, um konkurrenzfähig zu bleiben. Doch auch der Fremdenverkehr als bedeutende Sparte stellt große Finanzierungsaufgaben.

Wußten Sie schon.. •

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. daß auf dem österreichischen Volksbankensektor neben den Volksibanken die „Oberösterreichische Volkskreditbank“, Handels- und Gewerbebanken, eine Spar- und Vorschußkasse, das „Wiener Spar- und Kreditinstitut“, die „Wiener Genossenschaftsbank“ dem „österreichischen Genossenschaftsverband“ angehören.

... daß dem Genossenschafts-verband zwei Bausparkassen angehören, die zusammen den Marktanteil von rund 45 Prozent der österreichischen Bauspargeschäfte tätigen?

____daß das „Wiener Sparund Kreditinstitut“ das älteste Kreditinstitut auf dem Wiener Volksbankensektor ist und bereits dm Jahr 1871 gegründet wurde, also schon mehr als hundert Jahre alt ist.

... daß dem „österreichischen Genossenschaftsverband“ auch die ADEG angehört, die im Jahr 1971 allein im Großhandel 2,2 Milliarden Schilling umsetzte und der heute 3087 Einizelhandelsunterneh-men angehören?

... daß einer der berühmtesten Förderer der österreichischen Kreditgenossenschaft in ihren Anfangsjahren Enzherzog Johann war?

... daß 30 Prozent des selbständigen Schuhhandels in Österreich in den Genossenschaften „Ring Schuh“, „Egos“ und „Salamanderbund“ vereint sind und ebenfalls dem „österreichischen Genossen-schaftsveriband“ angehören.

... daß die Austria-Presse-Agentur (APA), die führende Nachrichtenagentur Österreichs mit Mitarbeitern in allen Bundesländern, mit einem Nachrichtendienst, der Ihnen täglich das Neueste aus aller Welt via Zeitung, Radio und Fernsehen ins Haus bringt, auch Mitgliedsbetrieb des „österreichischen Genossenschaftsverbandes“ ist?

... daß auch Heimatwerke dem „österreichischen Genossenschaftsverband“ angehören?

... daß zu den 350 Volksban-ken und Volksbankfilialen im Clenossenschaftsverband noch 177 zum Teil hier angeführte Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften gehören?

Es gehören dazu: .100 Einkaufsgenossenschaften, 21 Verkaufsgenossenschaften, 15 Verwertungsgenossenschaften, 24 Produktionsgenossenschaften, 8 Produktevgenossenschaf-ten,

2 Elektrizitätsgenossenschaften, 14 Verkehrsgenossenschaften, 19 Dienstleistungsgenossenschaften,

6 sonstige Genossenschaften und dazu, wie erwähnt, noch die 160 Volksbanken mit ihren insgesamt mehr als 350 Bank-steilen in Österreich.

... daß Generaldirektor

Kommerzialrat Erich Man-hardt, der übrigens dieser Tage seinen 70. Geburtstag feierte, seit nunmehr 25 Jahren an der Spitze des Spitzeninstitutes der Volksbanken Österreichs, nämlich der Zentralkasse, steht, heuer den 40. Jahrestag seiner Arbeit im Bankwesen beging.

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