6687440-1962_23_04.jpg
Digital In Arbeit

Öffentliche, Hand — der größte Kapitalist

Werbung
Werbung
Werbung

Diese Studie ist denn auch in der Tat bemerkenswert. Fußend auf den Zahlen von 1961, erbrachte die Untersuchung das (für Kenner der Materie kaum überraschende) Resultat, daß Österreichs einflußreichster Großaktionär — sozusagen der größte ..Kapitalist“ unseres Landes — die öffentliche Hand ist. Bund, Länder und Gemeinden besitzen nicht weniger als 54,1 Prozent des Kapitals der 492 Aktiengesellschaften Österreichs (deren Grundkapital die beachtliche Höhe von 22 Milliarden Schilling erreicht). 44,7 Prozent sind allein im Portefeuille des Bundes. Rechnet man hinzu die drei verstaatlichten Aktienbanken und den vielfach verschachtelten Aktienbesitz dieser Banken und der verstaatlichten Industrie, erweist sich am Ende, daß rund 70 Prozent aller österreichischen Aktien direkt oder indirekt im Besitz der öffentlichen Hand sind. Um weniges geringer ist auch der Anteil, der mit Hilfe von Mehrheitsbeteiligungen oder Sperrminoritäten von Bund, Ländern, Gemeinden, verstaatlichten Banken und verstaatlichter Industrie kontrolliert wird.

Der Anteil.des österreichischen Privatbesitzes — Einzelpersonen, ..Familienkonzerne“ und Perscmengesgll-schaften — ist mit rund 7 Prozent des Kapitals (und Kontrolle über 10,1 Prozent) vergleichsweise gering. In ausländischem Besitz befinden sich 13,5 Prozent des Aktienkapitals (und ausländische Kontrolle erfaßt 18,4 Prozent des Grundkapitals). Beim Rest handelt es sich um nicht näher erfaßbaren Streubesitz; für 8,3 Prozent des Grundkapitals konnte die Untersuchung keine mehrheitliche Beteiligung eines Aktionärs nachweisen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Aktiengesellschaften ist unverhältnismäßig größer, als ihre Zahl zunächst vermuten ließe. Von den rund 230.000 industriellen und gewerblichen Betrieben Österreichs befinden sich nur 840 im Eigentum von Aktiengesellschaften. Sie beschäftigen hingegen nicht weniger als 250.000 Arbeiter und Angestellte und erzeugen 26 Prozent des jährlichen Netto-Produktionswertes.

Demgegenüber fallen die Gesellschaften mit beschränkter Haftung — 2185 an der Zahl — weniger ins Gewicht: Ihnen sind acht Prozent des Netto-Produktionswertes zuzuordnen. Die Arbeiterkammer hat bei diesen Gesellschaften keine Totalerhebung durchgeführt, sondern nur die 377 wichtigsten durchleuchtet. Ihr Grundkapital nimmt sich mit 2,9 Milliarden gegenüber dem Kapital der Aktiengesellschaften eher bescheiden aus. Es dominiert der ausländische Einfluß mit 46,8 Prozent (was vor allem darauf zurückzuführen ist, daß sich die Rechtsform der Ges. m. b. H. als die geeignetste für die Gründung von Tochterbetrieben ausländischer Unternehmen erweist). 17,2 Prozent des Kapitals der 377 Gesellschaften befinden sich in Privatbesitz, und die öffentliche Hand kontrolliert direkt oder indirekt rund 36 Prozent.

Die noch florierenden privaten Aktiengesellschaften und Familientrusts der Mautner-Markhof, Schoeller, Reis-ninghaus oder Meinl nehmen sich neben dem Riesentrust der verstaatlichten Industrie — die größte AG. sind die VÖESt. mit 1,4 Milliarden Grundkapital — und den Wirtschaftsimperien der verstaatlichten Banken aus wie ein Gemischtwarenhändler neben einem modernen Supermarket. Mit Ausnahmen bestehen die privaten Interessen vor allem an verhältnismäßig kleinen Betrieben der Finalindustrie sowie bei Lebensmittelerzeugung und Getränken. Die öffentliche Hand dagegen kontrolliert Bergbau, Energiewirtschaft und Schwerindustrie; Tochter-, Enkel- und Urenkelunternehmen verstaatlichter Betriebe sind allerdings auch im Handel tätig, und die Bankenkonzerne erstrecken sich mit ihren vielfach verflochtenen und verschachtelten Mehrheitsbeteiligungen und Sperrminoritäten in alle Zweige der Wirtschaft, vom Autoreifen bis zum Hotelgewerbe, von Kraftfahrzeugen bis zum Senf und vom Teppich bis zum Coca-Cola (dessen Erzeugungsfirma über eine zwischengeschaltete Gesellschaft weitgehend im'Besitz def Creditanstnlt-Bankverein ist). . .

Die Bankenkonzerne fielen dem Staat bekanntlich als reife Frucht in den Schoß; ihre Tradition datiert allerdings bis vor die Jahrhundertwende, als die Großbanken begannen, sich durch möglichst breit gestreute Industriebeteiligungen gegen Krisen abzusichern. Die Industrieimperien der Großbanken entstanden in der Zeit zwischen 1895 und 1914. Der Zusammenbruch der Monarchie leitete dann einen langwierigen Liquidationsprozeß der Beteiligungen in den Nachfolgestaaten ein. Während der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre wurde die Basis der Bankenkonzerne jedoch durch „Neuzugänge“ wieder verbreitert. Die alten Traditionen erwiesen sich auch nach dem zweiten Weltkrieg als erstaunlich langlebig. Auf die Geschäftsführung der Institute hatte die Übernahme der Banken in den Staatsbesitz recht wenig Einfluß. Auch nach der Verstaatlichung führten sie — ein psychologisch und soziologisch bemerkenswertes Faktum, das einer näheren Untersuchung wert wäre — ihr Eigenleben weiter. Auf Vorhalte des Rechnungshofes konnten die Manager der Creditanstalt (1958) antworten, durch ihre Beteiligungen sei die Bank „Vollstreckerin der allgemeinen Wirtschaftspolitik“.

Diese Feststellung scheint durchaus zutreffend, nimmt man den Trust der CA unter die Lupe. Die wichtigsten Konzernbetriebe der Bank, Semperit und Steyr-Daimler-Puch, bilden wieder Konzerne für sich: Steyr ist etwa an den Saurer- und Kromag-Werken und an der Enzesfeld-Caro-AG. beteiligt, Semperit an mehreren Plastik- und Gummiwarenindustrien und an den Reithoffer-Filialen. Die Verflechtung geht aber noch weiter. Semperit besitzt beispielsweise 26 Prozent der Aeterna-Schuhindustrie (41 Prozent bei der Züricher Holding-Gesellschaft des westdeutschen Salamander-Konzerns). Weitere 26 Prozent liegen bei der Del-Ka-Schuhindustrie. die sich wieder im Besitz der AVA befindet, der Ratenkreditbank des CA-Konzerns. Ein in-1 struktives Beispiel der Verschachtelung im Bereich der „kalten“ Verstaatlichung.

Zum CA-Konzern. “dem größten Bankentrust, zählen .Firmen mit. bekannten Namen (die knappe Aufzählung erhebt noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit): Neben den bereits erwähnten Unternehmen die Austria-Email AG. mit ihren Tochtergesellschaften F. Siemens AG. und Triumph-Werke Wels; Hutter & Schrantz,

Lapp-Finze-Eisenwarenfabriken, die Österr. Armaturengesellschaft mit ihren Tochterbetrieben; die Maschinenfabriken Heid und Andritz; die Jenbacher Werke; die Wertheim-Werke; Wienerberger Ziegel, Stölzle Glasindustrie; Pottendorfer Spinnerei und Felixdorfer Weberei, die Hanf-, Jute- und Textilindustrie-AG., die Pa-tria-Spinnerei; Philipp Haas & Söhne; Guntramsdorfer Tuchfabrik; die Papierfabriken Leykam-Josefsthal und Mürztaler; Th. Etti AG; Internationale Getreide- und Warenhandels-AG; via die Bank von Oberösterreich und Salzburg (an der die CA direkt und über die Bank für Tirol und Vorarlberg auch indirekt beteilig ist); Anteile an der J. Estermann AG; die Universale- und die Union-Baugesellschaft; die Hotels Bristol und Imperial in Wien und Luxushotels in den Bundesländern; ■ das Warenhaus Steffi in Wien.

Die größten Unternehmungen des Länderbank-Konzerns sind die Waag-ner-Birö-AG und die Zellwolle Lenzing (33 Prozent bei der CA). Zum Konzern des Österreichischen Credit-instituts zählen die Pottensteiner Tuchfabrik, die Textilfabrik B. Altmann, die Speditionsgesellschaft Schenker & Co. und die „Neue Reformbau“ Wien, Graz und Salzburg, zusammengefaßt in der Konstruktiva AG, ferner ein 50prozentiger Anteil an den Treib-acher Chemischen Werken und eine Hotelgesellschaft.

Die Auslandsbeteiligungen sind mit 2,9 Milliarden Nominale bei den Aktiengesellschaften und 1,3 Milliarden bei den Ges. m. b. H. verhältnismäßig gering. Dabei führen bei den Aktiengesellschaften die USA (34.1 Prozent), Großbritannien (20.1) und die Schweiz (11), bei den Gesellschaften m. b. H. Benelux (28.6 Prozent), Schweiz (19,7), Westdeutschland (18,1) und die USA (14,3). Problematisch erscheint die Überfremdung bei den großen Versicherungsgesellschaften; in anderen Wirtschaftszweigen wurde sie bisher offensichtlich überschätzt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung