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Von der Marktmacht zur Marktherrschaft

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Die Marktmacht kann zur Marktherrschaft führen, das heißt, zur legitim begründeten Möglichkeit eines Marktteilnehmers, anderen Marktteilnehmern und, bis zu einer gewissen Widerstandsgrenze, auch den Käufern seinen Willen aufzuzwingen, also ihr Verhalten weitgehend im Sinn der eigenen (Gewinn-) Vorstellungen zu bestimmen.

Wie immer man sich zur Konzentration als einen kaum mehr völlig zu disziplinierenden wirtschaftlichen Prozeß stellt: Die Tendenz, den freien Wettbewerb zu begrenzen, wenn nicht durch Etablierung eines Mono- poles völlig zu beseitigen, liegt allen Konzentrationsbestrebungen zugrunde. Dieser Sachverhalt allein kann freilich noch nichts darüber sagen, ob die Konzentration selbst volkswirtschaftlich nützlich oder schädlich ist.

Zusammenrticken oben…

Zur Kennzeichnung des Ausmaßes der Konzentration gibt es eine Fülle von Belegmaterial, aus dem gleichsam wahllos einige markante Daten vorgelegt werden sollen:

In fast allen Ländern machen derzeit nach einer Untersuchung von McGraw-Hill ein bis zwei Prozent der Unternehmungen 70 bis 80 Prozent des Umsatzes.

Bei den 100 größten Untemeh- mungsverbtadungen der BRD ist der Konzentrationsgrad zwischen 1954 und 1960 von 33,6 Prozent auf 38,8 Prozent gestiegen.

In den USA haben seit 1950 die 200 größten, dort etablierten Unternehmungen 2000 andere Unternehmungen durch Fusion aufgenommen.

Während es in Großbritannien vor dem zweiten Weltkrieg noch 70 Autohersteller gegeben hat, sind es derzeit nur noch zwölf.

In Italien stehen Montecatini und Edison vor dem Zusammenschluß und werden nach Fusion bei einzelnen Chemikalien bis 75 Prozent der italienischen Produktion beherrschen sowie 18 Prozent der europäischen Schwefelsäure produzieren.

Die 100 größten Unternehmungen Frankreichs batten 1958 bereits 1900 Beteiligungen an anderen Unternehmungen. Die 975 Direktoren nahmen in den Verwaltungsgremien anderer Unternehmungen 3120 Sitze ein.

Zuweilen weist man darauf hin, daß die „Eigentumsstreuung“ zunimmt. Als Beispiel werden die USA

angeführt. Tatsächlich sind nicht weniger als 17 Millionen Staatsbürger der Staaten (ein Sechstel der Erwachsenen) heute Eigentümer von Wertpapieren, meist von Anteilspapieren (Aktien). Anderseits hat aber ein Tausendstel der Steuerpflichtigen 19,5 Prozent des gesamten Aktienkapitals in Händen. Wenn man die Empfänger eines Einkommens ab 25.000.— p. a. nimmt, stad es 48 Prozent. Paul Gettybesitzt allein Anteile an der Getty Oil Company im Kurswert von etwa 300 Millionen Dollar.

…und unten

Während sich die Konzentration im Bereich der Fertigung bereits seit Jahrzehnten vollzieht, ist die Konzentration im Einzelhandel jüngeren Datums und vor allem durch die Bildung von Warenhausketten drastisch markiert.

Die großbetrieblichen Formen der

Warenproduktion sind von der Käuferpsychose nicht so sehr bestimmt wie der Einzelhandel. In manchen Ländern kommt etwa das Warenhaus bei den Letztverbrauchern nicht gut an. Wenig in Frankreich, wo noch immer 70 Prozent der Hausfrauen beim kleinen (und allzu kleinen) Einzelhändler einkaufen.

In Luxemburg ist die Errichtung von Warenhäusern überhaupt verboten. In der BRD entfallen dagegen nur mehr 50 Prozent des Einzelhandelsumsatzes auf ungebundene Händler; im Lebensmittelhandel sind es lediglich sechs Prozent.

In den USA gab es 1920 noch zwei Millionen Einzelhändler; 1965 waren es nur noch 300.000.

In Schweden werden in den nächsten fünf Jahren von derzeit noch bestehenden 70.000 Geschäften 18.000 Einzelhandelsgeschäfte liquidiert.

In einem nicht geringen Umfang sind es Banken, die heute als Finanzkapitalismus neben den Produzenten- und den Händlerkapitalismus treten: Der Börsenwert der Beteiligungen der Deutschen Kommerzbank liegt bei 900 Millionen D-Mark, jener der Dresdener Bank (sie ist unter dem alten Namen in der BRD wieder errichtet worden) bei 1,16 Milliarden D-Mark. Die Deutsche Bank hat sogar Beteiligungen in der Höhe von 1,7 Milliarden D-Mark. Dementsprechend hoch sind auch die Ausschüttungen (56 Millionen D-Mark).

Als Folge des Größenwachstums einzelner Unternehmungskombinationen und Unternehmungen, die nun stellvertretend für die Wirtschaft ihrer Länder, wenn nicht ganzer Kontinente, stehen, hat sich eine neue Eigentumsordnung etabliert neben jener, die den Namen Privateigentumsordnung verdient, und neben der kollektivistischen Ordnung beziehungsweise der Gemeinwirtschaft (die beide keineswegs identifiziert werden dürfen).

„Privates“, nicht persönliches Eigentum„

Bisher war man gewohnt, in einer pädagogischen und oft auch in einer pamphletischen Vereinfachung von einer zweigeteilten Eigentumsordnung auszugehen: In den konventionellen Vorstellungen standen einander die kollektivistisch-etatlstische und die Privateigentumsordnung gegenüber. Nun erweist es sich, daß man angesichts der Vermögenskomplexe, die von als „privat“ etikettierten Konzentrationsgebilden verwaltet werden, von einer „dritten“ Eigentumsordnung sprechen muß, die durchaus eigenständige Merkmale aufweist, unter anderen:

1. Der Eigentümer ist meist keine physische Person, also kein „Privater“. Daher bedeutet es einen sprachlichen Mißbrauch, wirtschaftliche Mammutsgebilde, deren Eigentümer juristische Personen sind, bedenkenlos der Privatwirtschaft zuzurech nen. Wenn der Eigentümer eine physische Person ist, dann hat er meist keinen Einfluß auf die Führung „seines“ Unternehmens. Eigentumsrecht und Eigentumsgebrauchsrecht stad getrennt.

2. Die Führung der Unternehmungen liegt überwiegend in den Händen von angestellten Nichteigentümern, deren Vorstellung von Gewinnerzielung und vor allem von Gewinnverwendung keineswegs stets mit dem Eigentümerinteresse abgestimmt werden kann. Die Eigentümer werden dadurch zu Finanziers, die nur in größeren Zeitabständen auf die Verwaltung ihres Eigentums Einfluß nehmen können

(Ausnahme: „Paketbesitzer“); oft gelingt ihnen nicht einmal dies.

3. Der ‘ Konzentrationsprozeß ist räumlich nicht begrenzt, sondern grenzüberschreitend, also international.

Um das Gewicht der ausländischen Investitionen allein der USA zu ermessen, sei darauf hingewiesen, daß der Buchwert der ausländischen Direktinvestitionen der USA 1950 zirka 12 Milliarden Dollar betrug, 1964 aber schon zirka 44 Milliarden. Von diesen Investitionen sind in der BRD 2,77 Milliarden, in Großbritannien 4,55 Milliarden und in Kanada 13,820 Milliarden lokalisiert.

Die wenigen Merkmale und die in Beispielen angezeigten Größenverhältnisse lassen erkennen, daß — wie erwähnt — das Adjektiv „privat“ bei der Institution des Eigentums nicht immer auf eine physische Person bezogen ist, sondern vielfach nur „nicht-staatlich“ heißen soll.

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