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Greift Hilfe fiir Problemgebiete ?

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Wie steht es denn eigentlich um die Effizienz und Wirksamkeit des Einsatzes von finanziellen Förderungsmaßnahmen im Rahmen der Wirtschaftspolitik in Problemregionen?

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Wie steht es denn eigentlich um die Effizienz und Wirksamkeit des Einsatzes von finanziellen Förderungsmaßnahmen im Rahmen der Wirtschaftspolitik in Problemregionen?

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Durchgreifender Wandel der wirtschaftlichen Bedingungen im allgemeinen sowie spezielle struktur- und lagebedingte Entwicklungshemmnisse in einzelnen Regionen bestimmen den aktuellen Stand wirtschaftlicher Entwicklung. Nach dem Bedeutungsverlust traditioneller Landwirtschaft, dessen Folgen noch nicht endgültig überwunden sind, ist es heute der rapide Wandel im

Bereich „klassischer" Industrieproduktionen, der die größten Probleme schafft.

Neue Produkte und Produktionsweisen, erhöhte Mobilität der Produzenten und der Arbeitskräfte, ein gestiegenes Bildungsniveau und höhere Ansprüche an den Lebensstandard führen zu steigenden Strukturunterschieden zwischen den Regionen. So wird heute eine Zweiteilung Österreichs von Ost nach West ebenso evident wie das Süd-Nord-Gefälle in der Bundesrepublik Deutschland.

Diesen Differenzierungen zu begegnen, ist im Interesse staatspolitischer Gerechtigkeit und Chancengleichheit anzustreben und begründet den Einsatz aufwendiger Förderungsinstrumente. In der BRD ist die Wahrung einheitlicher Lebensverhältnisse im gesamten Staatsgebiet sogar verfassungsmäßig verankertes, freilich keineswegs erreichtes Ziel.

Sowohl Österreich als auch die BRD sind von gleichartigen Problemen betroffen:

• Von jenen der „toten Grenze" nach Osten (in der BRD auch durch das Sonderproblem Berlin),

• von jenen der traditionellen Agrargebiete ohne gewerblichindustrielle Struktur, die ein Auffangen des Wandels erlauben würde;

• und von den heute im besonderen Ausmaß auftretenden Problemen alter Industriegebiete (z. B. Obersteiermark und VÖEST in Österreich; Ruhrgebiet und Werftenindustrie in der BRD).

Der Vergleich angewandter Methoden zeigt nicht nur höchst unterschiedliche Ansätze in den beiden Nachbarstaaten Österreich und BRD, sondern auch beträchtliche Differenzen in organisatorischer Hinsicht und damit auch hinsichtlich der Effizienz.

Die BRD verfügt über ein straff organisiertes Instrumentarium: Im Rahmen der sogenannten „Gemeinschaftsaufgabe" werden vom Bund die finanziellen Mittel für einen fünfjährigen Rahmenplan bereitgestellt, dessen Vollzug Ländersache ist. Strenge Vollzugsregeln, jährliche Erfolgskontrolle und Fortschreibung sowie eine hierarchische Ordnung geförderter Regionen in Verzahnung mit den Zielen der europäischen Wirtschaftspolitik bilden die Grundlage des Systems.

Für derzeit 269 im Katalog enthaltene Gemeinden sowie für ein 40 Kilometer breites flächendek-kendes Gebiet am Zonenrand und in Berlin werden maximal bis zu 25 Prozent der Investitionssumme gefördert. Für Sonderbereiche wie Rationalisierungsinvestitionen für die gewerbliche Wirtschaft, für den Fremdenverkehr und für Infrastrukturverbesserungen werden genau abgegrenzte Mittel und steuerliche Begünstigungen gewährt.

Die Uberschaubarkeit des Systems, die strenge Erfolgskontrolle und das Grundprinzip, die Mittel weder für Gießkannen-Aktionen noch für hektische Kraftakte in einzelnen Bereichen zu verschwenden, garantieren die mittlerweile eingetretenen, teils beachtlichen Erfolge. Einwände gegen das System betreffen vor allem die Dominanz des Bundes, die fehlende parlamentarische Kontrolle und die unzureichende Rücksichtnahme auf den mittlerweile eingetretenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel.

Viel weniger straff organisiert und vor allem ohne jeglichen Rahmenplan und zwingende Kontrolle aufgebaut dagegen das österreichische System: Mit Recht wird mittlerweile von einem „Wildwuchs regionalpolitischer Instrumente" (R. Schmid-jell) gesprochen. Weder besteht eine aktive Koordination der Mittel — die geschickten Managern das „Mitnehmen" eigentlich nicht erforderlicher Beiträge erleichtert — noch gibt es konkrete und verbindliche Entwicklungsziele für die Regionen. Bezeichnend für den Zustand ist die Tatsache, daß der Begriff Regionalpolitik in der Regierungserklärung von 1983 fehlt.

Den oft von (parteipolitischen Interessen bestimmten Aktionen (Steyr im Jänner 1984) ist Planlosigkeit nicht abzusprechen, verschärfend tritt die durch gewaltige Kaufkraftabschöpfungen während der siebziger Jahre hervorgerufene Unfähigkeit der Regionen hinzu, aus eigener Kraft der Entwicklung zu begegnen. Der Rückfluß aus Förderungsmitteln und Finanzausgleich bleibt dahinter wesentlich zurück.

Die gegenwärtige Strategie ist auf Konservierung des Bestehenden bei extremem Mittelaufwand gerichtet und nicht so sehr auf die Gestaltung von Neuem durch Impulssetzung und bleibt daher ohne großen Effekt. Die Gewißheit vor allem verstaatlichter Unternehmen, im Krisenfall ohnedies mit einer Feuerwehr-Aktion des Bundes rechnen zu können, ist ein Hemmnis für unternehmerische Phantasie und Flexibilität. Solange das wirtschaftspolitische Denkschema auf beiden Seiten so eingeengt bleibt, ist kein durchgreifender Effekt abzusehen.

Aufgrund der erreichten Erfolge konnte in der BRD bereits eine Reihe von Gemeinden aus der „Gemeinschaftsaufgabe" entlassen werden: Das Ziel, den Anstoß für eine eigenständige Entwicklung zu geben, ist also erfüllt worden. Auch ist in den Problemregionen z. B. die Arbeitslosenrate weitgehend an den Bundesdurchschnitt angenähert worden — freilich ist dieser selbst auch angestiegen.

Ähnlich unübersichtlich wie das Instrumentarium ist auch das zugängliche Datenmaterial über die Ergebnisse regionaler Wirtschaftspolitik in Österreich: eine vergleichbare und übersichtliche Erfolgsrechnung im Sinne einer Bilanz ist fast nicht aufzustellen.

Nun zeigt eine Reihe von Einzelanalysen, daß durchaus positiv wirksame Folgen regionalpolitischer Instrumente gegeben sind. So wurden z. B. zwischen 1980 und 1982 im Waldviertel acht Betriebe neu gegründet und weitere 19 erweitert, insgesamt wuchsen 852 Arbeitsplätze zu, das sind rund sechs Prozent der gesamten Arbeitsplätze im gewerblichen Bereich. Dazu wurden 76,5 Millionen Schilling von der öffentlichen Hand aufgewendet. Der Anteil am Gesamtinvestitionsvolumen beträgt im Waldviertel etwa 24,5 Prozent, sodaß „Mitnahmeeffekte" eher unwahrscheinlich sind — das Instrument hat offenbar gegriffen.

Allerdings ist diese relativ positive eigenständige Entwicklung vor allem auf das billige Arbeitskräfteangebot ausgerichtet, für gesunde Regionen wichtige innerbetriebliche Elemente fehlen (Forschung und Entwicklung, Verwalturigs- und Informationszentrale). Strukturpolitische Effekte sind solcherart nur in geringem Ausmaß zu erwarten.

Während im Waldviertel immerhin im Prinzip jeder Ansiedler unabhängig von seiner Branche die gleichen Voraussetzungen antrifft, ist das Entwicklungspotential in den traditionellen Industriegebieten viel eingeengter. Allzusehr sind die Strukturen verfestigt und auf eine Branche ausgerichtet: Produktionsziele und -methoden, Verkehrsanlagen, Gebäude, Eigentumsverhältnisse und gar nicht zuletzt Mentalität und Denkweise der Menschen sind seit Jahrzehnten fixiert.

Ein in der Öffentlichkeit wenig beachtetes Beispiel für eine positive Entwicklung bildet die Region Osttirol. Sowohl im industriell-gewerblichen Bereich wie im Fremdenverkehr sind die Entwicklungschancen genutzt worden. Enorme Anstrengungen der öffentlichen Hand, um Ansied-lungen zu gewinnen, sind mit einem völligen Verzicht auf innerbetriebliche Einflußnahme verbunden.

Ein für das entwicklungspolitische Klima bezeichnendes Indiz: Weil das Land Tirol nicht in der Lage war, erforderliche Infrastrukturmaßnahmen rasch zu setzen, entschloß sich ein Unternehmen (Spezialbetrieb für Herdplatten mit hohem Marktanteil) zu einer Reform der Betriebsstruktur und der Produktion, um den Standort (bei Sillian) halten zu können.

Ob allerdings auch die Annahme wirklich berechtigt ist, ein Großkraftwerk werde weiteres Entwicklungspotential für Osttirol freimachen, ist wegen der relativen Kurzfristigkeit und einseitigen Qualifikation der Arbeitsplätze zu bezweifeln. Die größere und langfristigere Chance liegt sicher in einer Forcierung des „Sanften Tourismus" in der gesamten Region und in der Konzentration auf industriell-gewerbliche Produktion mit hohem Spezialisierungsgrad.

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